Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 48 / IX / 2008

DIE SKULPTURENAUSSTATTUNG DES C. LAECANIUS BASSUS NYMPHAEUM IN EPHESOS [1]

1. Lage und Architektur des Nymphaeum

Das Nymphaeum des C. Laecanius Bassus wurde von 1960 bis 1964 durch Fritz Eichler und Gerhard Langmann freigelegt [2]. Es liegt an der Südwest-Ecke des Staatsmarktes von Ephesos (Abb. 1) und ist auf die im Westen vorbei führende Domitiansgasse orientiert.


Der Bauplatz war durch ältere Bauten und Straßenzüge vorgegeben: So verliefen im Süden die Magnesische-Straße und im Westen die Domitiansgasse, im Norden befand sich die Südhalle des Staatsmarktes und auf der Ostseite Gebäude hellenistisch-römischer Zeit. Die Identifizierung des Bauwerks als Nymphaeum des C. Laecanius Bassus erfolgte aufgrund einer Inschriftenbasis (Abb. 2), die in der Domitiansgasse auf Höhe des Gebäudes bereits 1960 zu Tage kam [3]. Die Basis trägt an der Vorderseite eine Inschrift, in welcher als für die Errichtung zuständiger Prokonsul C. Laecanius Bassus genannt wird. Sie stand, verbunden mit den Brüstungsplatten des Schöpfbeckens, in dessen Nordwest-Ecke. Auf der Oberseite war eine bisher nicht aufgefundene Deckplatte befestigt, die einerseits die Ehrenstatue des C. Laecanius Bassus, andererseits den Anfang der griechischen Inschrift trug. Diese lautet fogendermaßen:

"(Rat und Volk ehren den) Gaius Laecanius Bassus, den gewesenen Proconsul, der der Polis viele Wohltaten erwiesen hat und Vorsorge getroffen hat, dass ein Schöpfbrunnen und die Wasserzuleitung dorthin gebaut werde; die Aufstellung der Ehrungen besorgte Lucius Herennius Peregrinus, der Untadelige und Freund der Artemis, Sekretär der Volksversammlung zum zweiten Male, zur Abstimmung gebracht und hergestellt wurden sie durch Flavius Asklepiodoros, Sekretär der Volksversammlung". (Übersetzung: Hans Taeuber)

Gaius Laecanius Bassus übte das Amt des Statthalters 78/79 n.Chr. aus, damit im letzten Regierungsjahr Vespasians (1.Juli 69-23.Juni 79 n.Chr.). Ehreninschrift und Statuenaufstellung sind nach Beendigung des Prokonsulats zwischen dem 23. September 79 und dem 23. September 80 n.Chr. anzusetzen, also am Beginn der Regierungszeit des Kaisers Titus (24. Juni 79-13. September 81 n.Chr.). Aus der Inschrift geht klar geht hervor, dass es sich bei Gaius Laecanius Bassus nicht, wie immer wieder behauptet, um den Stifter handelte, sondern um den mit der Administration betrauten Leiter des städtischen Bauvorhabens. Die Verdienste des Kaisers und seines Prokonsul liegen in der Bewilligung und Förderung des Bauvorhabens. Als Dank dafür erhielt C. Laecanius Bassus von der Stadt mehrere Ehrenstatuen, mindestens eine war Teil der Brunnenausstattung.

Der Brunnen (Abb. 3) [4] stellt das früheste bisher bekannte Fassadennymphaeum dar [5]. Dieser Bautypus zeichnet sich dadurch aus, dass ein Wasserbecken an drei Seiten von meist mehrstöckigen Tabernakelfassaden umgeben wird, wobei die der Hauptfassade gegenüber liegende Seite offen bleibt. Diese Öffnung einerseits und die Nicht-Überdachung von Fassadennymphaeen andererseits, ermöglichen es erst die Fassaden mit ihrem Schmuck wahrzunehmen. Rein funktional diente die offene Seite des Beckens, dem wie beim Bassus-Nymphaeum auch ein schmales Schöpfbecken vorgelagert gewesen sein konnte, der Wasserentnahme.
Die Seitenfassaden des Bassus-Nymphaeum haben eine Höhe von ca. 10m und sind zweigeschossig, die östliche 16 m hohe Hauptfassade hat als einzige ein drittes Geschoss. Eine Rückwand ist nur für die Hauptfassade, nicht aber für die Seitenfassaden belegt. Jedoch befindet sich in einem geringen Abstand zum nördlichen Seitenflügel die Südhalle des Staatsmarktes, die zumindest im unteren Geschoss den Eindruck einer rückwärtigen Wand hervorgerufen hat [6]. Hinter der Hauptfassade liegt ein schmaler, als Technikraum bezeichneter Bereich, in dem die Wasserzuleitung installiert war.
Als Standorte der Skulpturen sind die Tabernakel und Ädikulen anzusprechen. Während die Hauptfassade sieben Achsen aufweist, besitzen die Seitenfassaden fünf. Insgesamt waren demnach in den Unter- und Obergeschossen 34 Standplätze für Statuen vorhanden. Außer den in den Fassaden platzierten Skulpturen und jener auf der hohen Statuenbasis kommen als Bauplastik Akrotere, Reliefs und Pfeilerfiguren hinzu.

2. Die Skulpturen des Nymphaeum

Die dem Nymphaeum zuzuweisenden Skulpturen wurden nicht in Sturzlage gefunden, sondern waren nach der Zerstörung des Brunnens - angenommen wird ein Erdbeben - teilweise im Becken deponiert bzw. als Baumaterial weiterverwendet worden [7]. Die Fundorte verteilen sich auf das Hauptbecken, den Bereich direkt nördlich des Brunnens, den Bereich der Domitiansgasse auf Höhe des Nymphaeum und auf jenen Teil der Magnesischen-Straße, der im Anschluss an die Südfassade liegt. Die Zuweisung von außerhalb des Beckens gefundenen Stücken erfolgt aufgrund von Anpassungen an Skulpturenfragmente aus dem Becken, und aufgrund der Themenwahl. Für eine Zusammengehörigkeit der Skulpturen sprechen außerdem ihre übereinstimmende formale und stilistische Ausführung sowie eine vergleichbare Bearbeitung der Oberfläche. Diese ist an der Vorderseite mit der Raspel und an der Rückseite mit dem Zahneisen bearbeitet.

Während die Fundorte der Skulpturen keine Hinweise auf ihre Aufstellungsorte im Gebäude geben, liefern solche technische Details am Gebäude und an einigen Statuen. So besitzt der Brunnen an der Rückwand der Hauptfassade Steigleitungen zu den sechs Tabernakeln des ersten und zweiten Geschosses, über die das Nymphaeum mit Wasser versorgt wurde [8]. Wie nun das Wasser von diesen Leitungen ins Becken gelangte, ist an mehreren Skulpturen nachvollziehbar: An diesen sind Vorrichtungen bzw. Einarbeitungen für Zuleitungsrohre vorhanden: Ein liegender Flussgott (Abb. 4) stützt sich mit dem linken Arm auf eine umgestürzte, zur Gänze ausgehöhlte Quellurne, in der das Rohr installiert war [9]. Ferner weisen mehrere Tritone (Abb. 5) an ihren Rückseiten Rinnen zur Aufnahme von wahrscheinlich aus Blei gefertigten Leitungen auf [10]. Diese Einarbeitungen befinden sich immer auf jener Körperseite, an der der Arm in die Höhe gestreckt war. Wahrscheinlich führten die Leitungen zu Attributen wie Muschelhörner, aus denen das Wasser ins Becken strömte.


Da es sich bei allen wasserspeienden Statuen, das sind Flussgötter und Tritone, ausschließlich um Wasser- bzw. Meeresgottheiten handelt, wird als Programm der Hauptfassade ein Meeresthiasos vorgeschlagen. Unterstützt wird diese Hypothese zusätzlich durch die am Sockel der Fassade angebrachten, bisher unpublizierten Reliefs: Diese gehören mit Nereiden, die auf Hippokampen reiten und auf Delphinen reitenden Figuren ebenfalls zu diesem Themenkreis.
Das Vorbild für das Skulpturenprogramm der Hauptfassade könnte, wie bereits von R. Fleischer und anderen vorgeschlagen, ein bei Plinius n.h. 36,4,26 überlieferter Meeresthiasos gewesen sein, der Poseidon und Amphitrite zusammen mit Tritonen und Nereiden wiedergab. Da unter den Meeresgottheiten der ephesischen Brunnenanlage Fragmente eventuell zu einer Poseidonstatue gehörten, andere Tritone, weibliche Wassergottheiten und Hippokampen wiedergeben [11], könnte diese von Plinius beschriebene Gruppe das Programm der Hauptfassade angeregt haben. Außerdem folgt einer der Tritone des Nymphaeum in der Körperhaltung dem sog. Triton Grimani in Berlin, der in der Forschung als Original bzw. Kopie einer Statue der Gruppe in Rom angesehen wird [12]. Die Unterschiede zwischen dem Meeresthiasos in Ephesos und der von Plinius überlieferten Gruppe dürften auf lokale Einflüsse zurückzuführen sein. Vermutlich ist die Hinzufügung der beiden Flussgötter damit zu erklären, dass in diesen jene Flüsse plastisch umgesetzt waren, die den Brunnen auch tatsächlich mit Wasser versorgten [13].
Für die Hauptfassade wird folgende Statuenanordnung vorgeschlagen (Abb. 3). An Standorten mit Leitungsanschluss sind die als Wasserspeier ausgeführten Statuen zu setzen: In den zentralen Tabernakeln des Unter- und Obergeschosses werden die beiden Flussgötter, in den vier seitlichen die Tritone platziert. In den Ädikulen der Hauptfassade werden die vorher vorgestellten Meereswesen angeordnet. Bei gleichen Themen wie den vier Tritonen, zwei auf Hippokampen reitenden Nereiden sowie den beiden Statuen im Typus der Aphrodite Louvre-Neapel [14] wird von einer spiegelsymmetrischen Aufstellung ausgegangen, wobei die zentralen mit den Flussgöttern besetzten Tabernakel die Mittelachse bilden. Das rundplastische Programm wurde durch die Reliefs mit Meereswesen der Sockelzone, sowie die Akrotere, die wahrscheinlich den Hauptgiebel schmückten, ergänzt bzw. gerahmt.

Da in den Seitenfassaden im Gegensatz zur Hauptfassade keine zuverlässige Anordnung der Skulpturen möglich ist, werden in der Folge nur die Themen der Statuen vorgestellt. Diese umfassen Ideal- und Porträtplastik. Prinzipiell muss bei den Skulpturen der Seitenfassaden davon ausgegangen werden, dass sie im Unterschied zu jenen der Hauptfassade nicht als Wasserspeier dienten. So gibt es keine Hinweise dafür, dass die an der Rückseite der Hauptfassade hoch geführten Steigleitungen zu den Seitenfassaden abzweigten, ein Merkmal, das auch bei anderen Nymphaeen nur sehr selten zu beobachten ist [15].
Zur Idealplastik gehört ein Satyr (Abb. 6) und eine Nymphe aus der durch eine kaiserzeitliche Münze überlieferten Gruppe "Aufforderung zum Tanz" [16]. Figuren dieser Gruppe kommen bei Statuenprogrammen von Brunnen öfter vor. Jedoch war meist nur eine Figur dieser Gruppe im Skulpturenprogramm eines bestimmten Bauwerks vertreten. Aus diesem Grund ist die Zuweisung beider Statuen zu einem Bau von Bedeutung, zumal aufgrund der Einzelaufstellungen ein Gruppenzusammenhang auch angezweifelt wurde [17]. Wie die Aufstellung in unserem Nymphaeum nun tatsächlich ausgesehen hat, d.h. ob beide Statuen gemeinsam in einer Ädikula bzw. Tabernakel standen [18], oder aber getrennt an zwei aufeinander folgenden Standorten, ist nicht mehr feststellbar. Jedoch lassen sowohl das Münzbild als auch der aufeinander abgestimmte Aufbau der Figuren nicht daran zweifeln, dass der Satyr links der Nymphe stand.
Zum dionysischen Umkreis gehört außer dieser Gruppe die Statue des sog. Schlafenden Satyr [19]. Er ist aufrecht sitzend, im Moment des Einschlafens wiedergegeben.


Von einer Idealplastik stammt ferner das Fragment eines gesenkten linken Arms (Abb. 7), um den eine Stoffbahn geschlungen ist, an die ein Hund angesetzt ist [20]. Es handelte sich demnach um eine fast unbekleidete Statue in heroischer Pose mit einem Hund an ihrer linken Seite. Wahrscheinlich stellte die Figur Androklos, den mythischen Stadtgründer von Ephesos dar [21]. Wie die auf Androklos bezogene Statue aus dem Vediusgymnasium zeigt [22], die einen Porträtkopf trägt, sind in dieser Weise konzipierte Statuen nicht ausschließlich zur Idealplastik zu zählen, sondern wurden auch für Bildnisstatuen verwendet [23].

Damit folgen die Porträtstatuen, die, wie in vielen anderen öffentlichen Bauten, einen Teil der meisten Statuenprogramme kaiserzeitlicher Nymphaeen bildeten. Als solche sind mit letzter Sicherheit nur zwei männliche Köpfe anzusprechen. Ein unbärtiger Kopf [24] (Abb. 8) zeigt mit einer Kombination von flachen, sichelförmigen Haarsträhnen am Hinterkopf und kleineren, geringelten, voluminösen, das Gesicht rahmenden Locken eine Variante der Anuli Frisur, die vor allem in neronisch-flavischer Zeit auftritt [25]. Damit kann dieser Kopf der Errichtungszeit zugewiesen werden. Möglicherweise ist er auf den bauverantwortlichen Prokonsul C. Laecanius Bassus zu beziehen. Für den zweiten Kopf [26] legen die Gestaltung von Haar und Bart mit kurzen, durch Bohrkanäle getrennten Locken, eine zeitliche Stellung in der 2. Hälfte des 2.Jhs. n.Chr. nahe [27]. Aus diesem Grund kann dieser Kopf nicht zur Erstausstattung des Nymphaeum gehört haben, sondern ist der Skulpturenausstattung erst später hinzugefügt worden. Wie andere Sekundärausstattungen von Nymphaeen von Ephesos nahe legen [28], dürfte dies auf spätantike Veränderungen zurückzuführen sein.


Außer diesen beiden Köpfen kommen folgende Statuen als Bildnisfiguren in Frage: Ein leicht überlebensgroßer männlicher Torso [29] ist in einem heroischen Typus gezeigt - meist als Diomedes Typus bezeichnet - und hat einen nicht erhaltenen Einsatzkopf getragen (Abb. 9). Er ist mit einem Mantel bekleidet, von dem ein Ende um den linken Unterarm geschlungen ist. Ein Schwertband verläuft von der rechten Schulter zur linken Hüfte, das Schwert hielt er in der gesenkten linken Hand. Dieser Bildtypus wurde sowohl für Statuen von Kaisern als auch Privatpersonen, die ihre soldatische virtus in den Vordergrund stellen wollten, verwendet.

Um Porträtstatuen handelte es sich ferner auch bei zwei weiblichen Statuen. Eine (Abb. 10) ist in einem Typus wiedergegeben, der ab der Spätklassik hauptsächlich über Terrakotten und Marmorstatuetten zu erschließen ist [30]. In großem Format überliefert ihn meines Wissens jedoch nur die Statue aus dem Bassus-Nymphaeum in Ephesos. In der Kleinkunst wird der Typus sowohl für Göttinnen als auch Bildnisstatuen verwendet. Die Statue aus dem Bassus-Nymphaeum ist letzterer Gruppe zuzuweisen, da mit dem Tragen von geschlossenen Schuhen ein Merkmal vorhanden ist, das ausschließlich an Porträtstatuen vorkommt.
Die zweite als weibliche Porträtstatue in Frage kommende Figur ist jene im Typus der sog. Hera von Ephesos [31]. Bisher ist für keine Statue dieses Typus ein Porträtkopf mit absoluter Sicherheit überliefert, jedoch könnte der Kopf einer Statue aus Sagalassos durchaus ein Porträt wiedergegeben haben [32]. Darüber hinaus verwendete man gerade den dieser Statue sehr ähnlichen Typus der sog. Hera Borghese in der 2. Hälfte des 1.Jhs. n.Chr. für Bildnisstatuen [33].

Wenn wir nach der Personengruppe fragen, die in den nicht kaiserlichen Männer- und Frauenstatuen wiedergegeben war, kommen, wie bei anderen öffentlichen Bauten, Honoratioren und deren Angehörige in Frage [34]; im speziellen Fall könnten Familienmitglieder des in der Inschrift geehrten Prokonsul C. Laecanius Bassus dargestellt gewesen sein.
Die Standorte der Bildnisstatuen sind wie bei den meisten anderen kaiserzeitlichen Nymphaeen nicht bekannt. Sie konnten beinahe überall in der Fassade, aber auch vor oder innerhalb des Brunnens aufgestellt gewesen sein. Auszuschließen ist jedoch, dass sie als Wasserspeier dienten oder über Wassereinläufen aufgestellt waren. Für letzteren Standort sind nur Wassergottheiten oder Statuen von Kaisern belegt [35]. So stand im Bassus-Nymphaeum in der Mittelnische ein Flussgott (Abb. 4), und im nur kurze Zeit später errichteten Nymphaeum Traiani von Ephesos eine über zwei Geschosse reichende Statue des Kaisers Traian [36].

Die einzige Porträtstatue des Bassus-Nymphaeum, deren Standort bekannt ist, war auf der hohen Basis an der Nordwest-Ecke des vorderen Schöpfbeckens aufgestellt. Aufgrund der an der Vorderseite der Basis angebrachten Inschrift handelte es sich um die Statue des bauverantwortlichen Prokonsul C. Laecanius Bassus. Der separat gefertigten Deckplatte zufolge, handelte es sich um eine Bronzestatue [37]. Eine auf der gegenüber liegenden Seite des Schöpfbeckens rekonstruierte zweite Basis könnte ein Pendant getragen haben. Es stellt sich nun die Frage, welche Person bzw. welcher Amtsträger auf dieser zweiten Basis aufgestellt gewesen sein könnte? Da in der Inschrift nicht nur von einer Statuenehrung für C. Laecanius Bassus die Rede ist, sondern von mehreren, könnte auch auf diesem Sockel eine Statue desselben gestanden sein. In Frage kommt, dass er einmal wie andere private Bildnisstatuen in öffentlichen Gebäuden als römischer Bürger in der Toga und einmal in einem anderen Habitus beispielsweise als Angehöriger des Militärs gezeigt war.
Außer der Möglichkeit C. Laecanius Bassus mehrmals darzustellen, wäre auch an die Statue eines Kaisers zu denken, zumal dieser das Bauvorhaben genehmigt hatte. Es würde sich dabei um die früheste Kaiserstatue in einem Nymphaeum handeln, was aber nicht wirklich überraschen würde, da es sich beim Bassus-Nymphaeum um das früheste Fassadennymphaeum überhaupt handelt. Gegen eine solche Aufstellung spricht aber, dass der Prokonsul und der Kaiser quasi auf gleicher Ebene, ranggleich platziert gewesen wären. Aus diesem Grund und da auch die zentralen Standorte der Hauptfassade bereits belegt sind und für eine Aufstellung nicht in Frage kommen, ferner auch für das nur wenig später errichtete Nymphaeum in Milet in der Erstausstattung keine Kaiserstatue überliefert ist [38], wird davon ausgegangen, dass eine solche nicht zum Programm gehörte. Statuen von Kaisern sind frühestens bei Brunnenbauten traianischer Zeit, wie beispielsweise beim Traiansnymphaeum von Ephesos, nachzuweisen.

3. Aufstellungsdauer der Skulpturen

Die Aufstellungsdauer der Statuen und damit auch der Betrieb des Nymphaeum dauerte bis in die Spätantike. Belegt wird dies dadurch, dass an allen unbekleideten Statuen, das sind Tritone und Satyrn, die Genitalien und bei den Satyrn auch die Schwänzchen abgemeißelt sind (Abb. 4 und 6). Diese in christlicher Zeit durchgeführten Maßnahmen zu denen auch das Bestoßen von Brüsten und Einmeißeln von lateinischen Kreuzen an Skulpturen gehört, findet sich aber nicht nur bei den Skulpturen dieses Brunnens, sondern auch bei vergleichbaren Statuen aller Brunnen in Ephesos und allgemein beim Statuenschmuck öffentlicher Gebäude [39]. Anlass dazu dürften in christlicher Zeit erlassene Gesetze gewesen sein, die darauf abzielten, die in der Kaiserzeit errichteten öffentlichen Gebäude zu erhalten, wobei der Bildschmuck dieser Bauten frei von unerlaubten bzw. unzulässigen Dingen (inlicitis rebus vacuas) sein sollte [40].

4. Zusammenfassung

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das Skulpturenprogramm der Hauptfassade einen Meeresthiasos gezeigt hat und damit einen unmittelbaren Bezug zur Funktion des Gebäudes hatte. Die Statuen der Seitenfassaden setzten sich aus Ideal- und Porträtplastik zusammen, von denen erstere Themen zeigen, die mit dem Element Wasser in Verbindung stehen. Mindestens eine Porträtfigur hat den bauverantwortlichen Proconsul C. Laecanius Bassus gezeigt, die anderen Bildnisstatuen könnten Angehörige desselben und verdiente Personen der Stadt wiedergegeben haben. Eine Zusammenstellung dieser Themen ist auch an vielen anderen kaiserzeitlichen Brunnenbauten wie etwa an dem nur wenig später errichteten Nymphaeum von Milet zu beobachten. Während ab traianischer Zeit in vielen Fällen eine Statue des regierenden Herrschers einen Teil der Erstausstattung bildete, ist eine solche für das Bassus-Nymphaeum in Ephesos ebenso wie für das fast zeitgleiche Nymphaeum in Milet nicht zu belegen. Hinsichtlich des Aufstellungszeitraumes ist von Interesse, dass das hier vorgestellte Statuenprogramm aus der Errichtungszeit des Bassus-Nymphaeum in flavischer Zeit im Laufe der Benutzung des Gebäudes kaum Veränderungen unterlag. Wie die Skulpturenprogramme vieler anderer öffentlicher Bauten, prägte es das Stadtbild von Ephesos noch in der Spätantike.

Kurzzitate:
Aurenhammer 1990 M. Aurenhammer, Die Skulpturen von Ephesos. Idealplastik I, FiE X 1 (1990).
Wiplinger 2006 G. Wiplinger (Hrsg.), Cura Aquarum in Ephesos. Proceedings of the Twelfth International Congress on the history of water management and hydraulic engineering in the Mediterranean region. Ephesus-Selçuk, Turkey, October 2-10 2004 (2006).

[1] Die Skulpturenausstattung des Nymphaeum des C. Laecanius Bassus, die auch eine Studie zu Skulpturenausstattungen kaiserzeitlicher Brunnenanlagen generell umfasst, steht in Druckvorbereitung. Das Projekt wurde durch den FWF (http://www.fwf.ac.at), Projektnummer P16591 gefördert, mit der Leitung ist M. Aurenhammer betraut.
[2] Zur Grabungsgeschichte u.a. F. Eichler Die österreichischen Ausgrabungen in Ephesos im Jahre 1960, AnzWien 1961 (1962) 71f.; Publikationen zum Brunnen und den Skulpturen: E. Fossel - G. Langmann, Grabungen in Ephesos von 1962-1969 bzw. 1970. Nymphaeum des C. Laekanius Bassus, ÖJh 1972-75, Beibl. 301-310; R. Fleischer, 1972-75. Skulpturenfunde. A) Skulpturen aus dem Nymphaeum des Laecanius Bassus, ÖJh 50, 1972-75, Beibl. 421-434; Aurenhammer 1990, Kat. 84, 85, 88-92, 122, 124, 153-156, 165. Zur Architektur zuletzt K. Jung, Das Hydrekdocheion des Gaius Laecanius Bassus in Ephesos, in: Wiplinger 2006, 79-86.
[3] Die Inschriftenbasis hat die Fundnummer D60/60, sie befindet sich im Efes Müzesi/Selçuk unter der Inventarnummer 1986; zur Inschrift u.a. IvE 695; die historische Auswertung der Inschrift wurde im Zuge des Projektes durch H. Taeuber vorgenommen.
[4] Der Plan stellt eine Rekonstruktion des Brunnens von K. Jung dar, der im Rahmen des in Anm. 1 genannten FWF-Projektes die Baugeschichte und steingerechte Rekonstruktion des Bauwerks erarbeitet hat. Anders als in dieser Rekonstruktion gezeigt, waren die Statuen auf Basen aufgestellt, von denen einige im Umkreis des Brunnens gefunden wurden.
[5] Zu Fassadennymphaeen zuletzt C. Dorl-Klingenschmid, Prunkbrunnen in Kleinasiatischen Städten. Funktion im Kontext, Studien zur Antiken Stadt 7 (2001) 48-59.
[6] Die Halle ist nicht näher untersucht, sie dürfte aber in etwa dieselbe Höhe besessen haben, wie der im östlichen Teil dieser Halle gelegene Torbau, für den eine Höhe von 8 m zu rekonstruieren ist, zum Torbau H. Thür, Ein dorischer Torbau am Staatsmarkt in Ephesos, in: F. Blakolmer u.a. (Hrsg.), Fremde Zeiten, Festschrift für Jürgen Borchhardt (1996) 345-361.
[7] Fest steht, dass in spätantik/byzantinischer Zeit Architekturteile und Skulpturen für eine neuerliche Erhöhung der Niveaus von Domitiansgasse und Südstraße verwendet wurden, weshalb spätestens zu diesem Zeitpunkt der Brunnen nicht mehr in Betrieb gewesen sein kann. Die Aufgabe dürfte demnach im späten 5. oder 6. Jh. n. Chr. erfolgt sein.
[8] Die erste Zuleitung kommt von Osten, aus Richtung der Fontäne, die jedoch bisher aufgrund einer Inschrift (IvE 416 ) frühestens in domitianische Zeit datiert werden kann, dazu zuletzt P. Scherrer, Die Fernwasserversorgung von Ephesos in der römischen Kaiserzeit. Synopse der epigraphischen Quellen, in: Wiplinger 2006, 45-58 bes. 48-53.
[9] Aurenhammer 1990, Nr. 85 Taf. 60b.
[10] Aurenhammer 1990, Nr. 88-92 Taf. 62-65.
[11] Zu den Tritonen Aurenhammer 1990 Nr. 88-92; zu den weiblichen Wassergottheiten gehören u.a. E. Atalay, Weibliche Gewandstatuen des 2. Jahrhunderts n.Chr. aus ephesischen Werkstätten, DenkschrWien 206 (1989) Nr. 50-52 Abb. 98-100; die Hippokampen sind unpubliziert, sie befinden sich im Efes Müzesi/Selçuk, ohne Inventarnummer.
[12] Nach Plinius war der letzte Standort dieser Gruppe Rom.
[13] Falls die Fontäne als Wasserspeicher fungierte, kommen als Flüsse Marnas und Klaseas in Frage, zur Marnasleitung Scherrer a.O. (Anm. 8) 48-53.
[14] Atalay a.O. (Anm. 11) 108-111 Nr. 50-51 Abb. 98-99.
[15] Wasser speiende Figuren an Haupt- und Seitenfassaden sind nur für das Nymphaeum in Gortyn/Kreta belegt; zu diesem Brunnen A.A. Ortega, Gortina: Il ninfeo presso il pretorio, ASAtene 64-65 (1986-87) 131-174.
[16] Zum Satyrn: Aurenhammer 1990, Nr. 153 Taf. 119 a-b; die Nymphe ist unpubliziert, sie befindet sich im Efes Müzesi/Selçuk, Inventarnummer P2364; zu dieser Gruppe zuletzt: W. Geominy, Zur Komposition der Gruppe "Die Aufforderung zum Tanz", in: Hellenistische Gruppen. Gedenkschrift für Andreas Linfert (1999) 141-155 (mit älterer Literatur).
[17] Geominy a.O. (Anm. 16) 142.
[18] In Frage kommen beispielsweise die ca. 1.40 m breiten Nischen im Obergeschoss.
[19] Aurenhammer 1990, Nr. 154 Taf. 119c.
[20] Unpubliziert, Efes Müzesi/Selçuk, ohne Inventarnummer.
[21] Zu Statuen, die Androklos darstellen: LIMC I (1981) S. 765-767 s.v. Androklos (M.-L. Bernhard). Ein Androklostypus ist nicht fassbar, alle Darstellungen sind unterschiedlich, das Verbindende dieser Darstellungen ist ein heroisches Figurenkonzept und die Hinzufügung eines Hundes.
[22] Aurenhammer 1990, Nr. 105 Taf. 73 c-d, 74 a-c; J. Auinger, Die Skulpturenausstattung des Vedius- und Ostgymnasiums in Ephesos. Die Funde bis 1931 (unpublizierte Diss. Wien 2005) 130-134.
[23] Dazu ausführlich E. Rathmayr, Die Skulpturenausstattung, in: M. Aurenhammer - K. Jung (Hrsg.), Das Nymphäum des C. Laecanius Bassus in Ephesos, in: FiE (in Druckvorbereitung); E. Rathmayr, Die Skulpturenausstattung des C. Laecanius Bassus Nymphaeum in Ephesos, in: La scultura romana in Asia Minore. Cinquanta anni di attività della Maier-missione archeologica italiana a Hierapolis di Frigia (Turchia). Cavallino (Lecce), Galleria del Palazzo Ducale 24-26 Maggio 2007, JRA Suppl. (in Druck).
[24] Unpubliziert, Efes Müzesi/Selçuk, Inventarnummer P9/38/72.
[25] Zu dieser Frisur P. Cain, Männerbildnisse neronisch-flavischer Zeit, Tuduv-Studien, Reihe Archäologie 2 (1993) 72f.
[26] Unpubliziert, Efes Müzesi/Selçuk, Inventarnummer P23/38/72.
[27] Sehr frühe Beispiele für Bohrungen von Haar und Bart stellen Bildnisse des Aelius Verus dar, dazu K. Fittschen, Prinzenbildnisse antoninischer Zeit. Beiträge zur Erschliessung hellenistischer und kaiserzeitlicher Skulptur und Architektur 18 (1999) 74 Nr. 3 Taf. 116 a-b (um 140 n.Chr.); zu den spätesten Kaiserporträts mit Bohrkanälen in Haar und Bart gehören jene des Septimius Severus. Im 3.Jh. n.Chr. tritt diese Art der Haar- und Bartgestaltung nicht mehr auf, dazu M. Bergmann, Studien zum römischen Porträt im 3. Jahrhundert n.Chr. (1977).
[28] Dazu ausführlich J. Auinger - E. Rathmayr, Zur spätantiken Ausstattung der Thermen und Nymphäen in Ephesos, in: F.A. Bauer - Ch. Witschel (Hrsg.), Statuen in der Spätantike (2007) 237-269, bes. 248-258.
[29] Die Statue ist unpubliziert, sie befindet sich um Museum von Selçuk (ohne Inventarnummer).
[30] Zu dieser Statue Fleischer a.O. (Anm. 2) 426f. Abb. 7.
[31] Atalay a.O. (Anm. 11) 68-73 Abb. 10.
[32] Die Statue ist unveröffentlicht, sie befindet sich im Museum von Burdur, Inventarnummer 14. Außerdem könnte nach M. Kadioglu, Die Scaene frons des Theaters von Nysa am Mäander, Forschungen in Nysa am Mäander 1 (2006) 89 mit Anm. 385, die aus dem Theater von Nysa stammende Replik einer Hera von Ephesos eine Aphrodite dargestellt oder aber ein Porträt getragen haben.
[33] A. Alexandridis, Die Frauen des römischen Kaiserhauses. Eine Untersuchung ihrer bildlichen Darstellung von Livia bis Iulia Domna (2004) 234.
[34] Da sich unter den aus Theatern stammenden Bildwerken viele Frauenstatuen befinden, dürften nach M. Fuchs, Untersuchung zur Ausstattung römischer Theater in Italien und den Westprovinzen des Imperium Romanum (1987) 109 auch weibliche Angehörige der Honoratioren geehrt worden sein.
[35] Dies hat eine von Verf. durchgeführte Studie über die Skulpturenausstattungen von kaiserzeitlichen Nymphaeen ergeben; Rathmayr a. O. (in Druckvorbereitung, Anm. 23).
[36] Zum Nymphaeum Traiani: U. Quatember, The Water Management and Delivery System of the Nymphaeum Traiani at Ephesus, in: Wiplinger 2006, 73-77.
[37] M. Aurenhammer - A. Sokolicek, The remains of the centuries. Sculptures and Statue Bases in Late Antique Ephesos. The Evidence of the Upper Agora, in: Archaeology and the Cities of Asia Minor in Late Antiquity. An international Symposion at the University of Michigan, January 8-10, 2008, JRA (in Druck).
[38] Zum Nymphaeum von Milet: J. Hülsen, Das Nymphaeum, Milet I 5 (1919).
[39] Dazu Auinger - Rathmayr a.O. (Anm. 28) (für Ephesos); N. Hannestad, Castration in the Baths, in: Macellum. Culinaria Archaeologica. Robert Fleischer zum 60. Geburtstag von Kollegen, Freunden und Schülern (2001) 67-77 (allgemein).
[40] Gesammelt im Codex Theodosianus XVI 10.

© Elisabeth Rathmayr
e-mail: elisabeth.rathmayr@oeaw.ac.at


This article should be cited like this: E. Rathmayr, Die Skulpturenausstattung des C. Laecanius Bassus Nymphaeum in Ephesos, Forum Archaeologiae 48/IX/2008 (http://farch.net).



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