Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 29 / XII / 2003
10. Österreichischer Archäologentag

DIE ANTIKENSAMMLUNG DES PFARRERS RICHARD KNABL. MARGINALIEN UND ARCHIVALIEN.
Gedanken zu einem "unteritalischen Grabfund"

In der Originalsammlung des Instituts für Archäologie an der Karl-Franzens-Universität Graz befindet sich seit über 100 Jahren ein sogenannter unteritalischer Grabfund. Sieht man davon ab, dass 1982 zwei Gefäße dieses Komplexes im Band zur apulisch-rotfigurigen Vasenmalerei durch Arthur Dale Trendall und Alexander Cambitoglou erwähnt wurden, so wurde dieser teilweise erst 1993 von Hanns-Thuri Lorenz im Vasenkatalog zur Originalsammlung als Einzelobjekte vorgestellt. Dass es sich hierbei möglicherweise um einen Teil eines Grabinventars handelt, wurde bisher nicht untersucht.
Der unteritalische Grabfund besteht aus einem Ensemble von neun kleinformatigen Tongefäßen: einer Netzlekythos, zwei spätapulisch-rotfigurigen Bauchlekythen (Abb.), einer Oinochoe mit Riefelung der apulischen Glanztonware, zwei Trinkschalen mit Palmettenstempelung der apulischen Glanztonware, einer spätapulisch-rotfigurigen Trinkschale, einem Gnathia-Skyphos und einer spätapulisch-rotfigurigen Lekanis.
Trotz der Heterogenität der Gefäße ist eine derartige Zusammenstellung durchaus in Grabbefunden der 2. Hälfte des 4.Jhs. v.Chr. aus dem Gebiet zwischen Ruvo, Bari und Tarent, dem antiken Peuketien, belegt, so zum Beispiel in Gräbern am Monte Sannace.
Da aus den Objekten selbst und aus vergleichbaren Grabinventaren kein Argument gegen eine ursprüngliche Zusammengehörigkeit als Teil einer Grabausstattung gefunden werden konnte, so lag es an der Erwerbungsgeschichte dieses Fundkomplexes, Sicherheit über eine Zusammengehörigkeit und Daten zur genauen Herkunft zu erbringen.
Die heute vorhandenen Inventarbücher zur Originalsammlung geben zur Erwerbung leider keine Auskunft.
Der Zufallsfund von Fidibussen in den Bauchlekythen und die darauffolgende Durchsicht von verschiedenen Aktenbeständen in Archiven in Graz und Wien ergab ein überraschendes Ergebnis: der "unteritalische Grabfund" war Teil einer Antikensammlung des Altertumsforschers und Pfarrers Richard Knabl in Graz (24.Oktober 1789 - 19.Juni 1874), die er am 15.April 1868 dem archäologischen Museum der Universität Graz schenkte.
Bleibt auch die Frage nach der Zusammengehörigkeit der neun Gefäße innerhalb eines Grabinventars offen, so konnte doch die Erwerbungsgeschichte ein beträchtliches Stück aufgehellt werden. Erst ein weiterer archivalischer Fund, wie zum Beispiel das einst vorhandene Antikenverzeichnis von Richard Knabl, könnte Konkreteres über die Herkunft des unteritalischen Grabfundes erbringen.

© Stephan Karl
e-mail: femme@utanet.at

This article will be quoted by St. Karl, Die Antikensammlung des Pfarrers Richard Knabl. Marginalien und Archivalien. Gedanken zu einem "unteritalischen Grabfund", Forum Archaeologiae 29/XII/2003 (http://farch.net).



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