Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 88 / IX / 2018

RELIGIÖSE STRÖMUNGEN UND KAISERKULT UNTER ANTONINUS PIUS

Marc Aurel schreibt in seinen Selbstbetrachtungen über den Kaiser: „Gegenüber den Göttern war er frei von Aberglauben“ (Med. 1, 16, 3). Auch habe Antoninus Pius den Laren jeden Morgen ein Opfer dargebracht, bei dem ihm Marcus zur Seite stand (Front. Ad Marc. Caes. 4, 6). Unter dem als frommen und pflichtbewussten Kaiser Antoninus Pius vollzogen sich, insbesondere im religiösen Bereich, wichtige Veränderungen, deren Auswirkungen bis in die Spätantike sichtbar sind.
Auffällig ist dabei die steigende Bedeutung der sogenannten fremden Kulte während seiner Regierungszeit und auch danach. Der Märzritus des Kultes der Magna Mater/Kybele vom 15.–27. März, der Feiern zur Entmannung und zum Tod des Attis, das höchste Priesteramt des archigallus und die Taurobolienzeremonie sind zumindest im Westen erst endgültig unter Antoninus Pius verbreitet worden, wobei es sich bei den archigalli zumeist um geachtete Personen mit Bürgerrecht handelte. Die Maßnahmen dieses Kaisers zielten wohl darauf, den Kult an öffentliche Institutionen zu binden und ihn so umzugestalten und zu korrigieren, dass er sich in das reichsrömische Pantheon einfügte. Ferner wurde er eng mit dem Kaiserkult verbunden. Antoninus Pius ließ auch wahrscheinlich für den syrischen Baal von Baalbek (= Heliopolis), als Zeus Helios riesige Tempelbauten errichten (Abb. 1).


Die unter Antoninus Pius einsetzende Forcierung der Ideologie vom göttlichen Kaiserhaus (domus divina) sorgte für eine deutliche Überhöhung des Kaisers und seiner Familie über die anderen Sterblichen. Deutlich sichtbar wird dies insbesondere in Obergermanien, wo es diese Tradition beim Heer schon seit augusteischer Zeit gab, welche nun von größeren Bevölkerungskreisen aufgenommen wurde und weite Verbreitung fand. Die imperiale Propaganda lässt sich auch an Münzprogrammen nachweisen, beispielsweise ist nach 140 n.Chr. Laetitia wie Ceres dargestellt. Hier ist die Erneuerung der Freude und Gnade für den Kaiser und damit den ganzen Erdkreis durch den Demetermythos abgebildet (RIC III 199C). Die Münze ist ein Andenken für die konsekrierte Kaiserin Faustina I. und ein außergewöhnliches Beispiel für die Abbildung der imperialen Laetitia.
Der Kaiser baute seiner verstorbenen Gemahlin bekanntlich einen Tempel auf dem Forum, wo Marc Aurel später dann den Namen des ebenfalls konsekrierten Antoninus Pius auf der Architravinschrift hinzufügen ließ. Er baute die Ideologie der domus divina konsequent aus und bezog, wie schon Antoninus, seine unmittelbaren Familienmitglieder ein. Zu erwähnen ist ferner die Antoninussäule in Rom, deren Basis erhalten ist (Abb. 2). Sie zeigt die Roma, eine Personifikation des Marsfeldes, einen Aion und die Apotheose des Kaiserpaares zwischen zwei Adlern. Die Nachfolger Marc Aurel und Lucius Verus bauen so als Mitglieder der domus divinae den damit verbundenen reichsweiten Kaiserkult weiter aus.
In Bonn war wahrscheinlich ein ausgedehnter Kultbezirk im Bereich der canabae der legio I Minervia unmittelbar mit dem Kult für Antoninus Pius verbunden. Das Heiligtum der hier verehrten Matronae Aufaniae wurde unter seiner Herrschaft eingeweiht, und dass sein Geburtstag noch mehr als 100 Jahre später gefeiert wurde, zeigt eine dort gefundene Weihung an Mars Militaris vom 19.9.295 (CIL XIII 8019).

© Wolfgang Spickermann
e-mail: wolfgang.spickermann@uni-graz.at

This article should be cited like this: W. Spickermann, Religiöse Strömungen und Kaiserkult unter Antoninus Pius, Forum Archaeologiae 88/IX/2018 (http://farch.net).



HOME