Synoris - Apene
Zweigespannrennen an den Großen Panathenäen




Apene: Burgon - Amphore, London B130
Als Ausgangspunkt der Überlegungen dienten Darstellungen auf Panathenäischen Preisamphoren, deren Rückseitendarstellungen noch keiner genaueren Untersuchung unterzogen wurden. Dies erscheint insofern bemerkenswert, da es sich bei einem Exemplar um die bisher älteste erhaltene Panathenäische Preisamphore, die sogenannte "Burgon Amphora" handelt. Mit der Abbildung eines von zwei pferdeähnlichen Tieren gezogenen zweirädrigen Wagens tritt man hier in den Problemkreis von antiken Zweigespannrennen ein.

Aus der antiken Literatur sind zwei Arten solcher Rennen bekannt - die Synoris und die Apene. Synoris bezeichnet allgemein einen Wagen, der von zwei Pferden gezogen und von einem stehenden Wagenlenker geführt wird. Dieser Terminus wurde auch für den sportlichen Bereich adaptiert. Als Agon bei großen Spielen wird die Synoris mit ausgewachsenen Pferden 408 v.Chr. in Olympia eingeführt, auch andere Wettkampfstätten folgen diesem Beispiel. Ab dem 2. Viertel des 4. Jhs.v. Chr. lassen sich athenische Bürger als Sieger nachweisen, für dieselbe Zeit ist die Durchführung des Agons an den Panathenäen in Athen bezeugt.

Der Begriff Apene findet Verwendung für einen Wagentyp, unter dessen Joch zwei Tiere gingen und der für tägliche Arbeiten verwendet wurde. Als vier- oder zweirädriger, von Maultieren oder Ochsen gezogener Wagen ist er schon bei Homer (u.a. Il. 24,324 oder Od. 9,241) überliefert. Dieselbe Bezeichnung diente aber auch für den mit einem zweispännigen Maultierwagen ausgeführten Agon und erscheint von 500 bis 444 v.Chr. im Olympischen Programm.


Synoris: Berlin Antikenmuseum V.I. 4950
Anhand der schriftlichen Quellen unterscheiden sich die beiden Sportarten durch die Verwendung verschiedener Zugtiere - Pferde bei der Synoris, Maultiere bei der Apene. Zwei Agone lassen sich auch auf Panathenäischen Preisamphoren nachweisen. Aufgrund der Zugtiere allein ist auf den ersten Blick kein Unterschied festzustellen. Hingegen fällt sofort auf, daß bei manchen Abbildungen der Wagenlenker sitzend, auf anderen stehend zu sehen ist. Letztere sind - entsprechend den Hinweisen schriftlicher Nachrichten - als Synoris-Darstellungen allgemein anerkannt. Sitzende Wagenlenker sind für die Apene nicht überliefert, Rückschlüsse auf das Aussehen der Apenai lassen sich aber aus Denkmälern ziehen, welche die aus der Literatur bekannten Szenen illustrieren. Eine wichtige Rolle spielen hierbei Homerische Becher, welche einen solchen Wagen des täglichen Lebens zeigen. Zwei in einem Karren sitzende Personen sind durch die Beischriften Iphigeneia und Orestes als die beiden Kinder des Agamemnon zu identifizieren, welche nach der Überlieferung bei Euripides (Iph.A. 147 und 618) in einer Apene zu ihrem Vater nach Aulis gebracht werden. Für den agonistischen Terminus Apene sind Münzen aus Rhegion und Messana aus der Periode um 480 v.Chr. relevant, in der Olympische Siege für Gespanne aus diesen Städten überliefert sind. Sie zeigen zweispännige Wagen, deren Lenker nicht stehen, sondern auf dem Kutschbock des Rennwagens sitzen. Diese Darstellungen lassen den Schluß zu, daß es sich auch bei den Panathenäischen Preisamphoren, bei denen die Wagenlenker auf dem Kutschbock eines Zweigespannes sitzen, um Apenewettbewerbe handelt.

Warum wurde aber immer wieder versucht, in der Rückseitendarstellung der "Burgon Amphora", die als Preis für einen Sieg an den Großen Panathenäen von Athen vergeben wurde, eine Synoris zu sehen? Ausschlaggebend hierfür waren in erster Linie zwei Faktoren: Einerseits das Fehlen schriftlicher Hinweise auf ein Apenerennen, das bei Spielen in Athen durchgeführt wurde, andererseits das Aussehen der Zugtiere. Der erste Faktor scheint nicht sehr stichhaltig - auch andere Bewerbe der Panathenäen - wie z.B. der Stadionlauf - lassen sich für die Frühzeit nicht schriftlich, sondern nur durch Rückseitenbilder auf Panathenäischen Preisamphoren belegen. Was hat es aber mit den Zugtieren auf sich, welche nicht Maultieren - wie für Olympia antik überliefert (Pausanias 5,9,2) - sondern Pferdedarstellungen derselben Zeit und der jeweiligen Vasenmaler entsprechen?

Bei den Abbildungen der Apenai des täglichen Gebrauchs werden die Zugtiere in der neuzeitlichen Literatur meist als Maultiere - antik Hemionoi - angesehen, da sich die Tiere vom Körperbau her von Pferden unterscheiden und an Esel erinnern. Bei einem Hemionos handelt es sich wie der Name sagt um einen "Halbesel", ein Zuchtprodukt aus einer Kreuzung zwischen Esel und Pferd. Im heutigen Sprachgebrauch differenziert man zwischen Maulesel - einem Bastard, gezeugt von Eselstute und Pferdehengst - und dem Maultier oder Muli - dem Fohlen einer Pferdestute und eines Eselhengstes. Hinweise darauf, welche dieser beiden Kreuzungen bei den Sportapenai verwendet wurde, geben wiederum antike Quellen. Aus Elis trieb man "tas hippous" in die Nachbarlandschaften, um sie "tois onois" zuzuführen (Hdt. 4,30). Hieraus ist klar zu erkennen, daß es sich um Kreuzungen zwischen Pferdestuten und Eselhengsten, also um Maultiere handelte. Weiters war schon in der Antike bekannt, daß das jeweilige Kreuzungsprodukt vom Erscheinungsbild her dem jeweiligen Muttertier ähnelt. So wird z.B. in einer Fabel (Aesop. 157) ein Maultier, als es auf seine Ähnlichkeit zur Mutter stolz ist, daran erinnert, daß es einen Esel zum Vater hat. Außerdem treten beim Maultier typische Merkmale des Pferdes auf, es erlangt eine ziemliche Körpergröße und hat eine dem Pferd entsprechende Mähne (Arist. Long II 138. p748b und HA 2,12 p.498b). Man wird also die pferdeähnlichsten Tiere, die größten und schnellsten Maultiere ausgesucht haben, um sie vor eine Rennapene zu spannen. Die Pferden ähnlichen Zugtiere der Panathenäischen Preisamphoren würden dieser Theorie nur entsprechen.

Bei den Großen Panathenäen in Athen wurden demnach zwei verschiedene Arten von Zweigespannrennen durchgeführt. Die bisher nur durch bildliche Belege - die Rückseitenbilder von Panathenäischen Preisamphoren - überlieferte Maultierapene, die sich nach heutigem Forschungsstand für das 6. Jh. v.Chr. nachweisen läßt, dann die Pferdesynoris, als Bewerb in Athen schriftlich ab der ersten Hälfte des 4. Jhs.v.Chr. bewiesen. Im Vergleich zu den entsprechenden Agonen an den Olympischen Spielen fällt auf, daß zumindest die Apene in Athen schon Teil des agonistischen Programmes war, bevor am Anfang des 5. Jhs.v.Chr. dieser Bewerb in Olympia eingeführt wurde. Dieses Beispiel zeigt, daß nicht immer Olympia beispielgebend für die Einführung bestimmter Agone an anderen Orten gewesen sein muß, sondern daß in diesem besonderen Fall vielleicht sogar der umgekehrte Weg eingeschlagen wurde.

(c) Bettina Kratzmüller
Nikephoros 6, 1993, 75-91


Mag. Bettina Kratzmüller
geb. 1967 in Klagenfurt/Österreich
Studium der Klassischen Archäologie an der Universität Wien, Abschluß mit dem Magisterium 1993
Diplomarbeit "Panathenäische Preisamphoren. Ausgewählte Probleme", Wien 1993
Derzeit Dienstvertrag am Institut für Klassische Archäologie: Das Theater von Velia. Stratigraphie und Baugeschichte.



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