Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 8 / IX / 1998

Walter Gauß
Neue Forschungen zur prähistorischen Akropolis von Athen

Oscar Broneers Forschungen am Nordabhang der Athener Akropolis in den 30er Jahren trugen wesentlich zur besseren Kenntnis des bronzezeitlichen Athen bei. Dazu zählt die Freilegung des mykenischen Nordostaufganges zur Akropolis und der unterirdischen Brunnenanlage. Diese Grabungsergebnisse werden bereichert durch unstratifizierte prähistorische Funde aus dem gesamten Gebiet des Nordosthanges. Dazu zählt auch ein jüngst wiedergefundenes Tonsiegel, das nach stilistischen Vergleichen mit Siegelabdrücken aus Lerna am ehesten der Phase FH II zuzuordnen ist. Unter den unstratifizierten spätbronzezeitlichen Funden sind besonders die zahlreichen Fragmente mykenischer Idole und Tierfigurinen anzuführen, darunter auch Reste von scheibengedrehten Stierfigurinen.

Ein Schwerpunkt der bisherigen Untersuchungen des Verfassers war O. Broneers Ausgrabung der unterirdischen Brunnenanlage in den Jahren 1937 und 1938, deren Publikation bereits ein Jahr danach erfolgte. Jedoch wurden die keramischen Funde von Broneer nur ausschnittweise und ohne Angabe der Fundhöhe vorgelegt. Ziel der erneuten Beschäftigung mit der Brunnenanlage ist es, präzisere Informationen zum Zeitpunkt der Anlage, der Nutzung und der Zerstörung der Brunnenanlage zu liefern. Als erste vorläufige Ergebnisse können die Entwicklung einer ‘idealisierten’ Schichtenabfolge und die Erweiterung eines bereits von Broneer festgestellten Gefäß-Deposits aus der Nutzungsphase des Brunnens angeführt werden.

Besonders die mykenische Keramik aus dem Bereich des mykenischen Nordost-Aufganges und anderer SH IIIB2 Spät- bis SH IIIC Früh-zeitlicher Deposits zeigt Verwandtschaft mit dem nutzungszeitlichen Gefäß-Desposit, wodurch der von A. Furumark, J.B. Rutter und P.A. Mountjoy gemachte Datierungsvorschlag bestätigt wird. Auch Broneers Annahme einer mehr oder weniger einmaligen Zuschüttung der Brunnenanlage wird durch das bisherige Materialstudium erhärtet. Als Gründe für diese Annahme lassen sich sowohl die bereits von Broneer festgestellten zahlreichen Anpassungen, die fast über die gesamte Tiefe des Schachtes reichen, als auch der weitgehend einheitliche Charakter der eingefüllten Keramik anführen. Hinzu kommt, daß jene mykenische Keramik, die nach stilistischen Kriterien eindeutig später als die Masse des eingefüllten Materials anzusetzen ist, bislang in wesentlich geringerem Umfang nachzuweisen ist und vor allem in den obersten, nicht rein prähistorischen, sondern chronologisch gemischten Abhüben angetroffen wurde.

Gerade das erneute Studium des prähistorischen Fundmaterials vom Nordhang und insbesondere von der unterirdischen Brunnenanlage und dem mykenischen Nordost-Aufgang bereichert das bisherige Bild der bronzezeitlichen Akropolis und stellt die Diskussion der historischen Bewertung des spätbronzezeitlichen Athen auf eine gesicherte Basis.


© Walter Gauß



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