Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 24 / IX / 2002

DIE GRIECHEN UND DIE FREMDEN, SCIENCE WEEK 2002

Im Rahmen der Science Week 2002 war das Institut für Klassische Archäologie Wien mit drei Projekten zum Thema "Alltagskultur in der Antike" vertreten. Neben Informationen zum römischen Heer, antiken Rezepten und Spiel und Sport in der Antike war ein Projekt dem Thema Fremdvölker gewidmet [1]. Auf fünf Plakaten wurde die Problematik der Fremden und des Fremd-Seins in der Antike unter verschiedenen Aspekten präsentiert. Die Plakate sollten einem gemischten Publikum (Schulklassen, Passanten, Touristen...) einen Einblick und Überblick in den Themenkreis geben.

1. Antike Menschenbilder - Griechen und Barbaren

Die bildliche Gegenüberstellung eines griechischen Hopliten (Abb. 1) mit Thrakern, Skythen, Persern, Schwarzafrikanern soll die Unterschiede in Tracht und Physiognomie, die meist mit großer Präzision wiedergegeben werden, verdeutlichen.


In der Archaik tauchen die ersten bildlichen Darstellungen von Fremdvölkern in der griechischen Kunst auf. Zu den frühesten Vertretern zählen die Skythen [2] (Abb. 2), die schon um die Mitte des 6.Jhs. v.Chr. in Erscheinung treten. Charakteristisch ist ihre Kleidung, die aus Hose und Ärmeljacke besteht, und die Kopfbedeckung, eine hohe, steife Mütze. Als Nomaden in den Steppen der heutigen Ukraine waren sie hervorragende Reiter und Bogenschützen. Ihre Bewaffnung, die sich aus Pfeil und Bogen sowie dem Goryt genannten Köcher zusammensetzte, assoziierten die Griechen vollständig mit den Skythen, sodass deren Tracht in der griechischen Bilderwelt auch zur Standardkleidung von Bogenschützen in anderen Kontexten (Amazonen, Orientalen) wurde. Nach einem Boom von Vasenbildern mit skythischen Bogenschützen um 530 v.Chr. werden die Darstellungen gegen Anfang des 5.Jhs. v.Chr. immer spärlicher und hören schließlich ganz auf.

Neben den Skythen erfreuten sich auch die Schwarzafrikaner [3] (Abb. 3), wohl aufgrund ihres für die Griechen exotischen Aussehens, schon in der Archaik großer Beliebtheit als Motiv auf Vasen. Die Aithiopen (von aithiops, "Brandgesicht") galten bei Homer noch als mythisches Volk, das weit entfernt an den Rändern des Okeanos, wo die Sonne auf- und untergeht, wohnt [4]. In übermenschliche Sphären rückt sie auch das gemeinsame Mahl mit den Göttern [5].

Die Thraker [6] (Abb. 4) wurden im Gegensatz zu den Schwarzafrikanern kaum physiognomisch gekennzeichnet. Ihre Tracht bestand aus einem dicken, gemusterten Mantel (Zeira) und der Fuchsfellmütze (Alopekis), anhand derer sie leicht zu identifizieren sind. Die Bezeichnung Thraker ist eigentlich ein Sammelbegriff für verschiedene Stämme, die im Gebiet des heutigen Bulgarien lebten, wo die Griechen entlang der Schwarzmeerküste zahlreiche Handelsniederlassungen gründeten.

Zahlreich werden Perser [7] (Abb. 5) auf griechischen Denkmälern, v. a. Vasen, dargestellt. Die frühesten Beispiele (um 490 v.Chr.) zeigen Perser im Kampf gegen Griechen. Dieses Thema überwiegt bis ins 4.Jh. v.Chr. Die Perser sind an ihrer orientalischen Kleidung erkennbar: sie tragen legginartige, oft bunt gemusterte Hosen, darüber häufig einen Brustpanzer. Die Kopfbedeckung kann sehr unterschiedlich aussehen.

Manche Völker jedoch fanden keinen Niederschlag in der griechischen Kunst, obwohl es sehr wohl Kontakte gegeben hat (z. B. Phöniker).

2. Griechische Mythen - fremder Schauplatz [8]

Äthiopien: Memnon
Memnon, der Sohn von Eos, der Göttin der Morgenröte, galt bei den Griechen als König der Äthiopen. Seine Geschichte wurde in einem verlorenen Epos, der Aithiopis, behandelt. Im trojanischen Krieg kämpfte er auf Seiten des Priamos gegen die Griechen und wurde von Achill getötet. Auf den griechischen Vasenbildern ist er wie ein Grieche dargestellt, seine Begleiter aber sind eindeutig Schwarzafrikaner.

Ägypten: Herakles und Busiris
Der ägyptische König Busiris opferte alle Fremden, derer er in seinem Land habhaft werden konnte. So wollte er auch Herakles auf dem Altar schlachten, doch dieser drehte den Spieß um und tötete Busiris und seine Priester. Auf diese Szene trifft man in der griechischen Vasenmalerei sehr oft. Busiris und seine Priester sind durch ihre Physiognomie, Tracht und Frisur als Barbaren charakterisiert.

Äthiopien: Andromeda
Der Andromeda-Mythos wurde u. a. in Äthiopien lokalisiert. Kepheus, der König der Äthiopen, ließ seine Tochter Andromeda an einem Küstenfelsen festbinden: sie sollte einem Meeresungeheuer geopfert werden, das Poseidon geschickt hatte, erzürnt über eine Beleidigung seiner Töchter durch Andromedas Mutter. Perseus flog nach dem Sieg über die Medusa zufällig an diesem Felsen vorbei und verliebte sich in Andromeda. Er tötete das Meeresungeheuer, indem er es mit dem Medusenhaupt versteinerte, und befreite Andromeda. Ähnlich wie bei Memnon wird die äthiopische Prinzessin Andromeda immer mit weißer Hautfarbe - wie griechische Frauen - dargestellt, häufig trägt sie allerdings persische Kleidung und wird so als Nicht-Griechin gekennzeichnet.

Thrakien: Orpheus
Der Thraker Orpheus konnte mit seiner Musik Pflanzen und Tiere, Menschen und Götter bezaubern. Seine Liebe zu Eurydike nimmt ein ebenso tragisches Ende wie er selbst: er zieht sich in die Wälder zurück, wo er von thrakischen Frauen getötet wird.

Anhand dieser ausgewählten Beispiele [9] soll die in mythologischer Form aufbereitete Auseinandersetzung der Griechen mit fremden Völkern gezeigt werden.

3. Die Griechen in der Fremde

Eine Rekonstruktion der Erdkarte des Hekataios von Milet verdeutlicht, wie sich die Griechen um 500 v.Chr. die Erde vorstellten: als eine vom Okeanos umflossene Scheibe mit drei Erdteilen: Europa, Asien und Libyen (=Afrika). An den Rändern Welt wohnten halbmythische, idealisierte Völker wie etwa die Aithiopen im Süden oder die Hyperboräer im Norden.
Bereits aus dem 6.Jh. v.Chr. gibt es Berichte von phönikischen und griechischen Entdeckern, die im Auftrag von Königen weite Expeditionen unternahmen. Ihre Beobachtungen hielten sie in Schiffstagebüchern (periploi) fest. Der Grieche Skylax wurde um 518 v.Chr. mit einer Entdeckungsfahrt zum Indus beauftragt, und ein gewisser Aristeas soll bis nach Sibirien, in tiefstes Skythenland, vorgedrungen sein. Das Bild eines mongolischen Kriegers auf einem Vasenfragment des 4.Jhs. v.Chr. (Abb. 6) mag einen Hinweis auf weit entfernte Gebiete geben.
Die Gründung von Handelsniederlassungen und Kolonien an den Mittelmeerküsten und am Schwarzen Meer ab dem 8.Jh. v.Chr. zog die mehr oder weniger friedliche Konfrontation mit den Bewohnern des jeweiligen von den Griechen besiedelten Gebietes nach sich.
Als Söldner im Dienste fremder Könige gelangten Griechen in weit entfernte Gebiete: Beim Feldzug Psammetich II. gegen das Reich Kusch verewigten sich griechische Söldner mit ihren Graffiti auf den Beinen der Kolosse vor dem Ramsestempel in Abu Simbel (Unternubien) [10] (Abb. 7).
Besonders wertvolle Informationen zu fremden Völkern liefert uns Herodot in seinen "Historien", viele davon aus erster Hand, da er selbst ausgedehnte Reisen unternahm. Nach eigenen Angaben [11] ist er während seines Ägyptenaufenthaltes sogar bis Elephantine gekommen. Besonderes Interesse brachte er den andersartigen Sitten in der Fremde entgegen: So erstaunt er sich über die Ägypter [12]: "Wie der Himmel bei ihnen von sonderlicher Art ist und ihr Strom eine andere Natur hat als die übrigen Flüsse, so sind auch fast alle Sitten und Gebräuche der Ägypter der Lebensweise der anderen Menschen entgegengesetzt: Bei ihnen sitzen die Frauen am Markt und handeln, während die Männer zu hause bleiben und weben... Den Brotteig kneten sie mit den Füßen, den Lehm dagegen mit den Händen."

4. Fremde in Griechenland

Die wohl bekannteste mythische Fremde in Griechenland ist Medea, Tochter des Königs Aietes aus Kolchis am Schwarzen Meer, die Iason nach Korinth folgt. Ihr Schicksal wurde seit der Antike immer wieder in der Literatur behandelt [13].
Fremde gehörten im antiken Griechenland zu den Randgruppen der Gesellschaft [14]. Über ihre Position im griechischen Alltag erfahren wir in schriftlichen Quellen oder anhand von Darstellungen, die Fremde in einem griechischen Kontext zeigen. Auf einige Bereiche - Fremde als Söldner, Sklaven, Dichter (etwa der Fabeldichter Aesop, ein ehemaliger phrygischer Sklave) Handwerker (nichtgriechische Töpfer und Maler signierten auf Vasen, z. B. Lydos und Duris) und Kindermädchen (v.a. thrakische Ammen, erkennbar an ihren Tätowierungen an Armen und Füßen, manchmal auch im Gesicht. Aus dem Mythos ist Geropso, das Kindermädchen des Herakles, bekannt.) - wurde anhand von Vasenbildern hingewiesen.

5. Fremde in der Karikatur - Antike und Moderne

Das exotische Aussehen von Fremden regte Künstler seit jeher zu überzeichneten Darstellungen und Karikaturen an. Physiognomische Besonderheiten wie etwa wulstige Lippen, vorstehendes Kinn und wolliges, kraus gelocktes Haar bei Schwarzafrikanern finden sich auf einigen Beispielen aus der griechischen Vasenmalerei grotesk hervorgehoben.
Doch nicht nur Fremde wurden gelegentlich zur Zielscheibe zeichnerischen Spottes, auch griechische Helden wie etwa Odysseus wurden karikiert (Abb. 8).
Aus heutiger Sicht ist es nicht immer einfach zu beurteilen, ob es tatsächlich die Intention der antiken Künstler war, sich über bestimmte Gruppen lustig zu machen. So gibt es um die Genredarstellungen aus hellenistischer Zeit sehr widerstrebende Meinungen.

Denjenigen, die tiefer in die Thematik eindringen wollen, sei die Homepage von K.R. Krierer empfohlen, die Literaturhinweise und interessante Links bietet:
http://mailbox.univie.ac.at/Karl.Reinhard.Krierer/
sowie die Homepage des Institutes für Klassische Archäologie Wien mit Link zum Fremdvölkerarchiv.

[1] Bei der Zusammenstellung der Präsentation wurden wir vom Institut für Klassische Archäologie (IKA) der Universität Wien, besonders von F. Blakolmer, und bei dem Thema "Die Griechen und die Fremden" insbesondere von K.R. Krierer, dem derzeitigen ehrenamtlichen Betreuer des Fremdvölkerarchivs am IKA, unterstützt.
[2] Grundlegend die Arbeit von M. F. Vos, Scythian Archers in Archaic Attic Vase-Painting (1963); siehe auch W. Raeck, Zum Barbarenbild in der Kunst Athens im 6. und 5. Jahrhundert v. Chr. (1981) 10-60 Abb. 1-21. Herodot 5, 5-7.
[3] Guter Überblick bei F. M. Snowden Jr., Blacks in Antiquity (1969); ders., Before Colour Prejudice (1983). Siehe auch S. Manser, Schwarzafrikaner in der griechischen Kunst (unpubl. Dipl. Wien 1995).
[4] Hom. Od. 1, 23f.
[5] Hom. Il. 1, 423f.; 23, 205-207; Hom. Od. 1, 22-24.
[6] antike Quellen: Herodot Kap. 7ff.; Xen. Anab. 7, 4, 4.
[7] Literatur bei Raeck a.O. Anm. 19.
[8] Entsprechendes Bildmaterial ist durch das Beazley Archive einfach zugänglich: http://www.beazley.ox.ac.uk.
[9] Weitere nichtgriechische Protagonisten in Mythen sind z.B. Medea (Kolchis - Schwarzes Meer), Antaios (Libyen), Midas (Phrygien), Lykurgos (Thrakien), Phineus (Thrakien) etc.
[10] Herodot 2, 152-154.
[11] Herodot 2, 29.
[12] Herodot 2, 35f. Übers.: W. Stammler (Hrsg.), Herodot. Neun Bücher der Geschichte (1990).
[13] Euripides, Ovid, Seneca; Pierre Corneille(1635), Franz Grillparzer (1820), Hans Henny Jahnn (1926), Jean Anouilh (1946), Christa Wolf (1998).
[14] vgl. H. Graßl, Grundsätzliches und Methodisches zur historischen Randgruppenforschung, in: I. Weiler - H. Graßl, Soziale Randgruppen und Außenseiter im Altertum. Referate vom Symposion "Soziale Randgruppen und antike Sozialpolitik" in Graz, 21.-23. 9. 1987 (1988)41-46; K. Krierer, Mimik als Stigmatisierungsfaktor sozialer Randgruppen in der antiken Kunst, in: Weiler - Graßl ebenda 339-348.

© Sandra Fürlinger
e-mail:
sandra_fur@hotmail.com

This article will be quoted by S. Fürlinger, Die Griechen und die Fremden, Science Week 2002, Forum Archaeologiae 24/IX/2002 (http://farch.net).



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