Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 28 / IX / 2003

UNTERSUCHUNGEN AN DEN SCHUTZANSTRICHEN RÖMISCHER LEBENSMITTELAMPHOREN

Amphoren waren als Transportgefäße in der Antike weit verbreitet und somit die kleinsten Einheiten eines großen Wirtschafts- und Handelssystem. Auch heute noch unterstreichen zahlreiche Amphorenfunde entlang der antiken Handelstraßen ihren großen Stellenwert. Niemals hätte der Handel mit Olivenöl, Wein und Fisch solche Ausmaße annehmen können, wäre nicht eine geeignete Verpackung in Form der Amphoren zur Verfügung gestanden. Es handelte sich dabei um poröse Tongefäße, die nicht selten an der Innenseite mit Harz verpicht waren, um das langsame Ausfließen des Gefäßinhaltes zu verhindern. Dienten die Amphoren zum Transport von Olivenöl, war ein solcher Schutzanstrich nicht notwendig, da sich das Öl an der Gefäßwand anlegte und die Poren verstopfte [1]. Für Weinamphoren hingegen wurde im Regelfall ein Schutzanstrich verwendet.
Beim römischen Autor Columella kann man nachlesen, wie man dabei vorging: Die Amphoren wurden mit der Öffnung nach unten über ein Feuer gehalten, bis sie in den bloßen Händen zu heiß wurden. In einem zweiten Schritt legte man die Amphoren seitlich auf den Boden, um das erhitzte Harz einzufüllen und rollte sie solange am Boden hin und her, bis sich das Harz überall gleichmäßig an der Gefäßwand angelegt hatte [2]. Auch bei Plinius dem Älteren ist die Verpichung der Weinamphoren überliefert [3].
Nicht klar geht jedoch aus den schriftlichen Überlieferungen hervor, ob es sich bei dem harzartigen Material um Naturharz handelte oder ob es technisch verändert wurde. Harz wird von Nadelbäumen produziert, wobei im Mittelmeerraum die Pinie der wichtigste Vertreter ist. Durch Einritzen der Rinde und Anzapfen der Bäume wurde es bereits in der Antike quantitativ erhalten und wirtschaftlich genutzt [4]. Durch spezielle Destillationsverfahren kann man das Harz technologisch verändern. Mit steigender Temperatur wird dieser Naturstoff immer zähflüssiger, schließlich werden die niedrig siedenden, wasserlöslichen Komponenten ausgetrieben, und man gewinnt Pech als Rückstand beziehungsweise Teer als Destillat. Obwohl das Pinienharz bereits im naturbelassenen Zustand die Eigenschaften eines Klebstoffes und Schutzanstrichs besitzt, kannte man in der Antike ausgeklügelte Systeme, um es stark zu erhitzen. Dabei kamen Brennöfen und sogenannte Meiler zum Einsatz [5]. Ob sich in diesen Meilern Temperaturen entwickeln konnten, die hoch genug waren, um Harz tatsächlich irreversibel in Pech zu verwandeln, ist zu hinterfragen. Vielfach dürfte der Destillationsprozess schon vorzeitig abgebrochen worden sein, da man offensichtlich bereits den ersten Destillationsrückstand (colophonium) irrtümlicherweise für Pech hielt [6].
In den antiken Quelltexten wird mit den Begriffen Pech, Teer und Harz sehr locker umgegangen, sodass man die Frage auf diesem Wege nicht eindeutig klären kann. Ist von Pech (pixum) die Rede, dürfte sich dies allerdings eher auf seine Herkunft (aus einem Brennofen) beziehen als auf seine technologischen Eigenschaften. Harz spielte nicht nur als Schutzanstrich von Amphoren eine wichtige Rolle im antiken Weinhandel. So diente es zum Beispiel auch als Konservierungsmittel und Geschmacksverstärker [7]. Es ist daher nicht weiter verwunderlich, wenn man in mythologischen Quellen einen Hinweis darauf findet, dass die Pinie in Griechenland als heiliger Baum verehrt wurde und dem Weingott Dionysos geweiht war [8].
Das Wissen um die Bedeutung und die Verwendung von Harz in Zusammenhang mit Lebensmittelamphoren eröffnet neue Perspektiven in der archäologischen Spurensuche.
Denn neben Größe und Form der Amphore, die eine Klassifikation bezüglich Herstellungsort und Alter erlaubt, ist es nun der Inhalt selbst, der beleuchtet wird. Harze können mit archäometrischen Methoden nachgewiesen und analysiert werden und geben indirekt Aufschluß über den ursprünglichen Inhalt einer Amphore [9].
Das Problem, vor dem die Archäologen stehen ist folgendes: Zwar ist eine Vielzahl von Amphoren erhalten geblieben, jedoch häufig nur mehr in Bruchstücken [10]. Die Rekonstruktion von Pinselaufschriften (dipinti) wird dann oft zu einer mühsame Angelegenheit. Gerade in solchen Fällen bietet es sich an, die Archäometrie als Hilfswissenschaft zu Rate zu ziehen [11]. Eine archäometrische Methode, die sich bei der Untersuchung von Amphoren bewährt hat, ist die sogenannte gekoppelte Gaschromatographie-Massenspektrometrie [12]. Bei diesem Verfahren - einer chemischen Trenn- und Analysemethode- reicht ein Bruchstück aus, um Rückschlüsse auf den ursprünglichen Inhalt der Amphore zu ziehen [13]. Organische Rückstände werden erfasst, selbst wenn sie für das Auge unsichtbar in Spuren (ppm-Bereich) an der Innenseite eines Fragmentes haften [14]. Bei diesen Spuren kann es sich um Olivenöl handeln, häufiger findet man allerdings Harzrückstände, und dann handelt es sich bei dem Fund höchstwahrscheinlich nicht um eine Ölamphore, vielmehr kann man davon ausgehen, dass es sich um eine Weinamphore handelt. Unter Umständen könnte in dem Gefäß auch eingelegtes Obst und Gemüse oder Traubensaft transportiert worden sein [15]. Hier zeigt sich, dass auch der archäometrischen Methode Grenzen gesetzt sind, jedoch eröffnet sie neue Perspektiven in Kombination mit der klassischen archäologischen Forschung. Bis auf die Arbeit einer deutschen Arbeitsgruppe [16] hat man sich bis jetzt bei der naturwissenschaftlichen Untersuchung der Amphoren auf Einzelfunde beschränkt [17].
Im Rahmen meiner Diplomarbeit [18] habe ich den organischen Rückstand von der Innenseite einer Amphore untersucht. Die Einzelprobe konnte eindeutig als Kiefernteer klassizifiert werden, das bei der destruktiven Destillation von Holz unter niedrigen Temperaturen (300 Grad) hergestellt wurde. Die Identifikation gelang aufgrund charakteristischer Markersubstanzen. Dabei handelte es sich vorwiegend um oxydierte Harzsäuren und ihre Abbauprodukte. Entscheidend ist auch das prozentuelle Verhältnis der Harzsäuren zueinander, dass sich im Lauf der Zeit stark ändert. Bei der Untersuchung wurde auch auf ein einfaches Analyseverfahren wertgelegt, das die Praxis von Reihenuntersuchungen erleichtern soll.
Die Zusammenarbeit von Archäologen und Naturwissenschaftlern stellt gerade bei der Erforschung von Amphorenfunden eine große Herausforderung dar, weil es sie so zahlreich gibt, dass man durch systematisches Mass-Screening auf dem besten Weg ist, eine der umfangreichsten und ältesten Datenbanken der Welt - die antike Amphoren-Datenbank am Meeresboden und an Ausgrabungsstätten dreier Kontinente (Europa, Afrika und Asien) - zu entschlüsseln.

[1] C. Heron - A.M. Pollard, The Analysis of Natural Resinous Material from Roman Amphoras, in: E.A. Slater - J.A. Tate (Hrsg.), Science and Archaeology. Proceedings of the conference on the application of scientific methods to archaeology, Glasgow 1987, BAR. Brit.Ser. 196 (1988) 429-447.
[2] Columella, De re rustica XII 49.
[3] Plin. nat. hist. XXXI 43.
[4] R. Meiggs, Trees and Timber in the Ancient World (1982) 466-470.
[5] C.E. Beck - C. Borromeo, Ancient Pine Pitch. Technological Perspectives from a Hellenistic Shipwreck, Masce Research Papers in Science and Archaeology 7, 1990, 51-58.
[6] s. Anm. 1.
[7] C.G. Koehler, Wine amphoras in Ancient Greek Trade, in: P.E. Mc.Govern - S.J. Fleming - S.H. Katz (Hrsg.), The Origins and Ancient History of Wine (1996).
[8] s. Anm. 4.
[9] C.W. Beck - C.J. Smart - D.J. Ossenkop, Residues and Linings in Ancient Mediterranean Transport Amphoras, in: R.O. Allen (Hrsg.), Advances in Chemistry Series, Archaeological Chemistry 4, 1989, 369-380.
[10] a.O.
[11] K. Ruthenberg, Historical Development and Comparison of Analytical Methods for the Identification of Tar and Pitch, in: W. Brzezinski - W. Piotrowsky (Hrsg.), Proceedings of the 1st International Symposium on Wood Tar and Pitch. State Archaeological Museum, Warsaw (1997) 173-178.
[12] C.W. Beck - E.C. Stout - P.A. Jänne, The Pyrotechnology of Pine Tar and Pitch Inferred from Quantitative Analyses by Gas Chromatography-Mass Spectrometrie and Carbon-13 Nuclear Magnetic Resonance, in: W. Brzezinski - W. Piotrowsky (Hrsg.), Proceedings of the 1st International Symposium on Wood Tar and Pitch. State Archaeological Museum, Warsaw (1997) 173-178.
[13] s. Anm. 9.
[14] s. Anm. 1; K. Kimpke - P.A. JACOBS P A - M. Waelkens, Analysis of Oil Used in Late Roman Oil Lamps with Different Mass Spectrometric Techniques Revealed the Presence of Predominantly Olive Oil with Traces of Animal Fat, Journal of Chromatography, A 2001; 937 (1-2): 87-95.
[15] K. Ruthenberg - U. Ehmig, Teere in römischen Amphoren, in: G. Schulze - I. Horn (Hrsg.), Archäometrie und Denkmalpflege - Kurzberichte 2000 (2000) 187-188.
[16] s. Anm. 1.
[17] s. Anm. 5.
[18] C. Sehnal, Chemische Untersuchung antiker Lebensmittelamphoren (unpubl. Dipl. Wien 2003).

© Cornelia Sehnal
e-mail:
sehnal@gmx.net

This article will be quoted by C. Sehnal, Untersuchungen an den Schutzanstrichen römischer Lebensmittelamphoren, Forum Archaeologiae 28/IX/2003 (http://farch.net).



HOME