Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 41 / XII / 2006

VORBERICHT ZUM PROJEKT "DER TEMPELBEZIRK DES JUPPITER HELIOPOLITANUS IN CARNUNTUM" AN DER ÖAW

Seit Mai 2005 wurden an der ÖAW am Institut für Kulturgeschichte der Antike die Forschungen zum Tempelbezirk der heliopolitanischen Gottheiten in Carnuntum wieder aufgenommen (Projektleitung: V. Gassner). Das Ziel ist eine umfassende Auswertung und Digitalisierung der baulichen Befunde und stratigraphischen Einheiten sowie eine parallele Bearbeitung ausgewählter Fundgattungen (Keramik, Skulpturen, Münzen, Feinkeramik, Bronzen und Fibeln).
Die Ausgrabungen fanden in den Jahren 1978 bis 1991 in der modernen Flur Mühläcker in Bad Deutsch-Altenburg unter der Leitung von M. Kandler und H. Zabehlicky statt (Abb. 1). Dabei wurde in den östlichen Canabae von Carnuntum das Heiligtum entdeckt [1]. Die Ausgrabungen erfolgten im Zuge von Notgrabungen auf einem leicht fallenden Gelände zum Altenburger Bach. Begrenzt wird der Tempelbezirk durch zwei Straßen im Süden und im Westen. Das Heiligtum selbst wird von einer unregelmäßigen Umfassungsmauer eingefasst (ca. 110 m x 90 m). Im Zentrum liegt ein Hof, an dessen Ost- und Südseite sich Kultgebäude reihen. Im Norden schließt eine Halle mit Pfeilerporticus an. Zwei monumentale Torpfeiler weisen auf den Haupteingang im Westen, von wo man durch die Nordhalle durch einen weiteren Eingang in den zentralen Hof gelangt. Östlich an den Hof folgen die Haupttempel A sowie B. Im Süden wird der Hof durch eine weitere Porticus, der Südporticus, begrenzt, an die im Süden und im Westen zwei weitere Kultbauten mit auffallendem Grundriss anschließen (Halle H und Halle J). Im Südosten folgt ein kleines, kompaktes Badegebäude mit einer kleinen Latrine. Reste eines älteren Hauses ganz im Süden der Anlage sind der frühen Verbauung des Areals zuzuweisen [2].
Insgesamt gelang es, eine Reihe von Gebäuden auszugraben. Ein wesentlicher Teil westlich der Tempel ist bislang unerforscht, da dieser unter Denkmalschutz gestellt wurde und somit nicht mehr unmittelbar gefährdet war.


Zwei Altäre und ein goldenes Votivplättchen in Form einer tabula ansata weisen das Heiligtum dem Juppiter Heliopolitanus zu, dessen Stammheiligtum in Heliopolis/Baalbek in Syrien angesiedelt ist. Das Carnuntiner Heiligtum ist bisher das einzige bekannte und ergrabene Heiligtum dieser Art im Westen. Einzig in Rom und Puteoli werden derartige Heiligtümer aufgrund von Inschriftenfunden vermutet [3].

Im Zuge der wissenschaftlichen Untersuchungen des letzten Jahres wurde der bauliche und stratigraphische Befund im Südteil des Tempelbezirks mit der Halle J, Halle H, der Südporticus und dem Bad abgeschlossen und einer vorläufigen Auswertung unterzogen.
Als entscheidend erwies sich die richtige Zuordnung und Bezeichnung der Schichten zueinander. Der theoretische Hintergrund von archäologischen Ausgrabungen hat sich in den letzten 20 Jahren wesentlich verändert. So arbeitet man heute fast ausschließlich nach stratigraphischen Einheiten, wodurch die anschließende Befundaufarbeitung und Auswertung erheblich verkürzt wird. Das auf den Mühläckern verwendete Grabungssystem richtete sich aber noch nach dem damals üblichen Tiefergehen nach Abhüben, sogenannten künstlichen Einheiten, die nicht den tatsächlichen stratigraphischen Gegebenheiten entsprachen. Aus diesem Grund war die richtige Zuordnung und Bezeichnung der Schichten zueinander entscheidend. Ein rezenter Zick-Zack-Graben durchquerte das Grabungsareal (Abb. 2) von Ost nach West. Weitere Störungen in Form von Suchgräben und Schuttschichten sind auf intensive Grabungsaktivitäten im 19.Jh. zurückzuführen. Außerdem sind viele Mauern nur mehr in Form eines breiten Ausrissgrabens erhalten, was auf die sekundäre Verwendung der Steine als Baumaterial zurückzuführen ist.


Im Überblick sind drei Phasen zu nennen. In der frühesten Phase tauchen punktuell immer wieder in den anstehenden sandigen Lehm eingetieft schmale Balkengräben und Pfostenlöcher auf, die mit den Holzgebäuden im Süden des Tempelareals in Zusammenhang zu bringen sind. Darüber zieht sich flächendeckend eine dunkel- bis mittelbraune ca. 0,30 m bis 0,40 m breite Erdschicht, auf der die erste Bauphase der Kultanlage liegt. Auf dieser stellenweise massiven Erdschicht zieht ein Gehniveau zu den älteren Pfeilern und Außenmauern der Südporticus. Eine zweite Bauphase ist mit einer Anschüttung des Areals sowie leicht versetzten erneuerten Pfeilern zur Südporticus in Zusammenhang zu bringen. Östlich davon schließt ein ca. 5 m x 5 m großes Objekt an, das von M. Kandler als ,Turm' bezeichnet wurde. Da die Mauern bis zum untersten Fundamentbett ausgerissen sind, ist eine genauere Phasenzuordnung schwierig, sodass vorerst auf eine Interpretation verzichtet wird. Wenig südlich davon folgt ein kleines Bad (Abb. 3) [4]. Das 20,5 m x 19,5 m große Gebäude reiht sich mit dem Apodyterium, Caldarium, Frigidarien, Tepidarium, der Heizanlage und der angebauten Vitrine in den Kanon der römischen Bäder ein. Neben partiell erhaltenen Terrazzofußböden in den unbeheizten Räumen sind vor allem die Kaltwasserbecken mit gestampften Lehmfußböden ausgestattet. In den beiden beheizten Räumen, dem Caldarium und dem Tepidarium, waren noch die Hypokaustpfeilerchen in Form von quadratischen, gestapelten Ziegelplatten erhalten. Das Bad wird von zwei gut erhaltenen Kanälen durchzogen, die schließlich zu einem Sammelkanal zusammenfließen. Südlich der Südporticus und westlich des Bades schließt ein dreischiffiger Bau (Halle H) mit den Maßen von 10 m x 15 m an. Das 4,3 m breite Mittelschiff weist ein Flächenhypokaustum auf. Am Südende befindet sich ein 2,5 m tiefes und 3,6 m breites Podium, das von zwei schmalen Heizkanälen eingedeckt wird. Entlang der Außenmauern wurden schmale Unterbauten von Liegebänken gefunden. Diesem Bau sind drei Bauphasen zuzuordnen, die sich vor allem durch unterschiedliche Fußböden und Anbauten manifestieren. Ursprünglich wurde das Gebäude von den Ausgräbern als Mithräum bezeichnet [5]. Inschriftenmaterial fehlte dazu. Es wurden aber zahlreiche Gefäße im Umkreis des Gebäudes gefunden, die auf einen Kultbau hinweisen. Die meisten Gefäße tragen Schlangenappliken vereinzelt aber auch andere Symbole wie Eidechsen, Frösche oder Schildkröten. Der Kultbau ist auf alle Fälle in Verbindung mit Mysterienreligionen zu sehen. Eine nahe Verbindung zum Kult des Sabazios konnte ausführlich von V. Gassner nachgewiesen werden [6].
Westlich davon folgt ein weiterer West-Ost gerichteter Saal (Halle J) mit den Außenmaßen von 25 m x 13,25 m. Er ist im rechten Winkel zur Halle H angelegt und schließt an die Vorräume des Kultsaals (Halle H) an. An der Nord-, West- und Südseite ist er mit einem erhöhten Podium versehen. Der Innenraum liegt etwas tiefer und ist mit einem kompakten Mörtelestrich ausgestattet, auf dem diagonal zur Raumachse quadratische Ziegelplatten verlegt sind. Im Ostteil, in dem auch der Eingang zu erwarten ist, wurde ein rechteckiger Quaderblock aufgedeckt, der als Auflager für eine Statuen- oder Altarbasis gedient hat. In dieser Halle wurden Kultmahlzeiten oder Bankette abgehalten. Im Westen und Norden der Halle fanden sich noch mehrphasige Wohnbauten, die aufgrund ihrer Ausstattung (spätantike Schlauchheizung) und des Fundmaterials der spätesten Phase des Kultbezirks zuzurechnen sind.
Nach dem derzeitigen Forschungsstand war das Areal ab der 2. Hälfte des 1.Jh. n.Chr. besiedelt (Wohngebäude in Holzbauweise). Ab der 1. Hälfte des 2.Jh. entstanden sukzessive die Bauten des Kultbezirks. Ein erster Höhepunkt ist gegen Ende des 2.Jh. zu attestieren. Im 3.Jh. n.Chr. wurde der Tempelbezirk vergrößert und fast vollständig neu errichtet. Ein mäßiger Anteil an spätantiker Keramik, die Münzverteilung und die spätantike Schlauchheizung eines Wohngebäudes nördlich der Halle J deuten auf eine Besiedlung des Areals bis nach der Mitte des 4.Jh. n.Chr. Die endgültige Zerstörung der Bauten dürfte mit einem großen Erdbeben in Verbindung zu bringen sein, das seine Spuren auch an anderen Orten Carnuntums hinterlassen hat [7].

Eine genaue Datierung und Zuordnung der Phasen der einzelnen Gebäude in Verbindung mit dem Fundmaterial wird derzeit mit den einzelnen Bearbeitern diskutiert.

[1] Die Berichte zu den Ausgrabungen sind ab 1978 in den Jahresheften des Österreichischen Archäologischen Instituts und in der PAR (Pro Austria Romana) nachzulesen. Zuletzt: Pia Eschbaumer et al, Der Kultbezirk des Iuppiter Optimus Maximus Heliopolitanus in den östlichen Canabae von Carnuntum, CarnJb 2003, 2004, 117-167.
[2] Zur frühen Verbauung: M. Kandler u. H. Zabehlicky, Untersuchungen am Ostrand der Canabae Legionis von Carnuntum. In: Studien zu den Militärgrenzen Roms III, 13. Int. Limeskongreß, Aalen 1983 (1986) 341-349.
[3] Zum Heiligtum zuletzt: V. Gassner, Der Tempelbezirk des Iuppiter Heliopolitanus in Carnuntum - ein ,syrisches' oder ,pannonisches' Heiligtum? In: A. Schmidt-Colinet, Lokale Identitäten in Randgebieten des Römischen Reiches (Wien 2004) 71-81.
[4] G. Wlach, Römische Badeanlagen in Österreich, Ungedr. Diss. Wien 1985, 123-125.
[5] In Auswahl: M. Kandler und H. Zabehlicky, Untersuchungen am Ostrand der Canabae Legionis von Carnuntum. In: Studien zu den Militärgrenzen Roms III. 13. Int. Limeskongreß 1983 Aalen (1986) 344-348, M. Kandler, Carnuntum. In: H. Friesinger u. F. Krinzinger (Hrsg.), Der römische Limes in Österreich, Wien 1997, 261f.
[6] V. Gassner, Snake-decorated vessels from the canabae of Carnuntum - evidence for another mithraeum? In: M. Martens (Hrsg.), Roman Mithraism: The evidence of small finds (Brüssel 2004) 229-238.

© Ute Lohner-Urban
e-mail: ute.lohner@oeaw.ac.at

This article should be cited like this: U. Lohner-Urban, Vorbericht zum Projekt "Der Tempelbezirk des Juppiter Heliopolitanus in Carnuntum" an der ÖAW, Forum Archaeologiae 41/XII/2006 (http://farch.net).



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