Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 88 / IX / 2018

VOM SEGEN DER POLITISCHEN KONSTANZ
Normativität und Normalität in der öffentlichen Repräsentation des Antoninus Pius

Die Herrschaft des Antoninus Pius wird vielfach als eine Epoche traditioneller Konzepte und Wertsetzungen gesehen. Bei deren historischer Beurteilung wird grundsätzlich politische Dynamik als positives Anzeichen von vitaler Bewegung, deren Ausbleiben implizit als negatives Symptom der Stagnation bewertet. Entsprechend dieser allgemeinen historiographischen Präferenz von Dynamik gegenüber Konstanz wird auch bei Antoninus Pius verstärkt nach historischen Veränderungen und politischen Innovationen gesucht. Dem gegenüber sollen in diesem Vortrag in der öffentlichen Repräsentation des Kaisers dynamische und statische Aspekte gegeneinander aufgewogen und insbesondere die politische Konstanz als ein grundlegendes Phänomen der Normativität politischer Konzepte in den Blick genommen werden.
Bei der Deutung von Bezügen auf die historische Vergangenheit ist grundsätzlich zu unterscheiden zwischen intentionalen Rückgriffen und strukturellen Traditionen.
- An den Porträts des Antoninus Pius wird ein intentionaler Bezug auf ein persönlich geprägtes Herrscherbild Hadrians deutlich; dagegen folgen die Statuenkörper der antoninischen Dynastie normativen Typen, die seit der frühen Kaiserzeit in Geltung sind und sich auf ein statisches System von kaiserlichen Rollen und Leitbildern bezieht.
- In der Münzprägung findet sich ein aufschlussreiches Zusammenspiel von traditionellen Leitbildern politischer Handlungsrollen, wie virtus und pietas, und neueren emotionalen Vorstellungen von Sicherheit und Glück, auf dem ganzen Erdkreis und in Ewigkeit.
- Die wenigen erhaltenen Staatsreliefs dieser Zeit bestätigen die Rolle des Kaisers als Garant einer ideologisch fundierten Stabilität des Römischen Reiches, nach innen wie nach außen. Dagegen fokussieren neue staatliche Feste und Rituale, wie die Decennalien und die 900-Jahr-Feier Roms, auf die emphatisch gefeierte Ewigkeit der römischen Herrschaft.
Daraus ergibt sich ein Konzept der kaiserlichen Macht, das Max Webers drei Formen der traditionalen, der legalen und der charismatischen Herrschaft um ein viertes Konzept ergänzt: das der „ideologischen Herrschaft“. Sie beruht auf einem relativ statischen System von ideologischen Leitbildern, die jeder Kaiser aufs Neue zu realisieren hat. Dabei müssen die ideologischen Vorgaben den wechselnden historischen Situationen und längerfristigen Veränderungen angepasst werden. Aber insgesamt hat die „ideologische Herrschaft“ dem Römischen Reich eine starke Stabilität verliehen. Ein historischer Wandel ist in der universalistischen Emphase zu erkennen, mit der diese relativ statische Ideologie in Szene gesetzt wird.

© Tonio Hölscher
e-mail: tonio.hoelscher@zaw.uni-heidelberg.de

This article should be cited like this: T. Hölscher, Vom Segen der politischen Konstanz. Normativität und Normalität in der öffentlichen Repräsentation des Antoninus Pius, Forum Archaeologiae 88/IX/2018 (http://farch.net).



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