Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 12 / IX / 1999

DIE ATHENER AKROPOLIS IN DER FRÜHEN EISENZEIT

Ausgangspunkt der hier angestellten Beobachtungen [1] sind die auf der Athener Akropolis gefundenen Gräber, welche seit ihrer Entdeckung vor über einhundert Jahren immer wieder in der wissenschaftlichen Literatur erwähnt werden.
Die Grabungspublikation von P. Kavvadias und G. Kawerau nennt bzw. verzeichnet mit einem Kreuz (+) insgesamt 15 Steinkistengräber (Abb. 1: Gräber 1-5. 9. 10-12. 14-19). Die Mehrzahl von ihnen wird aufgrund ihrer geringen Größe oder wegen der Knochenfunde als Kindergräber angesprochen. Um die genauere zeitliche Einordnung der Kistengräber bemüht sich besonders die nachfolgende Forschung. Allerdings werden unterschiedliche Meinungen zu Datierung und Anzahl der Gräber vertreten. In der Regel wird als zeitlicher Ansatz für alle Gräber die submykenische Periode angegeben. Seltener wird vorgeschlagen fünf (Abb. 1: Gräber 1. 4. 5. 18. 19) bzw. alle Kistengräbern in mittelhelladische oder mykenische Zeit zu datieren.
Tatsächlich wurden im Zuge der Akropolisgrabungen 18 Steinkistengräber und eine Gefäßbestattung gefunden. Diese neue Erkenntnis ergibt sich aus der Vorlage der alten Grabungsaufzeichnungen durch J. A. Bundgaard [2]. Die Notizen und Skizzen enthalten darüber hinaus auch Informationen, die es gestatten, erneut Überlegungen zum zeitlichen Ansatz einiger Gräber anzustellen.
Vier Gräber (Abb. 1: Gräber 4. 5. 18. 19) sind mit großer Wahrscheinlichkeit dem Mittelhelladikum bzw. der Schachtgräberzeit zuzuweisen. Diesen Schluß erlaubt die Konstruktionsweise, die in zahlreichen mittelhelladischen/schachgräberzeitlichen Fundorten belegt ist, aber weder in mykenischer noch in der frühen Eisenzeit nachzuweisen ist.

Abb. 1: Übersichtsplan der Gräber auf der Athener Akropolis (nach Travlos, Athen 57 Abb. 64 mit Zusätzen)

Sieben Gräber (Abb. 1: Gräber 10. 11. 12. 14. 15. 16. 17) können nach den Beigaben und ihrer Lage zueinander mit großer Sicherheit in die submykenische Zeit datiert werden. Die zeitliche Einordnung wird dadurch erleichtert, daß Steinkistengräber der frühen Eisenzeit in Attika bis auf ganz wenige Ausnahmen auf die submykenische Zeit beschränkt bleiben. Drei Gräber (1. 6. 9) sind nur mit einiger Wahrscheinlichkeit der submykenischen Zeit zuzuweisen.
Für fünf Gräber (2. 3. 7. 8. 13) sind die Informationen für eine zeitliche Einordnung zu gering. Bei Grab 7 wäre dann von einer submykenischen Zeitstellung auszugehen, wenn die von ihm gestörte Mauer mit Sicherheit in die mykenische Zeit datiert werden könnte. Eine mittelhelladische bis schachtgräberzeitliche Datierung der Gefäßbestattung 13 ist nicht sicher zu beweisen.
Aus Lage und Struktur der Nekropolen um die Akropolis im Vergleich zu den Gräbern auf dem Burgberg selbst läßt sich ableiten, daß das Siedlungszentrum Athens in submykenischer Zeit auf der Akropolis lag. Betrachtet man die Lage der Gräber auf der Akropolis, fällt zwar auf, daß diese am Rand des Plateaus liegen, doch können daraus keine weiterführenden Schlüsse gezogen werden, da der Randbezirk des Plateaus weniger von späteren Baumaßnahmen betroffen war als das Zentrum. In Anbetracht der in die submykenische Zeit zu datierenden Gräber auf der Akropolis stellt sich die Frage, ob es auch in der Folgezeit Hinweise für Bestattungen gibt.
Das einzige Material, das Auskunft über die Frage der Nutzung der Akropolis in der frühen Eisenzeit geben kann, sind die dokumentierten Funde, fast ausschließlich Keramik:
Für den Übergang von submykenischer zu protogeometrischer Zeit kann weiterhin mit Bestattungen auf der Akropolis gerechnet werden, wie die zwei vollständig erhaltenen Lekythen (Akropolisvasen Nr. 239. 240) bezeugen. In der protogeometrischen bis mittelgeometrischen Zeit sind Anzahl und Aussagekraft der Funde besonders gering. Lediglich eine ritzverzierte Tonperle könnte einen Hinweis darauf geben, daß auf der Akropolis weiter bestattet worden ist. Gleiches kann für die früh- bis mittelgeometrische Zeit aus dem Fund einer Spitzpyxis gefolgert werden. Diese spärlichen Hinweise sind jedoch nicht ausreichend, um Gewißheit über die Nutzung der Akropolis in dieser Zeit zu erlangen.
Auffällig dürftig sind die dokumentierten Funde aus mittelgeometrischer Zeit. Sichere Funde der Phase MG I fehlen ganz, etwas häufiger werden die Funde erst am Übergang vom Mittel- zum Spätgeometrischen.
Mit dem Beginn der spätgeometrischen Zeit setzt eine starke Zunahme der (veröffentlichten) Fundmenge ein. Die Fragmente von großen Dipylonvasen, Pyxiden und Prothesisdarstellungen sind klare Hinweise darauf, daß ein besonders herausgehobener Personenkreis während der spätgeometrischen Zeit auf der Akropolis bestattet wurde. Denn für die Interpretation der monumentalen Grabvasen und der Prothesisdarstellungen steht man vor der Wahl, die Fragmente, entsprechend ihrem sonst üblichen Fundkontext, als Grabgefäße anzusprechen, oder in ihnen Weihegaben an einen Heros oder an eine Gottheit zu erkennen. Man wird der ersten Möglichkeit deswegen den Vorzug geben wollen, weil die letztgenannte Hypothese ohne jeden Vergleich bleibt. Das Keramikspektrum anderer griechischer Heiligtümer der frühen Eisenzeit wird vor allem durch Trinkgefäße charakterisiert.
In spätgeometrischer Zeit lassen sich erstmals in der Geschichte der nachmykenischen Akropolis Kultaktivitäten nachweisen. Diese bezeugen die zahlreichen Metallvotive, in erster Linie Fragmente von gehämmerten Dreifüßen. Gleichzeitig mit den gehämmerten Dreifüßen wird die Produktion der zugehörigen Henkelfiguren im allgemeinen in der zweiten Hälfte des 8. Jh.v.Chr. angesetzt.
Kultaktivitäten und Bestattungen auf der Akropolis in spätgeometrischer Zeit sind ohne weiteres nebeneinander denkbar, da weder der für den Kult noch der für die Bestattungen genutzte Bereich das gesamte Plateau in Anspruch genommen haben muß.

[1] Der folgende Bericht ist die Zusammenfassung eines ausführlichen Artikels, der in den "Athener Mitteilungen" 113, 1998 erscheinen wird.
[2] J. A. Bundgaard, The Excavation of the Athenian Acropolis 1882-1890 (1974).

© Florian Ruppenstein - Walter Gauß
e-mail:
eol@ars.net.gr

This article will be quoted by F. Ruppenstein - W. Gauß, Die Athener Akropolis in der frühen Eisenzeit, Forum Archaeologiae 12/IX/99 (http://farch.tsx.org/forum0999/12akro.htm).



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