Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 33 / XII / 2004

EIN GROßER FRÜHTIBERISCHER WANDMALEREIKOMPLEX AUS DER STADT ALT-VIRUNUM AUF DEM MAGDALENSBERG IN KÄRNTEN, ÖSTERREICH

In den Jahren 1986 und 1990 wurden innerhalb des sogenannten "Plateaubaus", eines großen Gebäudes mit öffentlicher/offizieller Funktion, die bislang umfangreichsten noch in situ befindlichen Wandmalereifunde innerhalb der Stadt auf dem Magdalensberg aufgedeckt und dokumentiert. Das von G. Piccottini im jüngsten Band der Magdalensberg-Grabungsberichte als Principia gedeutete Bauwerk (Piccottini 2004) verfügt über mehrere Räume (Abb. 1-2), von welchen die große vorgelagerte Halle A und der zentrale Raum E vollflächigen Dekor aufgewiesen haben.


Der Plateaubau liegt westlich über dem Forum und ist über eine Freitreppe zugänglich gewesen (Abb. 1-2). Das Gelände fällt hier steil ab, sodaß zu seiner Errichtung massive Terrassierungen notwendig geworden waren. Diese exponierte Lage am Hang brachte im Lauf der Jahrhunderte aber starke Materialverlagerungen mit sich, was insbesondere die vordere Front des Gebäudes so stark in Mitleidenschaft gezogen hat, daß nicht mehr entschieden werden kann, ob diese ehemals offen oder geschlossen gewesen ist. Außerdem wurde nach dem Aufgeben der Stadt aus dem Plateaubau brauchbares Baumaterial (marmorne Türschwellen und Türgewände, Dachziegel) entfernt, was zu einem raschen Verfall der Mauern geführt hat.

Halle A
Die große vorgelagerte Halle A (Abb. 3) mit den lichten Weiten 32,7 x 6,3 m war vollflächig bemalt, jedoch blieben nur mehr geringe Reste der Sockelzone tatsächlich noch an den Wänden haften. Über einem ca. 15 cm hohen Streifen in Bordeauxrot folgt eine breite Zone mit buntem Spritzdekor auf hellgraublauem Grund. Die Oberkante des Sockels schließt ein grüner Streifen ab. Aus den vorhandenen Resten läßt sich eine Höhe von etwa 60 cm oder 2 römischen Fuß ableiten. Zudem ist der Sockel durch vertikale weiße Linien unterteilt, die sich unterhalb der Stoßlinien der Felder in der Mittelzone befinden.

Die Felder der Mittelzone sind voneinander durch dünne, metallstangenartige Säulchen getrennt, die aus einem kleinen Kelch herauswachsen und am oberen Ende kleine Kapitelle ausbilden, welche den darüberliegenden Architrav tragen. An den Feldern befinden sich doppelte Binnenrahmungen, die Felder selbst zeigen eine Abfolge in den Farben Schwarz - Rot - Ocker - Rot - Schwarz in ungebrochener Reihe, wobei in den Raumecken je ein halbes rotes Feld vorhanden war (Abb. 3). Die einzelnen Felder tragen unterschiedlichen Dekor. Auf den ocker Feldern befinden sich kleine sakrale Landschaften, von welchen sich am besten jene aus dem östlichen Teil der N-Wand erhalten hat (Abb. 4). Sie besteht aus einem Rundaltar im Zentrum, rechts daneben steht eine kleine, nach rechts gewandte Herme auf einem Sockel; der Altar läßt Reste eines Aufsatzes erkennen, der aber noch nicht weiter zusammengesetzt werden konnte. Vor die roten Felder sind verschiedene Girlanden gemalt, die schwarzen Felder tragen gleichfalls Girlanden, die im Unterschied zu jenen der roten überaus filigran sind. Zudem sind von den schwarzen Feldern noch zusätzlich kleine Vögel vorhanden, sodaß Girlanden und Vögel gewechselt haben dürften.


Über der mittleren Zone folgt ein umlaufender Fries auf schwarzem Grund. Von diesem Fries sind mehrfach gegenständige auffliegende Vögel, vielleicht ungelenk gemalte Schwäne vorhanden, die kleine Pflänzchen in den Schnäbeln tragen (Abb. 5); diese Darstellungen sind gerahmt und über den ocker Feldern positioniert. Links und rechts davon folgen miteinander verbundene geometrische Motive, die wie stilisierte Blüten wirken und mit eingeschriebenen Kreisen und Quadraten sowie kleinen vierblättrigen Blüten gefüllt sind. Den oberen Abschluß dieses Wanddekors bildet ein roter Streifen, darüber war die Wand weiß gehalten.
Während die Breiten der Felder genau bestimmbar sind, kann die exakte Höhe der bemalten Wände nicht sicher ermittelt werden. Für die Rekonstruktion wurden hier 3 m angenommen, was der ehemals vorhandenen dekorierten Zone jedoch annähernd entsprochen haben wird. Zumindest an der langen Nordwand ragten die Zugänge in die Räume E und F nicht in den Fries, sondern dieser lief darüber ungebrochen weiter.
Eines der ocker Felder trug mehrere Gladiatorengraffiti und Reste von Ritzinschriften, was wohl als ein weiterer Hinweis für die Abhaltung von munera in der Stadt auf dem Magdalensberg zu werten sein dürfte (Piccottini 1992).

Raum E
In Raum E mit den lichten Maßen 8,3 m x 6,4 m (Abb. 1) blieben vor allem von der W-Wand noch größere Teile in situ erhalten, die bereits stark verwittert angetroffen wurden (Abb. 7). Zudem sind Reste der Sockelzone bzw. auch Ansätze der mittleren Felder an der N- und O-Wand ebenfalls noch direkt an den Wänden zu dokumentieren gewesen. Anders als in der Halle A ist der Wanddekor in Raum E nicht wie eine regelmäßige Abrollung aufgelöst, sondern die Wände richten sich auf die jeweiligen zentralen Felder hin aus. Diese Felder werden beiderseits von schmalen ocker Feldern begleitet, an welche wiederum bis in die Raumecken breite rote Felder anschließen. Der Sockel ist schwarzgrundig und trägt an der Unterkante bunten Spritzdekor; darüber sind geometrische Motive mit weißen und gelben Linien aufgemalt und wie in Halle A schließt ein grüner Streifen den Sockel gegen die Mittelzone ab. Der Sockel in Raum E ist annähernd 70 cm hoch. Der grüne Streifen zieht in den Raumecken nach oben. Während in der Halle A dünne Metallstangen vor die Stoßlinien der Felder gemalt sind, zeigen die Wände in Raum E Säulen, deren Farbgebung Gestein andeutet; diese gleichfalls sehr schlanken Säulen tragen vor den ocker Feldern Kanneluren, während jene vor den roten glatte Säulenschäfte aufweisen.


Aus den Überresten des zentralen Feldes der O-Wand geht hervor, daß sich an deren Unterkante eine Predellazone in Bordeauxrot befindet, auf welche Blattranken aufgemalt sind (Abb. 6). Der Erhaltungszustand der W-Wand ließ eine diesbezügliche Beobachtung allerdings nicht zu (Abb. 7). Der Hintergrund dieser Felder an der O- und W-Wand ist ein strahlendes Hellblau, darauf wurde dann ein gerahmtes Bild gemalt, von welchen sich dasjenige der W-Wand relativ gut zusammensetzen ließ (Abb. 8). Hier wurde die Wand durch eine perspektivisch in den Hintergrund führende Architekturdarstellung durchbrochen. Die N-Wand von Raum E gegenüber dem Eingang zeigt zwar die gleiche Aufteilung in gelbe und rote Felder, jedoch ist das zentrale Feld in Schwarzgrün gehalten und besitzt außer einfachen Schnurgirlanden keine weiteren Motive.

Anders als in der Halle A konnte im Raum E der obere Abschluß der Wand noch nicht rekonstruiert werden. Über den zentralen Feldern sind vermutlich luftige Giebel aus Ranken über einem ockerfarbenen Hintergrund aufgemalt gewesen, wie entsprechende Überreste andeuten. Hier bleiben weitere Zusammensetzungen abzuwarten, bevor endgültige Aussagen getroffen werden können.
Der Dekor der beiden Räume des Plateaubaus hat wohl auch aufgrund der Größe des Gebäudes innerhalb der Stadt keine deutlichen Parallelen aufzuweisen. Die beiden bemalten Räume folgen deutlich zwei unterschiedlichen Schemata; während in Halle A eine bunte Abfolge von mehrfach wiederkehrenden Feldern und dünnen Metallstangen davor entgegentritt, die mit den sakralen Landschaften auf den ocker Feldern und den darüber im Fries auffliegenden Vögeln einzelne hervorgehobene Paneele zeigt, die aber geschlossen bleiben, zeigt der Raum E eine Ausrichtung auf die zentralen, ädikulaartigen Partien der jeweiligen Wand, welche zumindest an der O- und W-Wand in den aufgemalten Bildern Durchbrüche mit perspektivischer Architekturlandschaft tragen. Im Zuge der Arbeiten an den Wandmalereien vom Plateaubau ließ sich weiters feststellen, daß wenigstens ein Fragment aus der Halle A bereits bei den früheren Grabungen auf dem Magdalensberg aufgefunden werden konnte (Kenner 1985: Taf. 71,8). Dieses Bruchstück eines rot-schwarzen Feldes mit Säulchen vor der Stoßlinie kam durch Materialverlagerung (Abtransport von Baumaterial in der Antike oder Hangrutschungen) auf das Forumsniveau hinab. Die Datierung des gesamten Komplexes in die frühtiberische Zeit ergibt sich aus der Schichtendatierung des Gebäudes (Piccottini 2004).
Mit der Aufdeckung der beiden bemalten Räume und vor allem der Dokumentation der Wandmalereien noch in situ ließ sich das bereits vorhandene Material, das von H. Kenner eingehend publiziert worden ist, um einen interessanten Komplex bereichern. Zwar sind noch einige Detailfragen zur Rekonstruktion der Wände offen, das jeweilige zugrundeliegende Dekorschema 3. Stils aber ließ sich aus den zusammengesetzten Wandpartien bzw. den noch an den Wänden haftenden Überresten eindeutig feststellen. Es sei hier abschließend angemerkt, daß das vorhandene Material auf die Funktion des Gebäudekomplexes "Plateaubau" keinen wirklichen Rückschluß zuläßt.

Literatur Gostenčnik, K. 2004: Frühtiberische Wanddekorationen 3. Stils und Graffiti aus den Principia, in: Piccottini 2004, 57-116.
Kenner, H. 1985: Die römischen Wandmalereien des Magdalensberges. Archäologische Forschungen zu den Grabungen auf dem Magdalensberg 8 (Klagenfurt).
Piccottini, G. 1992: Gladiatori sul Magdalensberg. Archeologia Veneta 15, 109-115.
Piccottini, G. (Hrsg.) 2004: Die Ausgrabungen auf dem Magdalensberg 1987-1990. Magdalensberg-Grabungsbericht 17 (Klagenfurt).

© Kordula Gostenčnik
e-mail: kgosten@hotmail.com

This article should be cited like this: K. Gostenčnik, Ein großer frühtiberischer Wandmalereikomplex aus der Stadt Alt-Virunum auf dem Magdalensberg in Kärnten, Österreich, Forum Archaeologiae 33/XII/2004 (http://farch.net).



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