Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 64 / IX / 2012

OH LANDLEBEN, BESCHWERLICH UND SÜSS - DAS LEBEN AUF VILLEN UND GUTSHÖFEN IM RÖMISCHEN GERMANIEN
Rezension zu U. Heimberg, Villa rustica. Leben und Arbeiten auf römischen Landgütern

U. Heimberg, Villa rustica. Leben und Arbeiten auf römischen Landgütern
(Darmstadt 2011)
Hardcover, 176 S., 119 tlw. farbige Abbildungen und Rekonstruktionszeichnungen
WBG Darmstadt
Preis: 24,90 Euro

Die Beschäftigung mit römischen Villen und römischer Landwirtschaft hat in den letzten Jahrzehnten, vor allem durch Neuentdeckungen wie etwa im Hambacher Forst, nicht nur in Deutschland einen enormen Aufschwung erlebt, so dass es nur eine Frage der Zeit war, bis ein Überblickswerk zu diesem Thema erscheinen würde. Der Titel des vorliegenden Buches legt dabei nahe, dass es sich nicht nur um eine Aufzählung von Villen selbst handelt, sondern dass auch die Menschen, die auf den Landgütern lebten und arbeiteten, im Vordergrund stehen.

Gegliedert ist das Buch in ein Vorwort (S. 7f.), eine Einführung (S. 9-16), vier Unterkapitel (I. Villa rustica – Landwirtschaft im Jahreslauf (S. 17-50); II. Haus und Garten (S. 51-86); III. Feld- und Ackerbau (S. 87-138); IV. Weinanbau und –herstellung (S. 139-155), ein Resümee (Römische Landwirtschaft – Rückständigkeit oder Innovation?, S. 156-159), eine Bibliographie (S. 160-168), ein Register (S. 169-174) und einen Bildnachweis (S. 175f.).
Im Vorwort wird auf die Bedeutung der Landwirtschaft als „existenzielle Grundlage jeder Gesellschaft“ (S. 7) hingewiesen und kurz auf die Inhalte des Buches eingegangen. Hier wird auch festgehalten, dass „im Mittelpunkt […] die Ausgrabungen und Funde in den römischen Rheinprovinzen“ (S. 8) stehen. Ein derartiger Zusatz oder Hinweis wäre auch beim Titel des Buches wünschenswert gewesen.

In einer kurzen allgemeinen Einführung (S. 9-16) behandelt Heimberg die Bedeutung der Landwirtschaft in der römischen Antike sowie landwirtschaftliche Produktion bzw. Werkzeuge und nennt als wichtigste Quellen dafür die lateinischen Agrarschriftsteller Vergil, Plinius und Columella; später (in Kap. I.2) werden noch Cato, Varro und Palladius erwähnt.
Wünschenswert wäre in diesem Fall ein Hinweis auf die Untersuchungen von Th. Pekarys [1] zum Realitätsgehalt und der Bedeutung derselben für die Bevölkerung der römischen Provinzen gewesen (zumal der Sammelband, in welchem sich dieser Artikel befindet, gleich zu Beginn der angeführten Überblickswerke in der Bibliographie angeführt ist).
Kapitel I „Villa rustica – Landwirtschaft im Jahreslauf“ beginnt mit dem Unterkapitel „I.1 Römische Villen zwischen Rhein und Maas“ (S. 17-28). Am Beginn steht die Definition des Begriffes villa bzw. villa rustica als Bauern- oder Gutshof, die – wahrscheinlich aus Platzgründen – nur unvollständig bleibt [2]. Zu Recht wird die ökonomische Bedeutung der villae als „Unternehmen, das mit abhängigen Arbeitskräften und rationalisierten Methoden Überschüsse produziert und diese am Markt verkauft“ (S. 17) hervorgehoben.
Bei der Frage nach den Vorläufern der villae verweist Heimberg auf die italische Tradition (S. 22), streicht aber hervor, dass die Villen in den Nordwestprovinzen nicht mehr als den Namen mit den römischen Villen in Italien gemeinsam haben. In Gallien und Germanien gehen die späteren römischen villae (über den Zwischenschritt der sog. Protovilla [3]) wohl auf einheimische, latènezeitliche Landgutformen zurück; allerdings lässt sich diese Entwicklung nicht verallgemeinern, da diese Entwicklung etwa für Noricum – wohl auch aufgrund des Forschungsstandes - nicht nachzuvollziehen ist. Ein Thema, das auch noch nicht völlig ausdiskutiert ist, ist die (mögliche) gallische Herkunft der Axialhofanlagen (S. 25), hier gibt es in der Forschung noch divergierende Ansätze [4].
Abgesehen von diesen kleineren Kritikpunkten ist das Buch aber sehr ansprechend. Die Behandlung nicht nur von literarischen Nachrichten sondern auch von archäologischem Fundmaterial inkl. archäozoologischer und archäobotanischer Quellen vermittelt ein lebendiges Bild des Landwirtschaftssektors und den Landlebens zu römischer Zeit.
Besonders hervorzuheben ist Kapitel II „Haus und Garten“, das mit der Beschreibung von Herden und anderen Ofenanlagen, Schlösser/Riegeln, Brunnen und Pumpen sowie Gartenbau einen guten Überblick über „Installationen“ auf einem Gutshof gibt, die ansonsten gerne übersehen werden. Gerade aber Öfen und Brunnen sind als Grundlagen für die Ernährung und Bewirtschaftung einer jeden Ansiedlung unerlässlich.
Kapitel III „Feld- und Ackerbau“ ist entsprechend den Arbeitsschritten bei der Getreideproduktion aufgebaut: Pflügen/Eggen, Düngen, Aussaat und Pflege der Felder, Ernte, Dreschen/Worfeln, Lagerung/Kornspeicher, Messen/Wiegen, Mahlen des Getreides (Mühlen) und Transport zum Abnehmer mittels Wagen. Neben der großen Gruppe der Agrarwerkzeuge, die durch zahlreiche Funde illustriert sind, kommt auch die Agrartechnik (Erntemaschine, Mühlen) nicht zu kurz.
Ein weiterer Punkt der Agrartechnik, Pressen für Wein (bzw. Öl), werden in Kap. IV „Weinanbau und –herstellung“ näher beschrieben. Diese Kapitel hat sein Vorkommen wohl auch der heutigen großen Rolle des Weinanbaus in der Rhein- und Maasregion zu verdanken.
Das abschließende Resümee „Römische Landwirtschaft – Rückständigkeit oder Innovation?“ zeichnet noch einmal ein realistisches Abbild der Lebens- und Arbeitsbedingungen auf einem römischen Gutshof und rückt das Bild der älteren Forschung von der Rückständigkeit der damaligen Landwirtschaft zurecht: „Dass die spezialisierten römischen Werkzeugformen, verschiedene Agrargeräte und Agrartechniken nicht gar so nutzlos gewesen sein können, beweist schon die Tatsache, dass die meisten bis zur Industrialisierung im 19. Jahrhundert mit nur geringen Veränderungen in Gebrauch blieben – also über eineinhalb Jahrtausende.“ (S. 159).

[1] Th. Pekary, Die römischen Agrarschriftsteller und die nördlichen Provinzen, in: H. Bender – H. Wolff (Hrsg.), Ländliche Besiedlung und Landwirtschaft in den Rhein-Donau-Provinzen des Römischen Reiches, Vorträge eines Internationalen Kolloquiums vom 16.-21. April 1991, PUA 2 (Espelkamp 1994) 65-72.
[2] Zur genaueren Definition von „villa“ siehe J. Percival, The Roman Villa. An Historical Introduction (London 1976) 13-15 bzw. H. Mielsch, Die römische Villa. Architektur und Lebensform (München 1987) 8f.
[3] Siehe dazu auch U. Heimberg, Römische Villen an Rhein und Maas, BJb 202/203, 2002/2003, 57-148.
[4] Siehe dazu auch der in Druck befindliche Tagungsband zur Tagung „Die römischen Großvillen vom Axialtyp“, Internationale Tagung 26.-28.3.2009 im Archäologiepark Römische Villa Borg.

© Susanne Lamm
e-mail: susanne.lamm@uni-graz.at

This article should be cited like this: S. Lamm, Oh Landleben, beschwerlich und süß - Das Leben auf Villen und Gutshöfen im römischen Germanien. Rezension zu U. Heimberg, Villa rustica. Leben und Arbeiten auf römischen Landgütern, Forum Archaeologiae 64/IX/2012 (http://farch.net).



HOME