Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 29 / XII / 2003
10. Österreichischer Archäologentag

INTERPRETATION DES NORDFRIESES VOM SIPHNIERSCHATZHAUS.
Ikonographische Analyse im sozial-politischen Kontext

In diesem Vortrag möchte ich über die ikonographische Entwicklung der Gigantomachie in der spätarchaischen Kunst Athens sprechen. Ich hoffe, daß durch die Einbettung der Monumente in den zeitgenössischen Hintergrund, die politisch-soziale Bedeutung der Ikonographie geklärt werden kann.
In der archaischen Kunst wurden Giganten fast ausnahmslos als Hoplit dargestellt. Um die absolute Überlegenheit und Erhabenheit der Götter gegenüber den Sterblichen wiederzugeben, scheint den Riesen die Gestalt des damaligen stärksten Kriegers verliehen worden zu sein. Aber mit den zwei Monumenten, dem Westgiebel des Apollontempels in Delphi und dem Ostgiebel des alten Athenatempels in der Akropolis in Athen, die beide wohl um 520 v. Chr. entstanden sind, ist der ikonographische Wendepunkt gekommen. Giganten wurden seit diesen Beispielen oft als nackt, mit Fels oder Ast in der Hand dargestellt, so daß ihr titanischer, wilder und primitiver Charakter betont wurde.
Als Anlaß für diese Änderung kann man wohl zwei Punkte anführen. Zum einen hat es sich wohl um die Barbaren-Anschauung der damaligen Athener gehandelt. Ab 530 v.Chr. sind in Athen eine große Anzahl der Vasenbilder entstanden, die zwei typische barbarische Völker, Skythen und Thraker, abgebildet haben. Zum anderen scheint damals in Athen die Darstellung des Hopliten zum Sinnbild des idealen Bürgers geworden zu sein. Man hat allmählich vermieden, die Hoplitendarstellung den von den Göttern vernichteten, hochmütigen Giganten zu erteilen.
Diese neue Entwicklung der Kunst in ihrer sozialen Bedeutung ist auch im Siphnierfries zu finden, und zwar in zwei Wiedergaben: die der Phalanx und eines fliehenden Giganten, Tharos. Nach vielen Überlieferungen wurden dem Krieger in der Antike, der vom Schlachtfeld geflohen war, verschiedene soziale Bestrafungen gegeben. In Athen, das den Weg zur Demokratie vorbereitet hat, scheinen Mythos und Kunst eine neue soziale Rolle gespielt zu haben. Früher hatten diese die Sagen überliefert und Ethik verkündigt, nun haben sie begonnen, kollektive Wertvorstellungen und gesellschaftliche Normen zu verkörpern.

© Toshihiro Osada
e-mail: osada@geijutsu.tsukuba.ac.jp

This article will be quoted by T. Osada, Interpretation des Nordfrieses vom Siphnierschatzhaus - Ikonographische Analyse im sozial-politischen Kontext, Forum Archaeologiae 29/XII/2003 (http://farch.net).



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