Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 29 / XII / 2003
10. Österreichischer Archäologentag

OST UND WEST.
Römische Architekturen in Kleinasien

In der Forschung über 'Hellenisierung' und 'Romanisierung' antiker Architekturen ist lange erkannt, daß weitreichende Einflüsse aus dem Osten nach Rom sowie aus Rom in den Osten eine wesentliche Rolle spielten. So steht beim Hercules Victor-Tempel auf dem Forum Boarium der Umgang mit dem für Rom noch fremden Baumaterial im Vordergrund, weshalb zusammen mit dem Marmor auch Steinmetzen aus Griechenland in die Hauptstadt geholt wurden. Die kleinasiatischen Formen an den hadrianischen Großbauten in Rom (Hadrianeum, Venus-und-Romatempel, Mausoleum des Hadrian) sind hingegen als bewußtes Einbinden östlicher Architekten in das römische Bauwesen zu interpretieren.
In Kleinasien lassen sich parallel dazu stadtrömische Einflüsse aufzeigen. Vereinzelte westliche Motive und Dekorelemente etwa an den Fassaden des Laekanius Bassus-Nymphäums oder der Celsusbibliothek sind über die Personen der Auftraggeber und deren stadtrömisches Umfeld erklärbar.
Auf einer anderen Ebene sind direkte Importe stadtrömischer Bauteile zu verstehen, etwa zweier früh- bis mittelkaiserzeitlicher Kapitelle in Ephesos und Pergamon. Versteht man die Bauteile als Mustervorlagen für heimische Werkstätten, so ist zu konstatieren, daß sich die Rezeption dabei nicht oder gerade nicht auf die Dekorformen des Importstückes beschränkt hat, sondern, wie für das Exemplar aus Ephesos vorgeschlagen wurde, sich auf technische Aspekte bezieht, die wesentlich zur Rationalisierung der Arbeit beitragen konnten.
Getrennt davon sind Bauteile zu betrachten, die nach 'heimischen' Vorlagen vorgefertigt, dann aber durch Steinmetzen fertiggestellt wurden, die aus fremden Regionen zugewandert waren. Das ist in gleicher Weise an römischen Kapitellen mit kleinasiatischen Detailformen zu zeigen, wie umgekehrt an kleinasiatischen Bauteilen mit stadtrömischen Blattformen.
In der Diskussion um Muster und deren Transfer stellt sich erneut die Frage nach Struktur und Größe sogenannter 'Bauhütten'. Während für Rom langlebige und straff organisierte Werkstätten archäologisch wie historisch zu fassen sind, scheinen im Osten solche Großbetriebe, etwa eine postulierte 'ephesisch-pergamenische Bauhütte' nicht existiert zu haben. Die große Vielfalt und Kurzlebigkeit einzelner Formen und vor allem deren versatzstückartiges Wiederverwenden in verschiedenen lokalen Traditionen läßt auf kleine, auf den Bedarf abgestimmte Betriebe schließen.

© Georg A. Plattner
e-mail: georg.plattner@vienna.at

This article will be quoted by G.A. Plattner, Ost und West. Römische Architekturen in Kleinasien, Forum Archaeologiae 29/XII/2003 (http://farch.net).



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