Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 84 / IX / 2017

GESTURE – GESTIK

Die Entdeckung der Geste. Zur Geschichte der Affektsteigerung auf Vasenbildern archaischer und frühklassischer Zeit
Martin Langner (Göttingen, DE)

Die archäologische Forschung hat in den letzten Jahren wieder verstärkt nach der Rolle des Betrachters für die Interpretation der Vasenbilder gefragt. Dabei gerieten auch die gestikulierenden Beifiguren in den Blick, ohne jedoch die Bedeutung der jeweiligen Gesten und ihren möglichen Bedeutungswandel zu untersuchen.
Ausgehend von einer aktuellen Kontroverse, in der es darum geht, ob die Vasenmaler Athens mit ihren Bildern Stellung beziehen und eine bestimmte Deutung vorgeben oder ob das Bild offen für verschiedene Deutungen ist und erst durch das Vorwissen des Betrachters seinen spezifischen Sinn erhält, soll untersucht werden, wie durch Gesten der Bildinhalt unterstützt und verstärkt wird. Dabei zeigt sich, dass ausgehend von Gebärden der Trauer erst in spätarchaischer Zeit differenzierte Bildschemata für die verschiedenen Gefühlsregungen entwickelt werden. Diese neue Art der kommentierenden Erzählweise wird v. a. auf Vasen entwickelt, die mehrere Bilder tragen und so zum direkten Bildvergleich und zur Diskussion der Bildfindungen einladen. Mit groben Strichen soll daher auch ein historischer Abriss der Wahrnehmungstiefe in der Bildbetrachtung gezeichnet werden, der m. E. durch den differenzierten Einsatz von Gefühlsregungen als Bildthema resultiert.

e-mail: mlangne@gwdg.de


Nonverbal Communication on Athenian Vases
Timothy J. McNiven (Columbus, US)

Nonverbal communication is basic to all humans, but usually is only perceived at an unconscious level. Athenian vase painters, however, recognized the value of the language of gestures and exploited it to augment their narratives by expressing their figures’ emotions and relationships. The depiction of hand and finger gestures allowed figures in a scene to communicate with each other. Broader emotional gestures increased the involvement of the figures in the scene, and allowed them to elicit sympathy and understanding in the viewer. This double channel of communication, between figures and between the figures and the viewer, greatly increased the strength and subtlety of Athenian narrative over time. The development of this language can be traced historically through the succession of pottery workshops, from master to student, from black figure to red figure. Because of this evolution, gestures on Athenian pottery are valuable for the study of the history of emotions. Gestures are also useful today for understanding how certain groups, such as women and barbarians, were portrayed as “other” because of their lack of emotional control.
The question arises, who would have understood such a language of gestures? The regular development of the vocabulary of gestures suggests that it was not simply conventional, like gestures in Egyptian art, which were based on the hieroglyphic writing system. It is possible to view the increasing range of subtlety of gestures as part of the development of realism in Greek art as a whole, but that implies that the depicted gestures depend on the actual gestural language of contemporaneous Athens (which obviously cannot be proven). Rather, it seems that the painters appreciated the effectiveness of such a system of gestures and could rely on an audience of experienced viewers who were able to decode the nonverbal language. In turn, this raises the question of the “gestural literacy” of foreign customers of Athenian pottery. How did they understand this gestural language in their own cultures? In Athens, though, the language of gestures allowed the creation of masterpieces of subtle storytelling such as the Kleophrades Painter’s hydria in Naples with the Fall of Troy.

e-mail: mcniven.1@osu.edu


Gestik als Bildzeichen der Kommunikation
Nadine Panteleon (Ummendorf, DE)

Im 6. Jahrhundert v.Chr. fertigte man an verschiedenen Orten im Mittelmeerraum Keramik, die mit figürlicher Bemalung verziert wurde, so auch im südionischen Milet. Die dortigen Maler gestalteten ab etwa 540 v.Chr. (Stilphasen Mile[t]A[rchaisch]IIb.2 und IIc) zum Teil sehr aufwändige und komplexe Motive. Meist sind die Figuren dabei in einer Ebene angeordnet, jedoch erscheint der Begriff Fries in diesen Kontext unpassend. Vielmehr handelt es sich um Kompositionen von Bildfeldern, die in sich oder ggf. mit dem Bildfeld auf der gegenüberliegenden Gefäßseite in thematischem Zusammenhang stehen.
Bei den verwendeten Motiven handelte es sich um Szenen mit ‚mythologischem‘ oder ‚alltäglichem‘ Inhalt. Da die milesische Malerei mit wenigen Ausnahmen auf Beischriften verzichtet, sind Attribute und Darstellungsweise die wichtigsten Elemente, um die Bilder zu lesen. Sie müssen allgemeinverständlich und klar erkennbar sein. Etwa werden tanzende Komasten üblicherweise durch ihre wiederkehrende Körperhaltung mit Knielaufschema und geschwungenen Armen charakterisiert, sie können zudem Schalen und Kannen in den Händen halten und treten mit einem begleitenden Aulosspieler auf.
Im Rahmen des Vortrages soll eine Analyse von ausgewählten Bildmotiven erfolgen. Hierbei liegt der Fokus auf wiederkehrenden Gesten, die als Kommunikationsmittel zum Einsatz kommen: Adorationsgestus, Aufforderungsgesten und die Körpersprache zwischen Erastes und Ermomenos werden vorgestellt. Als Querverweis dienen Betrachtungen von thematisch ähnlichen Motiven in der attisch schwarzfigurigen Malerei.

e-mail: nadine.barabas@rub.de


This article should be cited like this: C. Lang-Auinger - E. Trinkl, Griechische Vasen als Kommunikationsmedium / Greek Vases as Medium of Communication, Forum Archaeologiae 84/IX/2017 (http://farch.net).



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