Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 29 / XII / 2003
10. Österreichischer Archäologentag

RETTUNGSGRABUNGEN IN DER SÜDLICHEN NEKROPOLE VON VIRUNUM

Die Nekropole liegt am südlichen Stadtrand von Virunum unmittelbar an der Via Claudia. Luftbild-Auswertungen von O. Harl ergaben linear angeordnete Grabbezirke mit Umfassungsmauern und quadratischen Strukturen. Untersuchungen, die im Auftrag des Bundesdenkmalamtes von der Fa. ARGIS Archäologie Service ausgeführt worden sind, zeigten, dass diese typisch für die jüngere Phase der Nekropole sind.
Im untersuchten Areal treten Grabbezirke mit rechteckigen Grundrissen einzeln bzw. aneinander gebaut in Gruppen auf, wobei die Relativabfolge gut zu beobachten ist. Nach und nach entwickelte sich eine komplexe und individuelle Struktur, vergleichbar der einer orientalischen Altstadt. Auch in den freien Flächen zwischen den Grabbezirken wurde bestattet und wurden Monumente errichtet, von denen massive Fundamente erhalten sind.
Innerhalb der Grabbezirke treten gemauerte quadratische Gräber mit Brandschüttung auf, weiters Brandgräber in Plattenkisten, gemauerte Gräber mit Plattenabdeckung und einfache Brandgrubengräber - aber auch Körpergräber. Zwischen den Grabbezirken befinden sich Brandbestattungen in Plattenkisten, ein Ziegelplattengrab, gemauerte Gräber mit Plattenabdeckung, Brandgrubengräber, Urnenbestattungen und - ebenfalls Körpergräber.
Bei der Anlage der Grabbezirke wurden die Gräber aus der älteren Phase der Nekropole manchmal respektiert, oft auch nicht. Dies zeigt, dass die Nekropole zumindest teilweise aus Familiengrabstätten innerhalb definierter Areale entstanden ist. Die Entwicklung der Nekropole als Ganzes ist als komplexer Vorgang zu verstehen, dem die Gliederung in einen oberen und einen unteren Gräberhorizont nur unzureichend entsprechen kann.
Charakteristisch für die ältere Phase ist das Fehlen massiver Baustrukturen. Folgende Grabtypen kommen vor: einfache Brandgrubengräber, ein quadratisches Brandgrubengrab mit Holzverschalung, Steinkisten, gemauerte Gräber mit Brandschüttung, mehrere Grubenbusta und zahlreiche Körpergräber.
Die untersuchten Bereiche in der Nekropole waren der wohlhabenden Gesellschaftsschicht vorbehalten. Nach vorläufiger Beurteilung beginnen die Bestattungen in der 1. Hälfte des 1. Jhs. und reichen nach den Münzen bis in die 2. Hälfte des 2. Jhs, wahrscheinlich aber bis in das 3. Jh. Aufgrund der gut dokumentierten Relativchronologie, der vielfältigen Bestattungsformen und des reichhaltigen Fundmaterials ist ein gewaltiges Potenzial für die Forschung im Zuge der zukünftigen fachlichen Bearbeitung zu erschließen.

© Gerald Fuchs
e-mail: argis@aon.at

This article will be quoted by G. Fuchs, Rettungsgrabungen in der südlichen Nekropole von Virunum, Forum Archaeologiae 29/XII/2003 (http://farch.net).



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