Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 84 / IX / 2017

DIONYSIAN THEMES – DIONYSISCHE THEMEN

The Kantharos of the Bellon Collection in the Louvre: Autopsy of a Communication Strategy with Different Foci
Anne Coulie (Paris, FR) / Cecile Galinier (Perpignan, FR)

Though still unpublished, the observations regarding the Bellon kantharos have already raised many issues and induced clear-cut reactions since the sale of the collection which was partly acquired by the Louvre in 2009. Numerous hypotheses and comments have circulated within the circle of ceramic specialists: the kantharos has been said to be a fake, or the special production of a Boeotian painter for a Laconian customer if not of a Laconian painter trained in a Boeotian workshop. What is so disturbing in this object? Step by step, we will examine all the aspects of the kantharos in order to understand the communication strategy of the producer. Laconian both in shape and technique, the vase both presents a style and a komos scene that reflect different influences (Corinthian, Boeotian, Ionian) but which also displays specific Laconian features. Although parallels exist, nonetheless the Laconian kantharos with a komos scene is a kind of unicum. Very far from the famous Spartan austerity, the painter creates a strong complicity with the spectator, Laconian or not, specially through the amazing figure of the juggler with drinking vessels.

e-mail: Anne.Coulie@louvre.fr, cecile.galinier@univ-perp.fr


„Schön gieße ich...“ – Kommunikative Aspekte von Direkte-Rede-Inschriften in rituellen Bildkontexten
Georg Gerleigner (Erlangen, DE / Basel, CH)

Eine kleine, aber kohärente Gruppe attischer Vasenbilder mit gemalten Inschriften zeigt Figuren, die an verschiedenen Ritualen (häufig Libationen) beteiligt sind und mittels Inschriften, die vor ihre Münder geschrieben sind – Formeln, Anrufungen und andere Wörter, die sich auf ihre kultische Aktivitäten beziehen –, sozusagen in direkter Rede dargestellt sind. Diese kurzen, meist nur aus ein bis drei Wörtern bestehenden Inschriften tauchen im späten 6.Jh. v.Chr. auf und stellen damit eine relativ frühe zeitgenössische Quelle dafür dar, wie die Athener mit ihren Gottheiten in Kommunikation traten.
Vor dem Hintergrund des Themas des Symposions soll in meinem Vortrag diskutiert werden, wie solche Vaseninschriften eine Kommunikationssituation einerseits direkt mit den Benutzern der Gefäße schaffen konnten und andererseits mittels ihrer antiken Leser-Betrachter, die dazu angeregt wurden, die Inschriften laut zu lesen, diese Kommunikation auf den sozialen Kontext ihres Gebrauchs ausdehnen konnten.
Besonders interessant und vielleicht überraschend ist der Gebrauch des Wortes „kalos“ in diesem Kontext, da dieses üblicherweise mit dem Lob schöner junger Männer verbunden ist, aber im 5.Jh. v.Chr. auf den Kontext von Opferszenen erweitert wird.

e-mail: gsg26@cantab.net


Kommunikation auf allen Ebenen: der Kelchkrater des Euphronios in München
Bettina Kreuzer (Freiburg, DE)

Der Kelchkrater des Euphronios in den Münchner Antikensammlungen spielt in der Forschung eine wichtige Rolle, wenn es um die Identität und den Status der Symposionteilnehmer geht. Das Gefäß bietet jedoch eine Reihe weiterer spannender Elemente, die verschiedene Ebenen und Räume der Interaktion und Kommunikation vermitteln.
Das gilt für die Aussagen, die das Gefäß dank seiner Form und Formensprache selbst vermitteln kann (Form und Funktion, Töpfer bzw. Werkstatt), das gilt für die Dekoration und Darstellung (Formensprache und Stil als Ausdruck des Malers bzw. der Werkstatt), das gilt für die Wahl des Themas (bildet eine Einheit mit der Funktion) und für dessen Platzierung auf dem Gefäß (beide Seiten bilden eine inhaltliche und narrative Einheit). Ort und Zeit des Dargestellten werden festgelegt, der Zeitpunkt der Handlung konkretisiert, die Teilnehmer mit Namen genannt und in ihrer Betätigung zu gerade diesem Zeitpunkt präsentiert. Bis hierhin vermittelt der Maler – es ist ja dessen Konzept, es sind seine Vorstellungen, die hier umgesetzt werden – Informationen, die dem Betrachter bzw. Benutzer bereits ein konkretes – und für Symposionbilder ungewöhnlich ausführliches – Bild vermitteln. Doch erst an diesem Punkt setzt auch eine konkrete Kommunikation ein, die sich sowohl innerhalb wie auch außerhalb des Bildes abspielt: Melas und Smikros reagieren auf die Musik und kommunizieren diese Reaktion mit Blicken und Handbewegungen. Hier findet der Austausch also innerhalb des Raums und der Figuren statt. Die beiden Randfiguren unterscheiden sich von dieser Mittelgruppe: Ekphantides ruft die apollinische Trias an, richtet seine Ansprache an Empfänger jenseits des Raums; gleichzeitig kommt mit dem Zitat eine reale Figur in den Raum hinein, der Verfasser dieser Zeilen nämlich, mit welchen Ekphantides (aber auch der Maler) vertraut ist. Auch Thoudemos sprengt den visuellen Rahmen des Bildes: Er wendet seine Aufmerksamkeit dem Benutzer (bzw. Betrachter) des Gefäßes zu, kommuniziert als einziger in dessen realen Raum hinein. Im Bild integriert sind also der visuelle Raum auf dem Krater, der virtuelle der Götter und der reale des Benutzers. Dieser mag sich durch den Blick und die Schale des Thoudemos eingeladen fühlen. Schließlich vermittelt der Maler durch Beischriften auch noch die Identität der Teilnehmer, unter ihnen ein junger Mann namens Smikros, der auf zeitgleichen wie von ihm selbst signierten Gefäßen als Malerkollege des Euphronios bekannt ist. Mit dieser Angabe kommuniziert Euphronios (zumindest für uns heute, aber vielleicht auch für den antiken Betrachter?) die ultimative Frage: Was ist das für ein Symposion, das hier gerade abgehalten wird?
Unter Einsatz formaler und visueller, non-verbaler und verbaler Mittel, mit unterschiedlichen Ausgangspunkten und auf unterschiedlichen Ebenen vermittelt der Krater in Form, Dekoration und Bild also Informationen, die Töpfer und Maler bereitstellen. Es sind ihre Formprinzipien, ihr Gestaltungswillen und ihre inhaltlichen Interessen, die den Ausschlag geben. Beide lassen ihren Krater in einer Weise ‚sprechen‘, wie dies selten zu finden ist. Dies wird besonders deutlich im Vergleich mit dem Stamnos eben jenes Smikros, der auf dem Krater zu Gast ist.

e-mail: bettina.kreuzer@archaeologie.uni-freiburg.de


This article should be cited like this: C. Lang-Auinger - E. Trinkl, Griechische Vasen als Kommunikationsmedium / Greek Vases as Medium of Communication, Forum Archaeologiae 84/IX/2017 (http://farch.net).



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