Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 29 / XII / 2003
10. Österreichischer Archäologentag

ZUM BEDEUTUNGSWANDEL DES GRIECHISCHEN HERMENMALS IN RÖMISCHER ZEIT AM BEISPIEL EPHESOS

Die kanonische griechische Herme ist eine Erfindung der Archaik und zeichnet sich durch einen viereckigen Pfeiler aus, der in der Frühzeit dieser Gattung einen stets bärtigen Kopf des Gottes Hermes mit langem Haar trägt. An der Vorderseite des Schaftes ist ein Phallos angebracht, in die Nebenseiten sind meist rechteckige Armstümpfe eingelassen.
Die 'Zur Schau Stellung' des männlichen Gliedes ist als 'phallische Markierung' im Sinne einer Revierabgrenzung zu verstehen. Zahlreiche literarische, epigraphische und archäologische Quellen belegen eine Verwendung des phallischen Hermenpfeilers an Grenzen und an Eingängen zu öffentlichen sowie zu privaten Gebäuden.
Bereits in der Klassik verändert sich das Aussehen des Götterkopfes: Neben altertümlichen Darstellungen von Hermes mit Buckellocken-Frisur erscheint der Gott jetzt auch jugendlich, unbärtig und mit kurzem Haar. Dazu kommt der neue Typus der bekleideten Körperherme. Diese ikonographischen und typologischen Veränderungen gehen mit einem Bedeutungszuwachs einher: Hermes als Gott des Übergangs ist auch Initiationsgott und damit Schutzherr der sich im Gymnasium auf ihre Bürgerrolle vorbereitenden Epheben.
Seit dem Hellenismus werden vermehrt auch andere Götter in Hermenform dargestellt, beispielsweise Herakles, Eros (Hermerot), Satyr, Silen und Pan.
Von den zahlreichen kaiserzeitlichen Hermen aus Ephesos können nur jene nach ihrer Funktion und Bedeutung befragt werden, welche von den Ausgräbern an ihrem Aufstellungsort angetroffen wurden. Diese Voraussetzung trifft beispielsweise auf die zwei Hermenpaare aus dem Vediusgymnasium zu: Zwei überlebensgroße Schulterhermen - eine davon die berühmte 'Alkamenesherme Typus Ephesos' (Abb.) - flankierten ein Tor im Apodyterium (Raum VI). Da die Epheben Hermen in den griechischen Gymnasien verehrten, wurden sie im Laufe der Zeit zu einem fixen Bestandteil des sportlichen Bereiches und der zugehörigen Bäder. Die Schulterhermen aus dem Vediusgymnasium sind aber nicht nur als passende kaiserzeitliche Ausstattungsobjekte zu bewerten, denn in ihrer Aufstellung vor einem Durchgang setzt sich die Tradition des Hermes Propylaios in römischer Zeit fort. Auch die Körperhermen des Hermes und des Herakles aus dem Zugang zur Palästra stehen in der griechischen Tradition, nach der Hermes und Herakles als Schutzgötter der Epheben im Gymnasiumsbereich vor allem in Hermenform verehrt wurden.

© Regina Hanslmayr
e-mail: regina1@eberli.com

This article will be quoted by R. Hanslmayr, Zum Bedeutungswandel des griechischen Hermenmals in römischer Zeit am Beispiel Ephesos, Forum Archaeologiae 29/XII/2003 (http://farch.net).



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