Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 8 / IX / 1998

Gabriele Erath
Neolithische und bronzezeitliche Keramik aus dem Becken von Pheneos in Arkadien

Im Zuge eines vom Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung unterstützten Surveys, der in den Jahren 1995 und 1996 im Becken von Pheneos auf der Peloponnes stattfand[6], wurden drei bis dahin unbekannte prähistorische Fundstellen entdeckt. Diese befinden sich im Nordteil des Beckens (Agios Charalambos und bei der Kapelle im Stausee unter dem Kloster Agios Georgios) sowie am Westrand des Beckens, am Fuß des Dourdouvana in der Flur Tsoukka. Somit erhöht sich die Anzahl der prähistorischen Fundstellen inklusive des Fundplatzes auf der Akropolis von Pheneos auf vier. Die Fundorte befinden sich alle in erhöhter Lage; aus überschwemmungsgefährdeten Gebieten (z.B. im Südteil des Beckens, am Beckenboden oder in Beckenrandlage) sind bis jetzt keine prähistorischen Funde bekannt geworden.

Eine auffällige Konzentration neolithischer und bronzezeitlicher Keramik wurde bei der Kapelle Agios Charalambos festgestellt. Die auf einer Terrasse am Osthang des felsigen Hügels aufgesammelte Keramik besteht zum größten Teil aus Grobwaren. Ein Wandfragment mit aufgesetzter Fingertupfenleiste[7] und ein Wandfragment mit Ritzverzierung[8] vertreten das späte Neolithikum. Aus frühhelladischer Zeit stammen Fragmente mit plastisch aufgesetzten Leisten[9] oder Fingertupfen[10]. Den größten Komplex innerhalb der Keramik dieser Fundstelle bilden mittelhelladische Waren. Mengenmäßig dominierend sind Fragmente sog. Adriatischer Ware, die sich durch die charakteristische Fischgrätritzverzierung auszeichnet[11] (Abb. 2).

Abb. 2: Fragmente ‘Adriatischer Ware’ aus Agios Charalambos, Pheneos (Photo: G. Erath)
Abb. 3: Sog. Pfeilschaftglätter aus Agios Charalambos, Pheneos (Photo: G. Erath)

Einen weiteren größeren Komplex stellen minysche Waren dar, von denen vor allem Fragmente von Krateren[12] und Kantharoi erhalten sind. Von mattbemalter Keramik konnten nur wenige Fragmente nachgewiesen werden. Im mittelhelladisch-minyschen Formenspektrum befinden sich einige grautonige Fragmente, die mit ihrem kompakten Ton an minysche Fabrikate erinnern, teilweise schwarze Bemalungsreste aufweisen[13] und vielleicht lokal produziert wurden. Eine Spinnwirtel und ein Webstuhlgewicht sind Zeugnisse für Textilherstellung. Obsidiane (vor allem Klingen), Silexabschläge und ein sog. Pfeilschaftglätter[14] (Abb. 3) belegen eine vielfältige Werkzeugindustrie. Während einige Fragmente in das späte MH bis SH I datiert werden können, lassen sich für die Perioden SH II und SH III keine eindeutigen Belege finden.

Ein retuschierter Silex stammt vom Fundplatz unterhalb des Klosters Agios Georgios, und Silices wurden auch an der dritten, in der Flur Tsoukka gelegenen Fundstelle aufgelesen. Die wenigen dort gefundenen Keramikfragmente können in FH III bis MH datiert werden: das Henkelfragment eines Kruges mit Fischgrätritzung sowie Grobkeramik ähnlichen Fabrikats wie die mittelhelladischen Waren von der Fundstelle Agios Charalambos. Offen bleibt die Frage, inwieweit die Keramik mit den Bauresten höher am Hang (unter anderem Ovalbauten) in Verbindung zu bringen ist.

Die zu dem bereits bekannten Fundplatz auf der Akropolis von Pheneos neu hinzugekommenen Fundstellen verdichten das Netz prähistorischer Siedlungspunkte. Zudem kann nun zum erstenmal eine neolithische Besiedlung des Beckens nachgewiesen werden[15]. Einen annähernd vollständigen Überblick über die prähistorische Siedlungsstruktur des Beckens wird aber nur ein flächendeckender Survey geben können.

[6] Das Projekt wurde von Univ.Doz.Dr. Klaus Tausend, Institut für Alte Geschichte und Altertumskunde der Universität Graz, geleitet. Die Ergebnisse werden publiziert in: K. Tausend, Lousoi und Pheneos (im Druck).
[7] S. Katsarou – A. Sampson, AAA 22, 1989, 166 Abb. 5; dies. in: E. Alram-Stern, Die Ägäische Frühzeit I. Das Neolithikum in Griechenland mit Ausnahme von Kreta und Zypern (1996) 500 Abb. 6 (spätneolithisch, Seilmuster, aus Kastria Kalavryton); M. Koumouseli, AAA 22, 1989, 155 Abb. 13 (Lakonien); H. Walter - F. Felten, Die vorgeschichtliche Stadt, Alt-Ägina III, 1 (1981) Taf. 78; T.W. Jacobsen, Hesperia 42, 1973, 272 Abb. 8,7 (‘LN coarse ware’, aus der Franchthi-Höhle). Herr Prof. Dr. Stefan Hiller hat meine Datierung freundlicherweise bestätigt.
[8] R. Howell, BSA 65, 1970, 82 Nr. 4 Taf. 27c (Kandhila-Bikiza, neolithisch); S.A. Immerwahr, The Athenian Agora XIII. The Neolithic and Bronze Ages (1971) Taf. 8-9 (‘Neolithic Coarse Incised Ware’); Walter - Felten a.O. (Anm. 2) Taf. 78 Nr. 60, I.
[9] K. Müller, Die Urfirniskeramik, Tiryns IV (1938) Taf. X, 1-2 (FH II, Amphore); P. Gercke - G. Hiesel in: Tiryns. Forschungen und Berichte V (1971) 10 Taf. 13, 3; H.-J. Weißhaar, AA 1981, 242 Abb. 85, 1; The Laconia Survey. Continuity and Change in a Greek Rural Landscape II (1996) Abb. 11,5,3 (FH, Krug). Ähnliches Material hat E. Alram-Stern für Ägira im Rahmen eines Symposiums anläßlich der Hundertjahrfeier der Zweigstelle Athen des Österreichischen Archäologischen Instituts im März 1998 vorgestellt (Übergang Spätneolithisch - FH I). Frau Alram-Stern hat in ihrem Vortrag auf ähnliche Funde in Perachora-Vouliagmeni verwiesen: Alram-Stern a.O. (Anm. 2) 215; M. Kasimi-Soutou, ADelt 39, 1984, Chron 36. Frau Prof.Dr. Sigrid Deger-Jalkotzy bestätigt die Datierung des pheneatischen Stückes. Für einen spätneolithischen Ansatz sprechen Funde in der Höhle von Kastria-Kalavryton: Katsarou - Sampson a.O. (Anm. 2) 499 Abb. 4,7-9; 5.
[10] Walter - Felten a.O. (Anm. 2) Nr. 158 Taf. 88 (2400-2200 v.Chr.); A. Sakellariou – G. Papathanasopoulos, Archäologisches Nationalmuseum I. Vorgeschichtliche Sammlungen. Ein kurzer Führer (1966) 21 Nr. 8902 (Pithos aus Askitario).
[11] Zur Benennung der Ware s. M.N. Valmin, The Swedish Messenia Expedition (1938) 239 f.; E.J. Holmberg, The Swedish Excavations at Asea in Arcadia (1944) 106 ff.
[12] G.C. Nordquist, A Middle Helladic Village. Asine in the Argolid (1987) Abb. 45, 1-2 (spätes MH); C. Zerner, Hydra 4, 1988 Abb. 3, 18; O. Frödin - A.W. Persson, Asine. Results of the Swedish Excavations 1922-1930 (1938) Abb. 197 Nr. 38. 37 (MH III).
[13] Außergewöhnlich ist die Innenbemalung eines Schalenfragmentes. Für das Dekor vgl. P. und W. Gercke - G. Hiesel in: Tiryns. Forschungen und Berichte VIII (1975) 25 Nr. 58 Taf. 26,3b; C.W. Blegen, Korakou. A Prehistoric Settlement near Corinth (1921) Abb. 49,8.9; 55.
[14] L 68 mm, B 49 mm, D 18 mm, B der Rille 7 mm: Holmberg a.O. (Anm. 6) 126 Abb. 118, 1-2; Valmin a.O. (Anm. 6) 353 f. Taf. 26 J 1-10; K 1-11; Nordquist a.O. (Anm. 7) 43 (hauptsächlich FH III und MH); K. Kilian, AA 1982, 421 Abb. 42 (FH); H.-G. Buchholz, JdI 77, 1962, 1-58. Ich danke Herrn Dr. Norbert Schlager für den Hinweis, daß diese Geräte eventuell zum Glätten von Perlen benutzt wurden.
[15] Ein möglicherweise neolithisches Keramikfragment hat R. Hope Simpson bei einem Survey auf der Akropolis von Pheneos aufgelesen: R. Hope Simpson, A Gazeteer and Atlas of Mycenaean Sites (1965) 37 Nr. 83; ders., Mycenaean Greece (1981) 89 D20 Kalyvia; ders. - J.F. Lazenby, The Catalogue of the Ships in Homer’s Iliad (1970) 91; Howell a.O. (Anm. 3) 97 Nr. 40.

© Gabriele Erath
e-mail:
gabriele.erath@kfunigraz.ac.at
Zum Forschungsprojekt s. http://www-gewi.kfunigraz.ac.at/arch/pheneos.html



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