Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 8 / IX / 1998

Bernhard Schlag
Thematische Bindungen der Hundedarstellungen im bronzezeitlichen Griechenland

Bei der Sammlung von Hundedarstellungen aus der ägäischen Bronzezeit läßt sich festhalten, daß diese vornehmlich aus der späteren Bronzezeit stammen, obgleich frühere Darstellungen keineswegs fehlen. Weiters lassen sich bestimmte thematische Bereiche erkennen, welche zunächst von der minoischen Kunst entwickelt wurden und in der mykenischen Kunst fortlebten. So finden wir in der minoischen Kunst Hundedarstellungen vor allem auf Siegeln, die sich durch einen hohen Grad an ausgeprägtem Sinn für Naturbeobachtungen auszeichnen.

Minoische Motive wie der sich kratzende, seinen Schwanz schnappende, laufende, sitzende oder andere Tätigkeiten ausführende Hund zeigen das Festhalten einer augenblicklichen, spezifischen Bewegung des Tieres, was sich in der mykenischen Kunst nur relativ selten findet und als Übernahme aus dem Minoischen zu sehen ist. Eine Besonderheit und wohl eigenständige Bilderfindung der Mykener mögen die ihr Junges im Maul tragenden Terrakottahunde sein, die nur vom Festland bekannt sind. Einen weiteren Themenkreis stellen die auf Siegel beschränkten Hundeabbildungen dar, die sich mit dem Kult in Verbindung bringen lassen, wobei der Hund hier sowohl als Wächter des Heiligtums als auch in der Funktion des Begleiters der Gottheit verstanden werden kann.

Zentrales Thema der bronzezeitlichen Hundedarstellungen ist freilich die Jagd, die uns auf einigen minoischen Siegeln und wesentlich häufiger in der mykenischen Glyptik und Wand- bzw. Vasenmalerei begegnet. Dabei wird der Hund in den verschiedensten Situationen der Jagd dargestellt, so etwa bei der Ausfahrt zur Jagd, dem Aufstöbern des Wildes im Dickicht und dem Hetzen in die Richtung der Jäger, wie auf Wandfresken aus Tiryns und Orchomenos, aber auch beim Stellen der Jagdbeute und dem Reißen des Wildes, wie auf minoischen und mykenischen Siegelbildern, dem Verbellen (in der mykenischen Siegelglyptik) und neben einigen anderen Motiven letztlich auch bei der Rückkehr von der Jagd, wie auf Wandbildern aus Pylos. Darstellungen von Hunden als Begleiter unter dem Wagen (s. ‘Wagenkratere’ aus Mykene und Tiryns) wie auch vor diesem, an der Leine neben Hundeführern schreitend (s. Fresken aus Tiryns), auf herrschaftlichen Trinkgefäßen (s. Goldkylikes aus Mykene) und in gelagerter Reihung auf einem Wandfries in Pylos (Abb. 10) machen deutlich, daß der Jagdhund als treuer und nützlicher Begleiter des Jägers eine herausragende Stellung innehatte, ja als ‘Repräsentationsobjekt’ jener Zeit verstanden werden kann. Dies gilt insbesondere für die Hundedarstellungen der späthelladischen Epoche, da gerade diese Zeit die größte Zahl an repräsentativen Hundedarstellungen sowie Hundebestattungen und osteologisch auswertbarem Material bietet.

Abb. 10: Wandfries gelagerter Hunde aus dem Palast von Pylos (nach M.L. Lang, The Palace of Nestor at Pylos in Western Messenia II (1969) Taf. P)

Unverkennbar ist aber auch eine gewisse Ambivalenz in den Darstellungen zwischen dem Hund als reinem Nutztier und als verehrtem Statussymbol, was sich später in den homerischen Epen noch deutlicher herauskristallisiert, wo der Hund gleichzeitig als Schimpfwort und als ‘Lobeshymne’ Verwendung findet.

© Bernhard Schlag



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