Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 29 / XII / 2003
10. Österreichischer Archäologentag

LUFTBILDARCHÄOLOGIE IN VIRUNUM: EIN RÖMISCHES MILITÄRLAGER ÖSTLICH DER STADT

Im Zuge einer Ballonfahrt mit dem Ballonteam Kärnten am 27. September 2001 gelangen Renate Jernej aufgrund der ausgezeichneten thermischen Verhältnisse und der günstigen Tages- und Jahreszeit Aufnahmen, die bisher nicht bekannte Baustrukturen auf den Terrassen östlich des Stadtzentrums der norischen Provinzhauptstadt Virunum zeigen. Michael Doneus führte eine photogrammetrische Auswertung der Aufnahmen am Luftbildarchiv des Wiener Instituts für Ur- und Frühgeschichte durch.
Im Maisacker zu erkennen war der südöstliche Teil eines offenbar rechteckigen, ummauerten Areals, wobei der sichtbare Ausschnitt in Nord-Süd-Richtung etwa 128m, und in Ost-West-Richtung ca. 138m umfasst. Die Gesamtmaße des Gevierts betragen ca. 165 x 141m bzw. eine geschätzte Gesamtfläche von etwa 2,3ha. Von der Innenbebauung sind Teile von West-Ost orientierten Gebäuden mit zahlreichen, nebeneinander liegenden, kleinteiligen Raumeinheiten zu erkennen. Für eine Interpretation der Anlage als römisches Militärlager sprechen die Größe, der einem Rechteck angenäherte Grundriss der ummauerten Fläche und vor allem die Struktur der erkennbaren Innenverbauung.


Im südlichen Vorfeld des ummauerten Gevierts befand sich ein ca. 120 x 110m großer Bereich mit einer völlig unterschiedlichen Bebauung. Die offensichtlich in mehreren Reihen eng aneinander gebauten Gebäude lassen ein dichtes, geschlossener wirkendes Siedlungsareal erkennen. Diese nicht einheitlich orientierten Gebäudekomplexe scheinen zumindest durch ein Nord-Süd verlaufendes Bewuchsmerkmal gegliedert zu werden, bei dem es sich wohl um einen Straßenzug handelt, der anscheinend auf das Südtor des Lagers ausgerichtet ist.
Hervorgehoben werden muss die dominierende Position der Anlage auf einer Terrasse östlich über der Stadt. Diese erhöhte topographische Lage wäre für einen Heiligen Bezirk zwar ebenfalls passend, doch scheint diese Interpretationsmöglichkeit aufgrund der Innenverbauung weit eher für die vergleichbar große, sogenannte "Ara Noricorum" im Norden Virunums zuzutreffen. Auffallend ist weiterhin die unmittelbare Nachbarschaft zum jüngst ergrabenen Amphitheater von Virunum. Im Fundmaterial aus der Amphitheatergrabung fand sich neben unerwartet vielen Militaria auch eine wohl in das 3. Jahrhundert zu datierende Votivara für die Campestres. Von Soldaten gestiftete Campestres-Weihungen sind aus Rätien und Obergermanien mehrfach bekannt und werden im Limesgebiet als Hinweis auf militärische Übungsplätze interpretiert. Insofern wäre es nicht von der Hand zu weisen, dass Soldaten nicht nur als Besucher den Schauspielen im Amphitheater beiwohnten, sondern die Arena auch als Übungsplatz im Rahmen ihres Trainings oder von öffentlichen Vorführungen wie Reiterparaden oder Schaukämpfen nutzten.
Die topographischen, stadtgeschichtlichen, aber auch provinzgeschichtlichen Komplikationen, die sich mit dem neu entdeckten Lager in Virunum ergeben, sind enorm. Die auf den Luftbildern erkennbaren Bewuchsmerkmale können natürlich chronologisch nicht eingeordnet werden, insofern ist es sicherlich noch zu früh für eine schlüssige archäologisch-historische Bewertung.

Literatur: R. Jernej - Ch. Gugl, Neue Luftbilder von Virunum - ein römisches Militärlager östlich der Stadt. Archäologie Österreichs 13/2, 2002, 24ff. R. Jernej - Ch. Gugl - M. Doneus, Ein neu entdecktes römisches Militärlager in Virunum (Noricum) - erste Ergebnisse der Luftauswertung, Arch. Korrbl. 33, 2003, Heft 3, 393ff.

© Michael Doneus, Christian Gugl, Renate Jernej
e-mail: michael.doneus@univie.ac.at
christian.gugl@oeaw.ac.at
rjernej@aon.at

This article will be quoted by M. Doneus - Ch. Gugl - R. Jernej, Luftbildarchäologie in Virunum: ein römisches Militärlager östlich der Stadt, Forum Archaeologiae 29/XII/2003 (http://farch.net).



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