Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 21 / XII / 2001

FRÜHCHRISTLICHE AMPULLEN AUS DER ARCHÄOLOGISCHEN SAMMLUNG DES INSTITUTS FÜR KLASSISCHE ARCHÄOLOGIE IN WIEN

Einleitung

In der Sammlung des Instituts für Klassische Archäologie der Universität Wien befinden sich drei frühchristliche Pilgerampullen [1]. Die Menasampulle (Inv.Nr. 1704) kam als Geschenk aus der Sammlung Emil Weinfurtner an die Universität, während die beiden kleinasiatischen Ampullen (Inv.Nr. 1115/1 und 1115/2) der Sammlung Prof. Novotny entstammen. Letztere sind mit der höchst fragwürdigen Fundortangabe "Carnuntum" versehen. Eine Herkunft aus dem Alpen-Donauraum ist jedoch kaum vorstellbar, da sich das Verbreitungsgebiet der kleinasiatischen Ampullen auf das mediterrane Gebiet beschränkt. Zahlreiche Exemplare wurden im letzten Jahrhundert in Smyrna (heute Izmir) angekauft und gelangten in die größten Museen Europas [2].
Pilgerandenken (Eulogien) erfreuten sich in der Spätantike großer Beliebtheit [3]. Sie wurden an sakralen Orten, meist an frühchristlichen Wallfahrtszentren produziert und dienten dem Besitzer bzw. Träger als Schutz- und Heilmittel. Ausschlaggebend für die Kraft dieser Objekte war ihre unmittelbare Nähe zu heiligen Personen und Stätten. Da einerseits wirkliche Reliquien nicht unbegrenzt zur Verfügung standen, andererseits aber das Verlangen der Gläubigen nach Trost- und Schutzsymbolen ungebrochen war, wurde die Bedeutungsebene auf die Eulogien übertragen und durch die Reproduzierbarkeit der Objekte die Versorgung gewährleistet.
Grundsätzlich ist zwischen eigentlichen "Andenken" - beispielsweise Tonplaketten - sowie Substanzen wie Öl, Wasser, Staub und Erde zu unterscheiden [4]. Letztere wurden in Gefäße abgefüllt und auf diese Weise von den Pilgern mitgenommen. Die Kennzeichnung dieser "Verpackung" als Eulogium erfolgte durch die Anbringung von charakteristischen Dekorelementen.
Bei den hier vorliegenden Pilgerampullen handelt es sich um eben solche Behältnisse für heilige Substanzen, deren Hülle sich erhalten hat, während der Inhalt längst verbraucht oder vergangen ist. Die Menasampullen (Abb. 1. 2) wurden vom ausgehenden 5. Jh. bis in die Mitte des 7. Jhs. n. Chr. im ägyptischen Wallfahrtsort Abu Mina hergestellt und erreichten eine weite Verbreitung im gesamten Mittelmeerraum [5]; fraglich ist allerdings, ob sie auch Gebiete nördlich der Alpen erreichten [6]. Die Darstellungen folgen einem starren ikonographischen Schema und differieren nur in Details. Die Herkunft, Datierung und Ikonographie der sog. kleinasiatischen Ampullen (Abb. 3-6) ist dagegen nicht unumstritten. Die Fundkonzentration um Smyrna/Ephesos legt eine Herstellung in diesem Gebiet jedoch nahe. Diese Annahme wird durch die einheitliche Tonzusammensetzung (fabric) der Gefäße unterstützt. Charakteristisch sind insbesondere der beigemengte Goldglimmer und der rot-braune Brand der Gefäße. Ursprünglich waren sie mit einem rot-braunen, metallisch glänzenden Überzug versehen, der sich jedoch nur partiell erhalten hat. Die seitlichen Löcher erlaubten ein Einhängen der Ampullen, die somit auch um den Hals getragen werden konnten.

Katalog


Menasampulle Inv.Nr. 1704 (Abb. 1. 2) [7]
erh. Höhe: 7,4cm
max. Breite: 6,3cm
max. Stärke: 2,5cm
Ton: 2.5Y7/2; fein porös; makroskopisch keine Einschlüsse sichtbar; ohne Überzug.
Erhaltungszustand: Körper erhalten; beide Henkel, Rand und Teile des Halses weggebrochen.
Herstellungstechnik: Aus zwei Modelhälften geformt. Henkel und Hals nachträglich angesetzt.
Beschreibung:
Seite A: Darstellung des hl. Menas in Orantengestus, das typische Soldatengewand ist auf die kurze gegürtete Tunica reduziert, die Chlamys sowie die Stiefel fehlen. Das unnimbierte Haupt wird von je einem stilisierten Kreuz (bestehend aus drei perlförmigen Vertiefungen) flankiert. Zu beiden Seiten kauern zwei schematisch wiedergegebene Tiere mit langem Hals (Dromedare). Die Darstellung ist zwei konzentrischen Kreisen (negative Kranzleiste bzw. Perlschnur) eingeschrieben.
Seite B: Kreuz bestehend aus einzelnen nicht miteinander verbundenen Perlen, zu beiden Seiten je eine mehrblättrige Pflanze. Die obere Haste wird links von einem Omega und rechts einem Alpha flankiert. Als Rahmung finden sich eine positive Kranzleiste sowie eine negative Perlschnur, die auf beiden Seiten durch die nachträglich angesetzten Henkel und den Flaschenhals partiell verdeckt wird.


Sog. Kleinasiatische Ampulle Inv.Nr. 1115/1 (Abb. 3. 4)
Höhe: 6,5cm
max. Breite: 4,4cm
max. Stärke: 1,9cm
RDm: 1,7cm
Ton: 7.5YR5/4; viel Goldglimmer; Überzug: nur mehr partiell erhalten, metallisch glänzend (2.5YR5/4)
Erhaltungszustand: vollständig, kleine Fehlstelle auf der Seite B seitlich des dargestellten Kopfes. Innen stark versintert, außen partiell versintert.
Herstellungstechnik: Zur Gänze aus zwei Modelhälften geformt. Seitlich sind die Nahtstellen deutlich sichtbar. Nachbearbeitung und Binnenzeichnung durch Kerbschnitt und Kreisaugenpunzierung. Nachträglich zwei Löcher eingestanzt.
Beschreibung:
Seite A: Frontale Darstellung einer männlichen Person mit spitzem Kinnbart, der durch einzelne vertikale Kerben strukturiert wird. Die Augen sind nicht wie bei Frontalansichten üblich durch eine Kreisaugenpunzierung, sondern durch ein Oval mit drei vertikal liegenden Punkten wiedergegeben (geschlossene Augen?). Mit einem Griffel eingedrückte punkt- bzw. strichförmige Markierungen finden sich auf der Stirn, den Wangen sowie der Schädelkalotte (Haare, Kopfbedeckung?). Der geschlossene Mund wird durch eine geradlinige Kerbe angedeutet. Die abgewinkelten Arme des Dargestellten sind zum Orantengestus erhoben, auf den geöffneten Handflächen findet sich je eine Kreisaugenpunzierung (Wundmale?). Einige längliche Kerbungen geben schematische Gewandfalten an den Ärmeln wieder. Diese enden in einem zweifach gekerbten Saum. Vor der Brust des Toten (?) ist ein lateinisches Kreuz mit sich verbreiternden Hasten. Auf diesen und im Balkenschnittpunkt ist je eine Kreisaugenpunzierung zu sehen.
Seite B: Frontale Darstellung einer unbärtigen Person (Frau?), die geöffneten Augen sind durch einer Kreisaugenpunzierung, der Mund mittels einer einfachen horizontalen Kerbung wiedergegeben. Auf der Schädelkalotte findet sich eine nicht näher zu bestimmende Kopfbedeckung. An den Seiten sind weder Haare noch Ohren zu erkennen. Durch die dezentrale Lage des Kopfes über dem Oberkörper (er ist leicht nach rechts versetzt) ist eine leichte Perspektive angedeutet, die sich auch im Haupt, das eine kaum merkbare Drehung nach rechts aufweist, wiederfindet. Die Rechte der dargestellten Person ist abgewinkelt und vor die linke Brust gehalten. Hier sind die Reste eines Gegenstandes zu erkennen [8]. Das Gewand wird durch vereinzelte Faltenangaben strukturiert; von diesem deutlich abgesetzt ist die Schulterpartie, auf der kurze vertikale Riefelungen einen Besatz wiedergeben.


Sog. Kleinasiatische Ampulle Inv.Nr. 1115/2 (Abb. 5. 6)
Höhe: 6,5cm
max. Breite: 4,4cm
max. Stärke: 1,9cm
RDm: 1,8cm
Ton: 7.5YR5/4; viel Goldglimmer; Überzug: nur mehr in den Reliefvertiefungen erhalten (2.5YR5/4).
Erhaltungszustand: vollständig, Absplitterung auf der Vorderseite im Brustbereich des Dargestellten. Innen stark versintert, außen partiell versintert.
Herstellungstechnik: Modelgleich(?) zu Ampulle Inv.Nr. 1115/1.
Beschreibung:
Seite A: Trotz des schlechteren Erhaltungszustandes der Darstellung kann die Verwendung des selben Models wie bei Inv.Nr. 1115/1 als gesichert gelten.
Seite B: Darstellung wie bei Inv.Nr. 1115/1. Obwohl bei der Angabe des Halses ein deutlicher Unterschied besteht, ist auch hier mit der Verwendung der selben Matrize zu rechnen. Leichte Variationen bei der Angabe der Gewandfalten beweisen, dass diese erst sekundär in den noch weichen Ton gezeichnet wurden.

[1] E. Trinkl machte auf die Ampullen in der Sammlung des Instituts für Klassische Archäologie der Universität Wien aufmerksam und organisierte die Publikationserlaubnis. Dafür sei ihr herzlich gedankt. Die hier nur summarisch vorgestellten Stücke sind Teil einer übergreifenden Studie zu frühchristlichen Ampullen basierend auf dem ephesischen Fundmaterial, die von den Autoren vorbereitet wird.
[2] C. Metzger, Les ampoules à eulogie du musée du Louvre (1981). O.M. Dalton, Catalogue of early christian antiquities and objects from the Christian east in the department of British and mediaeval antiquities and ethnography of the British museum (1901) Nr. 906-915. O. Wulff, Altchristliche und mittelalterliche byzantinische und italienische Bildwerke (1909) Nr. 1348 ff.
[3] Peregrinatio. Pilgerreise und Pilgerziel. 12. Internationaler Kongreß für Christliche Archäologie, Bonn 1991 (1995)(= JbAC Erg. Bd. 20/1).
[4] J. Witt, Pilgerandenken, in: Rom und Byzanz. Archäologische Kostbarkeiten aus Bayern (1998) 101-109.
[5] J. Engemann, Eulogien und Votive, in: Peregrinatio a.O. 223-233.
[6] P. Linscheid, Untersuchungen zur Verbreitung von Menasampullen nördlich der Alpen, in: Peregrinatio a.O. 982-986.
[7] Siehe die Parallelen bei Metzger a.O. Nr. 44 u. 45.
[8] Vgl. hierzu eine weitere Ampulle aus Ephesos bei Metzger a.O. Nr. 127.

© Sabine Ladstätter, Andreas Pülz
e-mail:
sabine.ladstaetter@oeaw.ac.at
andreas.puelz@oeaw.ac.at

This article will be quoted by S. Ladstätter - A. Pülz, Frühchristliche Ampullen aus der Archäologischen Sammlung des Instituts für Klassische Archäologie in Wien, Forum Archaeologiae 21/XII/2001 (http://farch.net).



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