Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 52 / IX / 2009

DAS MAUSOLEUM VON BARTRINGEN (LUXEMBURG)
Zur Rekonstruktion eines frühkaiserzeitlichen Grabbaues der Gallia Belgica

Résumé
Des fouilles de sauvetage menées entre 1997 et 2003 par le Musée national d'Histoire et d'Art Luxembourg (MNHA) sous la direction de Jean Krier ont mis au jour l'ensemble de la pars rustica d'un grand domaine rural gallo-romain à Bertrange-«Bourmicht». Dans les fortifications de la 2e moitié du 3e s. ap. J.-Ch. se trouvaient plus de 200 blocs et des centaines de fragments en remploi qui proviennent d'un mausolée monumental d'époque tibérienne. La documentation et l'analyse minutieuse de ces blocs et fragments ont rendu possible la reconstruction de différents éléments de construction tels deux frises à rinceaux distincts, une scène de combat en relief, une voûte en berceau avec archivolte à rinceau, des colonnes ainsi que des colonnes engagées d'ordre corinthien, deux séries de pilastres d'angle, un tambour décoré et un toit conique à écailles. La reconstitution théorique de ces éléments mène à un monument à trois étages d'une hauteur d'au moins 16,30 m, composé d'un socle à plan rectangulaire, d'un édicule prostyle tetrastyle abritant les statues des défunts dans une niche cintrée ouverte et d'une petite tholos à colonnes engagées. Ce monument suit la tradition hellénistique des «mausolées-tours» tel le monument des Iulii à Saint-Rémy-de-Provence ou le mausolée récemment découvert à Faverolles. Des éléments architectoniques à scènes de combat datant du 1er s. ap. J.-Ch. ont été récupérés à plusieurs reprises dans la région rhénane et mosellane et suggèrent que le monument de Bertrange n'était pas isolé. Toutefois nous sommes en présence de l'exemple le plus ancien actuellement connu de ce type de monuments. Le mausolée était apparemment destiné au propriétaire de la villa qui se trouvait près de la route menant de Reims à Trèves, à 50 km environ de la métropole Augusta Treverorum.


In den Jahren 1997-2003 legte eine Notgrabung des Musée national d'Histoire et d'Art Luxembourg (MNHA) unter der Leitung von Jean Krier in Bartringen, auf der Flur "Burmicht", den Wirtschaftshof einer umfangreichen ländlichen Domäne frei [1]. Es wurden insgesamt neun von ursprünglich wohl zehn Nebengebäuden freigelegt, die axialsymmetrisch um einen rund 88 x 245 m großen Innenhof angelegt waren. Der Bereich des Herrenhauses hingegen ist lediglich anhand von Luftbildern sowie geomagnetischen und geoelektrischen Untersuchungen bekannt und steht heute unter Denkmalschutz. Die während der Ausgrabungen geborgene Keramik und die Münzen zeigen eine Nutzung der Anlage von der augusteischen Zeit bis an die Wende vom 4. zum 5. Jahrhundert n.Chr. an. Den Platz belegte in der Folge eine fränkische Adelsnekropole (2. Hälfte 6. und 7. Jahrhundert) [2].
Unter den in mehrfacher Hinsicht außergewöhnlichen Funden dieser Grabung [3] befanden sich mehr als 200 Blöcke und Hunderte von Fragmenten aus Lothringer Kalkstein mit reicher Ornamentik, die in Zweit- bzw. Drittverwendung in den Befestigungsanlagen der 2. Hälfte des 3. Jahrhunderts verbaut waren. Bereits im Anfangsstadium der Freilegung erkannte der Leiter der Ausgrabungen die Zugehörigkeit eines Großteils der Werksteine zu einem repräsentativen Bauwerk der frühen Kaiserzeit [4] und veranlasste die Aufarbeitung dieses Fundes.
Es sollte ein Rekonstruktionsvorschlag erarbeitet werden, der als Grundlage für die museale Präsentation des für die Region zweifellos bedeutsamen Monumentes dienen kann. Die folgenden Grundsätze sind dabei streng berücksichtigt worden: Ausgangspunkt sind in erster Linie die erhaltenen Blöcke und die an ihnen ablesbaren Hinweise auf Form, Maße und Zusammenhang der Architekturglieder. Wegen des lückenhaften Bestandes muss zusätzlich auf die Grundregeln des antiken Architekturkanons zurückgegriffen werden, die auch für provinziale, an der antiken Architektur des Mittelmeerraums orientierte Bauten bis zu einem gewissen Grad gültig waren. Erst in dritter Linie werden vergleichbare Monumente für die Interpretation von Einzelteilen und die Rekonstruktion des architektonischen Zusammenhangs per Analogie herangezogen. Die so gewonnenen Erkenntnisse lassen für die Rekonstruktion des Gesamtaufbaus noch immer einen gewissen Spielraum. Dieser Tatsache wird Rechnung getragen, indem verschiedene Möglichkeiten zeichnerisch umgesetzt und als Rekonstruktionsvarianten zur Diskussion gestellt werden.
Die Auswahl der Varianten und deren relative Wahrscheinlichkeit wird im Text ausführlich argumentiert und kann an dieser Stelle nicht im Detail erläutert werden. Der an den verschiedenen Baugliedern unterschiedlich stark hypothetische Charakter der ergänzten Formen geht aus der Rekonstruktionszeichnung allein nicht hervor, sondern erschließt sich erst durch das Studium der erhaltenen Elemente. Aus diesem Grund wird in der Publikation auf die exakte Dokumentation des Erhaltenen großen Wert gelegt.

Aus den vorhandenen Blöcken und Fragmenten können einzelne Bauteile rekonstruiert werden, zu deren Form und Maßen wir genügend Anhaltspunkte besitzen. Dazu gehören etwa die Teile eines mehrfigurigen Reliefs mit Reiterkampfszene, zweier verschiedener Rankenfriese mit jeweils unterschiedlichem Dekor der Vorder- und der Nebenseiten, eines Tonnengewölbes mit ornamentiertem Stirnbogen, zweier verschiedener Eckpilasterstellungen, einer freistehenden Säulenstellung sowie einer Halbsäulengliederung, eines reliefdekorierten Tambours und eines kegelförmigen Schuppendachs. Die Zusammenfügung und Ergänzung dieser Bauteile in Form einer Rekonstruktionszeichnung (Abb. 1) und eines 3D-Modells (Abb. 2) fand unter Berücksichtigung aller formalen und technischen Anhaltspunkte an den Originalteilen sowie der statischen Notwendigkeiten statt.

Das daraus resultierende Monument ist ein mindestens 55 römische Fuß (rund 16,30 m) hoher dreistöckiger Bau, dessen am besten erhaltene und geographisch nächstgelegene Parallele das sog. Iuliermonument von Saint-Rémy-de-Provence ist [5]. Auf einem architektonisch gerahmten rechteckigen Sockel mit Reliefdekor erhebt sich eine prostyle tetrastyle Aedicula mit einer nach vorne offenen, durch ein kassettiertes Tonnengewölbe überspannten Nische. Hier waren aller Wahrscheinlichkeit nach die Porträtstatuen der Verstorbenen aufgestellt. Oberhalb dieses Hauptgeschosses folgt ein durch Halbsäulen gegliederter, reliefdekorierter Tambour, der mit einem kegelförmigen Schuppendach abschließt.

Die erhaltene Platte des Sockelreliefs zeigt einen besonders eindrucksvollen Ausschnitt aus einer Kampfszene (Abb. 3): Ein neben seinem verletzten Pferd knieender römischer Soldat fasst den eben abgetrennten Kopf eines am Boden zwischen Waffen hingestreckten Barbaren am Schopf und hat seinen Torques bereits als Beute an sich genommen. Ausschnitte vergleichbarer Reiterkampfdarstellungen sind im Rhein- und Moselgebiet mehrfach bekannt, so beispielsweise in Koblenz, Arlon und Luxemburg, und wurden bislang in die 2. Hälfte des 1. Jahrhunderts n.Chr. datiert [6]. Die aufwändig ausgeführten und mit dionysischen Elementen bereicherten Rankenfriese (Abb. 4) gehen in einzelnen Details auf südgallische und italische Vorbilder zurück, lassen aber in Stil und Ausführung deutlich ihre provinziale Entstehung erkennen.

Die Wände der bekrönenden Tholos waren mit mythologischen Figuren, wahrscheinlich tanzenden Mänaden (Abb. 5), geschmückt. Stil und Ausführung der Reliefs und der Bauornamentik lassen auf eine Entstehungszeit des Monumentes in den 20er- oder 30er-Jahren des 1. Jahrhunderts n.Chr. schließen. Es fügt sich in das Umfeld tiberisch datierter Denkmäler des gallisch-germanischen Raums ein, wie etwa der frühen rheinischen Grabstelen [7], des sog. Siegespfeilers in Nijmegen [8] oder des sog. Nautenpfeiles in Paris [9].
Mit dem Monument von Bartringen konnte ein monumentaler Grabbau wiedergewonnen werden, der sowohl hinsichtlich seiner frühen Zeitstellung als auch hinsichtlich seines dreistöckigen Aufrisses bislang ohne direkte Parallele in den nördlichen Provinzen ist. Erst seit Bekanntwerden des Mausoleums von Faverolles [10] kann mit derartigen Bauten auch außerhalb des Mittelmeerraums gerechnet werden. Zahlreiche erhaltene Einzelteile großer Grabbauten der frühen Kaiserzeit im Rhein- und Moselgebiet weisen aber darauf hin, dass das Bartringer Monument wohl kein Einzelfall war. Für die chronologische und kulturhistorische Einordnung und für die Rekonstruktion derartiger Monumente eröffnen sich anhand der vorliegenden Ergebnisse nun neue Perspektiven.
Der Errichter des Grabbaues von Bartringen dürfte mit dem Besitzer der Villa identisch sein. Diese liegt in der Nähe der römischen Fernstraße von Reims nach Trier, in rund 50 km Entfernung zur Metropole Augusta Treverorum - Trier. Ob an diesem Platz eine in die Zeit vor den Gallischen Kriegen zurückreichende bruchlose Siedlungskontinuität bestand, muss anhand der Grabungsbefunde geklärt werden. Die Nähe zu den Fundstellen der treverischen Adelsgräber von Goeblingen-Nospelt [11] lässt eine Kontinuität der Besiedlung an diesem Standort von der Spätlatènezeit in die frühe Kaiserzeit möglich erscheinen. Nicht nur der Bestattungsritus sondern auch die gewählte Architekturform machen aber einen Bruch im Identitätsbewusstsein der hier ansässigen Bevölkerung sichtbar, der sich innerhalb weniger Generationen vollzogen haben muss. Die "Symbolsprache" des Monumentes von Bartringen erlaubt derzeit den Rückschluss, dass der Grabinhaber eine militärische Vergangenheit hatte. Der Inhalt der Darstellung und die Form des Grabdenkmals lassen dabei keinen Zweifel daran aufkommen, dass er auf der römischen Seite engagiert war. Die Zeitstellung des Monumentes legt die Vermutung nahe, dass der Verstorbene noch an den römisch-treverischen Auseinandersetzungen der 20er-Jahre teilgenommen haben könnte. Wahrscheinlich erfuhr seine militärische Laufbahn einen krönenden Abschluss, indem er in der Nähe seines Wohnsitzes eine ehrenvolles Priesteramt annahm. Darauf lässt der Rest der Porträtstatue schließen, die einen Mann in römischer Toga, capite velato zeigt. Einen ähnlichen cursus honorum kennen wir aus dem 2. Jahrhundert n.Chr. beispielsweise für den Besitzer der nahe gelegenen luxuriösen Villa in Mersch "op Mies", der seiner militärischen Karriere eine zivile folgen ließ [12].

DAS FRÜHKAISERZEITLICHE MAUSOLEUM VON BARTRINGEN (LUXEMBURG)
Gabrielle Kremer
mit einem Beitrag von Jean Krier
Luxembourg, Musée national d’histoire et d’art, 2009
(Dossiers d’archéologie du Musée national d’histoire et d’art XII)
(Publications du Musée national d’histoire et d’art Luxembourg 7)
240 Seiten, 323 Abbildungen, 6 Faltpläne
ISBN 978-2-87985-053-5
30 € (plus Versandkosten)

[1] Zusammenfassende Darstellung des Grabungsbefundes durch J. Krier im ersten Kapitel der hier vorgestellten Publikation: G. Kremer, Das frühkaiserzeitliche Mausoleum von Bartringen (Luxemburg). Mit einem Beitrag von Jean Krier, Dossiers d'Archéologie du Musée national d'Histoire et d'Art 12 (Luxembourg 2009).
[2] M. Schulze-Dörrlamm, JbRGZM 47, 2000, 758-760 Abb. 46.
[3] Siehe unter anderem J. Krier, Vom frühkaiserzeitlichen Mausoleum zur fränkischen Adelsnekropole. Sensationelle Funde auf dem Gelände einer römischen Palastvilla in Bartringen (Luxemburg), AW 29, 1998, 554; ders., Grandes découvertes à Bertrange-'Bourmicht', Musée Info. Bulletin d'information du Musée National d'Histoire et d'Art Luxembourg 13, février 2000, 1f. 6-9; ders., Poursuite de la fouille de sauvetage à Bertrange-Bourmicht, Musée Info. Bulletin d'information du Musée National d'Histoire et d'Art Luxembourg 14, mars 2001, 42f.; ders., Erfolgreicher Abschluss der Ausgrabungen in Bartringen-"Burmicht", Musée Info. Bulletin d'information du Musée National d'Histoire et d'Art Luxembourg 17, décembre 2004, 50f.
[4] Siehe unter anderem J. Krier, Un mausolée de l'époque tibérienne à Bertrange (Grand-Duché de Luxembourg), in : Walter (Hrsg.), La sculpture d'époque romaine dans le nord, dans l'est des Gaules et dans les régions avoisinantes: acquis et problématiques actuelles, Actes du Colloque international à Besançon 1998 (Paris 2000) 49-58. 273-277 ; ders., Ein neuer Reliefblock aus Bartringen und die Grabmonumente mit Reiterkampfdarstellungen an Mosel und Rhein, in: P. Noelke u. a. (Hrsg.), Romanisation und Resistenz in Plastik, Architektur und Inschriften der Provinzen des Imperium Romanum. Neue Funde und Forschungen, Akten des 7. internationalen Kolloquiums über Probleme des provinzialrömischen Kunstschaffens Köln 2001 (Mainz 2003) 255-263; ders., Le mausolée de Bertrange et les monuments funéraires du Ier siècle ap. J.-C. en région mosellane, in: J.-Ch. Moretti - D. Tardy (Hrsg.), L'architecture funéraire monumentale. La Gaule dans l'Empire Romain (Paris 2006) 435-444.
[5] H. Rolland, Le mausolée de Glanum (Saint-Rémy-de-Provence), Gallia suppl. 21 (Paris 1969) ; F. Gateau - O. Colas, Carte archéologique de la Gaule 13/2: Les Alpilles et la Montagnette (Paris 1999) 276-285 (mit ausführlicher Bibliographie).
[6] H. Gabelmann, Römische Grabmonumente mit Reiterkampfszenen im Rheingebiet, BJb 173, 1973, 132-200; J. Krier - F. Reinert, Das Reitergrab von Hellingen. Die Treverer und das römische Militär in der frühen Kaiserzeit (Luxemburg 1993) 71-79.
[7] M. Schleiermacher, Römische Reitergrabsteine. Die kaiserzeitlichen Reliefs des triumphierenden Reiters (Bonn 1984); W. Boppert, Römische Steindenkmäler aus Worms und Umgebung, CSIR Deutschland II 10. Germania superior (Mainz 1998).
[8] T. Panhuysen, A propos du pilier tibérien de Nimègue, in: H. Walter (Hrsg.), La sculpture d'époque romaine dans le nord, dans l'est des Gaules et dans les régions avoisinantes: acquis et problématiques actuelles, Actes du Colloque international à Besançon 1998 (Paris 2000) 9-19 Taf. 1-4 ; ders., De romeinse godenpijler van Nijmegen, Museumsstukken 8 (Nijmegen 2002).
[9] F. Saragoza, Le pilier des nautes. Redécouverte d'une œuvre, Archéologia 398, mars 2003, 15-26; H. Lavagne, Le pilier des nautes, in: Lutèce. Paris de César à Clovis, Kat. Musée Carnavalet et Musée National des Thermes et de l'Hôtel de Cluny (1984) 275-298 Abb. 167-182; J.-P. Adam, Le pilier des nautes, essai de restitution, ebenda 299-307 Abb. 183-186.
[10] S. Février, Description du décor architectonique du mausolée de Faverolles et données métrologiques, in: J.-Ch. Moretti - D. Tardy (Hrsg.), L'architecture funéraire monumentale. La Gaule dans l'Empire Romain (Paris 2006) 377-386 ; S. Deyts, La décoration architectonique du mausolée de Faverolles, ebenda 387-394.
[11] J. Metzler, Goeblange-Nospelt : une nécropole aristocratique trévire, Dossiers d'archéologie du Musée National d'Histoire et d'Art 13 (Luxembourg 2009).
[12] CIL XIII 4030; J. Krier - L. Schwinden, Die Merscher Inschrift CIL XIII 4030, TrZ 37, 1974, 123-147; G. Kremer, Der Grabbau eines flamen aus Mersch (Luxemburg), in: E. Walde u.a. (Hrsg.), Die Selbstdarstellung der römischen Gesellschaft in den Provinzen im Spiegel der Steindenkmäler, Akten des 9. internationalen Kolloquiums über Probleme des provinzialrömischen Kunstschaffens Innsbruck 2005 (Innsbruck 2007) 143-158.

© Gabrielle Kremer
e-mail: Gabrielle.Kremer@oeaw.ac.at


This article should be cited like this: G. Kremer, Das Mausoleum von Bartringen (Luxemburg). Zur Rekonstruktion eines frühkaiserzeitlichen Grabbaues der Gallia Belgica, Forum Archaeologiae 52/IX/2009 (http://farch.net).



HOME