In verschiedenen Heiligtümern der Artemis in ganz Attika wurden Krateriskoi (kleine Gefäße für das Trankopfer über dem Altar) mit Abbildungen von Frauen und Mädchen gefunden. Die Szenen auf ihnen sowie einige antike literarische Quellen (z.B. Scholion für Aristophanes) weisen uns einen Weg zum Verständnis des Rituals in Brauron.
Die Anlage dort war ähnlich der eines Klosters heute. Die Mädchen sollten sich auf das Leben als erwachsene Frauen vorbereiten und durch Wettlaufen und Tanzen die Initiationsrituale durchführen. Sie dürften sich dort im Alter zwischen fünf und zehn Jahren aufgehalten haben. Ziel war die gute Vorbereitung der Mädchen auf das Leben in der Ehe, so wurden sie unter anderem in Weben, Spinnen und Sticken unterrichtet. Am Ende der Ausbildung wurden die "Arkteia" (Arktos = Bär, heiliges Tier der Artemis) gefeiert und die teilnehmenden Mädchen wurden als Bärinnen bezeichnet.
Manche Krateriskoi -fünf wurden in dem Vortrag genauer erläutert- präsentieren nackte Mädchen beim Laufen oder Tanzen (Abb.). Über ihre Nacktheit wurden bis jetzt viele Diskussionen geführt und viele Meinungen geäußert. Alle Interpretationen aber stimmen darin überein, dass die Nacktheit der Mädchen in enger Beziehung zu dem Ritual zu Ehren der Artemis stehen muss.
Nach Meinung der Autorin zeigt das Ablegen des Gewandes bzw. die Nacktheit der Mädchen den Höhepunkt der Arkteia. Auch ist der wichtige Bezug zu Iphigenie nicht zu vernachlässigen, die ja ebenfalls am Höhepunkt der mit ihr vorgenommenen rituellen Handlungen ihr Gewand ablegte (s. Aischylos, Agamemnon). Die Nacktheit, die hier von jedem sexuellen Kontext befreit ist, dürfte das Ende der gesamten Erziehung, das Ende der Kindheit sowie den Beginn der Reifezeit symbolisieren. Zu diesem Zeitpunkt sind die Mädchen schon zu Frauen herangewachsen, bereit zum Leben als Ehefrauen und Mütter.

© Maria Poulkou
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This article will be quoted by M. Poulkou, Überlegungen zu den nackten "Bärinnen" in Brauron, Forum Archaeologiae 29/XII/2003 (http://farch.net).