Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 88 / IX / 2018

ANTONINUS PIUS – ZWISCHEN FAMILIENBEZIEHUNGEN UND ADOPTIONSPROPAGANDA

Die literarische Überlieferung, die besonders deutlich bei Tacitus zu fassen ist (Tac. hist. 1, 16, 1), lässt uns erkennen, dass die „Adoption“ als Mittel, einen römischen Kaiser zu bestellen – genauer: für die Nachfolge zu empfehlen –, damals durchaus positiv aufgenommen worden ist, auch und gerade in der römischen Oberschicht, unter den „opinion leaders“ im Senat, obwohl dieser dem neuen Regime traditionsgemäß noch immer distanziert bis ablehnend gegenüber stand. Seit Jahrhunderten war die Adoption im römischen Geburts- und Amtsadel ein probates Mittel gewesen, im Bedarfsfall die Tradition der Familie und deren Aufgaben im Staat aufrecht zu erhalten. Wozu noch kam, dass durch die Adoption der genetische Akt durch den einer bewussten Auswahl ersetzt wurde, wodurch „der Beste“ für die kommenden Aufgaben gefunden werden sollte. Unter Trajan, der sich, nicht weiter erstaunlich, diese Propagandaschiene gerne gefallen ließ, wird nun die Ideologie vom „optimus princeps“, der durch Adoption gefunden und legitimiert werden soll, zur Staatsdoktrin des autoritären römischen Spitzenamtes. Für die einflussreichen Vertreter im Senat mit ihrer stoisch beeinflussten Grundhaltung bot diese Vorstellung endlich auch die willkommene Möglichkeit, sich mit dieser Herrschaftsform bewusst zu arrangieren.


Aber schon bei Hadrian zeigt sich, das die Adoption (falls sie bei ihm überhaupt formell erfolgt ist) doch wieder nur Familienbeziehungen verschleiert, wobei es bemerkenswert ist, dass, wie dies auch Tradition hatte, über die weibliche Linie immer wieder eine zusätzliche Legitimierung sichergestellt wird. Auch Antoninus Pius, der als Nachfolger Hadrians sozusagen nur die zweite oder gar dritte Wahl gewesen ist, war mit diesem wenn schon nicht direkt verwandt, so doch weitschichtig verschwägert, und Mark Aurel war wieder über die Frau des Antoninus Pius, Faustina I., dessen Neffe (und, natürlich, Schwiegersohn) (Abb.). Mark Aurel hat zwangsläufig dieses Adoptionsritual beendet, und bis heute wird bis in die modernen Medien (Film) die Frage gestellt, ob dieser so sehr der Stoa verpflichtete Kaiser tatsächlich seinen Sohn als Nachfolger gewollt haben konnte.

© Ekkehard Weber
e-mail: ekkehard.weber@univie.ac.at

This article should be cited like this: E. Weber, Antoninus Pius – zwischen Familienbeziehungen und Adoptionspropaganda, Forum Archaeologiae 88/IX/2018 (http://farch.net).



HOME