Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 80 / IX / 2016

„... DER WIE DEMOSTHENES SELBST SPRICHT“
Ein fächerübergreifendes Symposium anlässlich des 140. Todestages von Anton Prokesch von Osten

Am 26. Oktober dieses Jahres jährt sich zum 140. Mal der Todestag von Anton Prokesch von Osten. Der aus Graz stammende österreichische Diplomat, der die politischen Vertretungen in Athen, Frankfurt und Istanbul inne hatte, war mit seiner Heimatstadt stark verbunden, obwohl er eigentlich relativ wenig Zeit seines Lebens, abgesehen von den Jugendjahren, dort verbrachte. Die Stadt Graz ehrt Prokesch zwar mit der Benennung einer Gasse, abgesehen von wenigen Einzelinitiativen gibt es jedoch bisher wenig Auseinandersetzung mit der Biographie und der Bedeutung Prokeschs [1]. Deshalb nehmen das Universalmuseum Joanneum und die Universität Graz, unterstützt von der Österreichischen Urania Steiermark dieses Gedenken zum Anlass für ein Symposium, das sich dem Menschen Anton Prokesch von Osten sowie dessen Umfeld in Europa und im Orient widmet. Es findet vom 20. bis 22. Oktober in Graz statt.
Prokesch von Osten war nicht nur Diplomat und Kulturvermittler, dessen Mission es war, Vorurteile gegenüber den Ländern des östlichen Mittelmeerraums und dem Orient in Europa abzubauen. Vielseitig begabt und interessiert, wirkte er auch als Autor, war als Sammler tätig und widmete sich leidenschaftlich der Altertumskunde, Ägyptologie, Archäologie, Epigraphik und Numismatik.

Geboren als Anton Prokesch am 10. Dezember 1795 in Graz, wurde er nach besonderen Verdiensten für die österreichische Monarchie 1830 in den Ritterstand erhoben, nachdem er 1828 in den Ritterorden vom Heiligen Grab investiert worden war. Es folgten 1845 der Freiherrentitel und schließlich 1871 die Erhebung in den Grafenstand. Durch das selbst gewählte Adelsprädikat „von Osten“ (Abb. 1) wollte Prokesch die Bedeutung der vom österreichischen Blickwinkel aus gesehen östlich liegenden Länder, mit all seinen unterschiedlichen Bevölkerungen, Kulturen und deren Geschichte, unterstreichen. Dieses Prädikat trug ihm jedoch auch manchen Spott ein; insbesondere Joseph von Hammer-Purgstall lästerte, „hatte er [Prokesch] sich das anmaßende Prädikat ‚von Osten’ beigelegt, als er allein, ein neuer Alexander, durch seine Reisen den Osten für Österreich erobert hätte. […] Wiewohl er nicht das Alphabet einer einzigen orientalischen Sprache kannte und auch seitdem nicht kennengelernt hat. [2]
Es ist richtig, dass Prokesch selbst nicht als Wissenschafter ausgebildet war; dennoch wurden sein Engagement und seine Veröffentlichungen nicht nur von der Presse sondern auch von der Wissenschaft honoriert: Prokesch war Mitglied der Wiener und Berliner Akademie der Wissenschaften und Ehrendoktor der Universität Graz [3].


Dem Altertumswissenschafter fällt vor allem das große Interesse Prokeschs an den Altertümern auf, die er auch selbst sammelte und bereitwillig seinen Gästen zeigte, sowie auf hohem Niveau dokumentierte und publizierte. Heute ist seine ehemalige Sammlung jedoch auf zahlreiche Museen verteilt. Dies ist nicht nur der Verkaufspolitik seiner Erben geschuldet, sondern auch der zögerlichen Erwerbspolitik der k.k. Monarchie bzw. dem relativ späten Entstehen großer österreichischer Museen, was wiederum mit der Haltung des Herrscherhauses in Verbindung zu bringen ist [4].
Viele Reisende, die durch Athen kamen, loben das gastfreundliche Haus Prokeschs und die dort herrschende kultivierte Atmosphäre, geprägt von Musik, Dichtung und Antiquitäten. Dies stellte einen besonderen Kontrast zu den Verhältnissen in dem seit 1833 als Hauptstadt des gerade erst selbständig gewordenen Griechenlands fungierenden Athen dar. In gewisser Weise in die Fußstapfen seines Freundes und „Vorgängers“ Georg Christian Gropius (1776–1850) [5] tretend, begleitete Prokesch viele Durchreisende durch Athen und wies sich als Cicerone für die Altertümer in der Hauptstadt und im Umland aus. Zu den prominentesten Persönlichkeiten, denen Prokesch von Osten die Zeugnisse des antiken Griechenlands zeigte, gehört Erzherzog Johann, der 1837 Athen besuchte. Prokesch von Osten hatte den Habsburger 1830 in seiner Heimatstadt Graz kennengelernt und unterhielt mit ihm nach seinem Aufenthalt in Griechenland bis zu seinem Tod im Jahr 1859 einen regen Briefwechsel [6].
Auch in Istanbul [7], wo er ab 1855 als Internuntius und schließlich ab 1867 als Botschafter [8] fungierte, führte er ein gastfreundliches und offenes Haus; dort besuchte ihn neben vielen anderen der Schriftsteller Alexander von Warsberg (1836–1889). Der aus Saarburg bei Trier stammende Warsberg, der bereits in seinen Kindertagen wegen einer väterlichen Verpflichtung nach Graz übersiedelt war, lernte Prokesch von Osten 1863 ebendort kennen. Die beiden Männer verband, obwohl von unterschiedlichem Alter, eine tiefe Freundschaft und die gemeinsame Leidenschaft für den Orient. Warsberg fungierte in späteren Jahren auch als Reisebegleiter Prokeschs und hielt seine Eindrücke in zahlreichen Schriften fest; im Besonderen lobt er dessen immer realistische Einschätzung politischer Vorgänge, obwohl er sehr wohl auch einen Poeten wie er selbst in Prokesch, der ja auch selbst Gedicht verfasste, erkannte [9].
Ebenso wie Warsberg findet auch H. Prückler-Muskau (von dem auch die für den Titel gewählte Charakterisierung der geschliffenen Rhetorik Prokeschs anlässlich eines gemeinsamen Spazierganges über die Pnyx stammt) mehr als lobende Worte für A. Prokesch von Osten, die vielleicht auch uns über eine weltoffene Gesinnung reflektieren lassen: „ …und das Genie ehrt er [Prokesch], es finde sich unter dem Turban oder der Perücke [10].“

Weitere Informationen
Anton Prokesch von Osten – Sammler, Gelehrter und Vermittler zwischen den Kulturen
20.–22. Oktober 2016
Tagungsort: Kunsthaus Graz, Lendkai 1, 8020 Graz
Teilnahme kostenlos, Anmeldung erwünscht: prokesch@uni-graz.at.
http://prokesch.uni-graz.at

[1] Aus den letzten Jahren ist allen voran die große Monographie von Daniel Bertsch zu nennen: D: Bertsch, Anton Prokesch von Osten: (1795–1876). Ein Diplomat Österreichs in Athen und an der Hohen Pforte, Beiträge zur Wahrnehmung des Orients im Europa des 19. Jahrhunderts (München 2005). Bereits der Untertitel lässt die Bedeutung des Diplomaten erkennen, dessen Einstellung gegenüber dem Orient kaum zeitgemäßer sein könnte. Vgl. auch M. as-Sayyid Omar, Anton Prokesch-Osten. Ein österreichischer Diplomat im Orient, Studien zur Geschichte Südosteuropas 11 (Frankfurt u. a. 1993). – Sowohl die Tagebücher und weitere Schriften aus dem Nachlass von Anton Prokesch von Osten, verwahrt im Österreichischen Staatsarchiv, als auch zahlreiche weitere, verstreut verwahrte Archivalien sind kaum aufgearbeitet bzw. unpubliziert. Einige an Prokesch gerichtete, in Leiden verwahrte Briefe wurden jüngst vorgelegt; J. Schmidt, Catalogue of Turkish Manuscripts in the Library of Leiden University and other Collections in the Netherlands (Leiden 2012).
[2] W. Höflechner – A. Wagner (Hrsg.), Joseph von Hammer-Purgstall. Erinnerungen und Briefe, Publikationen aus dem Archiv der Universität Graz 41,1 (Graz 2011) 210. J. von Hammer-Purgstall und Prokesch von Osten vertraten verschiedene Ansichten, der erstere erkennt lediglich einen Günstling Metternichs in dem Vertreter der Monarchie in Griechenland und in der Türkei. Zu den diplomatischen und politischen Zielen von Prokesch von Osten, im Besonderen in seiner Athener Zeit, s. A. Moutafidou, Anton Prokesch-Osten and the Kingdom of Greece, in: H. Kröll (Hrsg.), Austrian-Greek Encounters over the Centuries (Innsbruck, Wien, Bozen 2007) 117–126.
[3] Anton Prokesch von Osten wurde an der Universität Graz im Jahre 1868 zum Dr. phil. h.c. promoviert; freundliche Auskunft A. Kernbauer; die entsprechenden Unterlagen befinden sich im Archiv der Universität Graz.
[4] 1853 erwarb beispielsweise Ludwig von Bayern den sog. Apollo von Tenea von Prokesch für die Münchner Glyptothek, nachdem Wien einen Ankauf abgelehnt hatte. – Zu den spät einsetzenden Erwerbungen Österreichs, unabhängig von Material und Auffindungsort, s. H. Szemethy, Archaeology and Cultural Politics: Ottoman-Austrian Relations, in: Z. Bahrani – Z. Celik – E. Eldem (Hrsg.), Scramble for the Past. A Story of Archaeology in the Ottoman Empire, 1753–1914 (Istanbul 2011) 331–375.
[5] Ch. Callmer, Georg Christian Gropius als Agent, Konsul und Archäologe in Griechenland 1803–1850 (Lund 1982).
[6] A. Schlossar (Hrgs.), Briefwechsel zwischen Erzherzog Johann Baptist von Oesterreich und Anton Graf von Prokesch-Osten: nebst Auszügen aus den Tagebuchblättern des Erzherzogs Johann über seinen Aufenthalt in Athen im November 1837 (Stuttgart 1898).
[7] Konstantinopel/Istanbul hatte Prokesch bereits zuvor mehrfach besucht. Seine beiden Hauptwirkungsbereiche konnten unterschiedlicher nicht sein. Von seinem ersten Aufenthalt in Konstantinopel schrieb er an J. Schneller: „…kam ich endlich in der Hauptstadt an deren erster unbeschreiblich majestätischer Anblick mir alle überstandene Leiden und Gefahren schnell vergessen machte. […] Wie die Kleidung des Europäers gegen die des Morgenländers arm und eng ist so verhalten sich alle Hauptstädte die ich bis jetzt sah zu Konstantinopel.“; E. Münch (Hrsg.), Briefwechsel zwischen Julius Schneller und seinem Pflegesohne Prokesch. Aus Schnellers hinterlassenen Papieren (Leipzig, Stuttgart 1834) 93f.
[8] Zur Entwicklung der österreichischen Vertretung inklusive der baulichen Ressourcen in Konstantinopel/Istanbul s. R. Agstner, „Auf solche Art wird dann der Allerhöchste Hof sich zum erstenmale im Besitz eines Gesandtschaftsgebäudes zu Konstantinopel befinden.“, in: R. Agstner – E. Samsinger (Hrsg.), Österreich in Istanbul (Berlin u. a. 2010) 19–108.
[9] M. von Meysenbug, Memoiren einer Idealistin 2: http://gutenberg.spiegel.de/buch/memoiren-einer-idealistin-zweiter-band-5667/22.
[10] H. von Prückler-Muskau, Südöstlicher Bildersaal (Stuttgart 1968) 125.

© Elisabeth Trinkl, Karl Peitler
e-mail: elisabeth.trinkl@uni-graz.at, karl.peitler@museum-joanneum.at

This article should be cited like this: E. Trinkl - K. Peitler, „… der wie Demosthenes selbst spricht“ – Ein fächerübergreifendes Symposium anlässlich des 140. Todestages von Anton Prokesch von Osten, Forum Archaeologiae 80/IX/2016 (http://farch.net).



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