Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 8 / IX / 1998

Ingrid Schlor
Beziehungen zwischen Bulgarien und Nordgriechenland während des Chalkolithikums - Karanovo, Dikili Tash und Sitagroi

Graphitbemalung auf Keramik gilt als Leitornament der chalkolithischen Kulturgruppen im Balkanraum; in Nordgriechenland wird diese Periode noch als Spätneolithikum bezeichnet[1]. Die neuen Ausgrabungen von Tell Karanovo in Bulgarien unter der Leitung von S. Hiller und V. Nikolov haben sich unter anderem zum Ziel gesetzt, eine Keramikabfolge der chalkolithischen Stufe Karanovo V zu entwickeln[2]. Ein Teil der vorläufigen Ergebnisse soll hier zusammengefaßt und in Beziehung zum nordgriechischen Raum, nämlich den Siedlungen Paradimi[3], Sitagroi [4] und Dikili Tash[5], gesetzt werden.

Abb. 1: Graphitbemalte Schüssel aus Karanovo aus der frühen Phase der Stufe Karanovo V
Die Stufe Karanovo V kann anhand des Materials der Grabung in Karanovo in drei Phasen gegliedert werden. Die frühe Phase zeigt sog. ‘Leiterbänder’ (zwei parallele Ritzlinien, die durch querstehende, kurze Ritzlinien miteinander verbunden sind) sowie schraffierte Ritzlinienfelder. Daneben existiert bereits Graphitbemalung in Form paralleler Linien, vor allem an der Außenseite birnenförmiger Vasen (Abb. 1). Diese Gefäßformen und Motive finden Entsprechungen in Dikili Tash und Paradimi.

Die mittlere Phase zeigt ein erweitertes Formenspektrum und größeren Dekorreichtum sowie eine prozentuelle Zunahme von Gefäßen mit Graphitbemalung. Weiters werden verschiedene Dekorsysteme kombiniert, und so finden sich auf ein und demselben Gefäß Graphitbemalung, pastose rote Bemalung, Ritzdekor und runde, mit weißer Kalkmasse gefüllte Einstiche. Dasselbe läßt sich für Dikili Tash (Phase II C) und Sitagroi IIIA feststellen, allerdings bestehen Unterschiede in Gefäßform und Motivdekor. Die Keramik der dritten Phase der Stufe Karanovo V ist eher unsignifikant, und es kommt zu einem Abklingen der Reichhaltigkeit des Dekors.

Es folgt die Stufe Karanovo VI mit vorwiegend scharf karinierten Gefäßformen, wobei Knickrandschalen besonders hervorzuheben sind. Die Gefäßwandungen sind im allgemeinen dicker, und die Graphitbemalung ist technisch vorzüglich, wenn auch der Motivschatz geometrisiert und vereinfacht wirkt. Keramikformen und Motive finden gute Entsprechungen im Material aus Sitagroi und der Endphase von Dikili Tash IIC. In dieser Zeitstufe bilden sich großräumige Kulturkomplexe. Karanovo ist dem Kodzadermen-Gumelnitza-Karanovo VI - Kulturkreis zuzuordnen, der sich im westpontischen Raum von der Donaumündung im Norden bis nach Küstenthrakien im Süden erstreckt. Die Handelsbeziehungen dürften in dieser Zeit intensiviert worden sein und sind wohl in Zusammenhang mit dem Kupferbergbau und der Kupfermetallurgie zu sehen.

[1] E. Alram-Stern, Die ägäische Frühzeit I. Das Neolithikum in Griechenland mit Ausnahme von Kreta und Zypern (1996) 102 ff.; J.-P. Demoule, Les recherches récentes en Grèce septentrionale et les problèmes chronologiques et régionaux des cultures à céramique au graphite, Saarbrückner Beiträge zur Altertumskunde 55 (1991) 227 ff.; ders., Anatolie et Balkans: La logique évolutive du Néolithique égéen, in: J. Roodenberg (Hrsg.), Anatolia and the Balkans. Symposium on Pre-Bronze Age Relations held in Istanbul, 18-22 November 1991, Anatolica 19, 1993, 1 ff.; S. Hiller, Das Neolithikum in Karanovo und seine chronologische Stellung zu den gleichzeitigen Kulturen in Nordgriechenland und Serbien, in: Tell Karanovo und das Balkan-Neolithikum. Gesammelte Beiträge zum Internationalen Kolloquium in Salzburg, 20.-22. Oktober 1988 (1989) 168; H. Parzinger, Studien zur Chronologie und Kulturgeschichte der Jungstein-, Kupfer- und Frühbronzezeit zwischen Karpatenbecken und Mittlerem Taunus (1993) 136 ff.
[2] s. dazu die Bände von S. Hiller - V. Nikolov, Tell Karanovo. Vorläufiger Bericht 1993-94, 1995, sowie 1996-97.
[3] G. Bakalakis - A. Sakellariou, Paradimi (1981).
[4] C. Renfrew - M. Gimbutas - E.S. Elster (Hrsg.), Excavations at Sitagroi. A Prehistoric Village in Northeast Greece I, Monumenta Archaeologica 13 (1986).
[5] s. bes. G. Daux, BCH 92, 1968, 1026 ff.; J. Deshayes, BCH 94, 1970, 799 ff.; M. Séfériadès, BCH 107, 1983, 635 ff. Wichtige Aufschlüsse zur Keramik werden von J.-P. Demoule, Dikili Tash I 2 (im Druck), erwartet.

© Ingrid Schlor



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