Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 16 / IX / 2000

DIE VILLEN DER TERRASSE A IN ZEUGMA [1]


Die am westlichen Ufer des Euphrat gelegene Stadt Zeugma ist um 300 v.Chr. von Seleukos Nikator, einem der Generäle von Alexander dem Großen, unter dem Namen "Seleukeia Euphrates - Seleukeia am Euphrat" gegründet worden. Unter der Souveränität des Römischen Reiches wurde der Name in Zeugma geändert, was soviel wie "Brückenstadt - Platz des Überganges" bedeutet [2]. Ein Teil der Stadt ist heute durch das Wasser des Birecik Staudammes überflutet [3].

Nach dem berühmten Geographen Strabon [4] gehört Zeugma ab Pompeius zum kommagenischen Königreich, danach zur römischen Provinz Syria. In der Antike bildete die Stadt für die West - Ost laufende Seidenstraße die wichtigste Brücke über den Euphrat. In Zeugma wurde in der römischen Kaiserzeit die legio IIII Scythica mit 7000 Soldaten stationiert. Diese Garnison schützte die Ufer des Euphrat und gab so den Kaufleuten Vertrauen, sodaß der Handel zunahm. Durch den Handel und die Fruchtbarkeit des Euphrats wurde gewährleistet, daß Kaufleute und die oberste Soldatenschicht besonders an den Terrassen des Euphrat große Villen errichten konnten. Da sich die Stadt am Kreuzungspunkt der Straßen befand und eine Handels- und Garnisonsstadt war, kam eine große Anzahl an Künstlern nach Zeugma, die auch die einheimischen Künstler ausbildete. Sie schmückten Zeugma mit für uns heute sensationell reichen Bodenmosaiken, Wandfresken und Statuen. So ist die Stadt Zeugma ein gutes Beispiel für das Vorhandensein von Wirtschaftsblüte und Kulturreichtum geworden.
Die in der römischen Kaiserzeit immer größer und schöner werdende Stadt wurde im Jahre 252 n.Chr. durch den Angriff der Parther oder Sassaniden niedergebrannt und zerstört. Während der Ausgrabungen wurden sehr viele Belege gefunden, die dies beweisen. Über allen Bodenmosaiken lag dichte Asche und verbranntes Holz. Die Brandschicht wird in die Mitte des 3.Jhs. n.Chr. datiert. In der byzantinischen Zeit wurde die Stadt verkleinert und verlor ihre alte Bedeutung.



Abb. 1: nach
http://www.arts.uwa.edu.au/Classics/
archeology/Z2.html


Abb. 2: nach
http://www.arts.uwa.edu.au/Classics/
archeology/map2.gif

Als man im Jahre 1994 mit dem Bau des Birecik Staudammes (Abb. 2) begann, startete das Museum in Gaziantep einen internationalen Aufruf für eine Zusammenarbeit zur Rettung der archäologischen Reichtümer in und um Zeugma. Diesem Aufruf folgend ist seit 1996 ein französisches Team unter Dr. Caterine Abadi und seit 1997 ein Schweizer Team an den Ausgrabungen beteiligt. Diese Teams haben einen topographischen Plan von der antiken Stadt erstellt, vorrangig wurden die Bereiche der Stadt (wie das Forum), die unter den Wasserfluten des Staudammes bleiben würden, und das Legionslager untersucht und ausgegraben.

Abb. 3: Blick in die westlich Villa der Terrasse A

Daneben wurde auf den Terrassen der Stadt gearbeitet. Die Ausgrabung der sich auf der zweiten Terrasse befindenden römischen Villen, die im Juni 2000 unter den ansteigenden Fluten des Birecik Staudammes geblieben sind, wurde gegen Ende des Jahres 1999 durch die Direktion des Museums Gaziantep begonnen. Anfang des Jahres 2000 konnten durch das große Interesse des Vali von Gaziantep, dem sehr geehrten Herr Muammer Güler, die Ausgrabungen mit großer Schnelligkeit fortgesetzt werden. Hier sind generell zwei große Villen mit unterschiedlichen Grundrissen ausgegraben worden, deren Gesamtkomplex der Architektur des römischen Kleinasiens eine neue Dimension gibt.

Bis heute fanden sich auf einer annähernd 1000m2 großen Fläche ein Zweivillen-Komplex, dessen Größe und Architektur beeindruckend sind. Die Ruinen sind bis zu 3m hoch erhalten. Die Mauern des unteren Stockwerkes und die Architekturteile der Peristyle sind aus dem in der Umgebung vorkommenden, blaßgelblichen, weichen Stein der Region gefertigt. Die 0,5-0,6 x 1-1,2 m großen Blöcke der generell 0,6m dicken Mauern sind ohne Verklammerung versetzt. Die Mauern des zweiten Stockes bestehen aus Lehmziegeln.

Die östliche Villa


Die Räume und das dazwischenliegende Peristyl der im Westen der Terrasse liegenden Villa sind nach Nordost (noch richtiger nach Nordost-Südwest) ausgerichtet. Während die Osträume des Parterres sich auf das Peristyl hin öffnen, haben die im Westen liegenden Zimmer des Erdgeschoßes keine Verbindung zu diesem. Der langrechteckige Peristylhof mit den Maßen von 9x15m weist an drei Seiten eine 3m tiefe Säulenhalle auf, im Westen schließen die Zimmer direkt an das Peristyl an.
An der Ostseite des Peristyls befinden sich sechs, an der Nord- und Südseite je drei Säulen. Die Säulen haben einen Durchmesser von 0,6m und bestehen aus vier Säulentrommeln; ihre Höhe beträgt annähernd 4,35m. Die Säulen tragen Kompositkapitelle; ihr oberer Teil ist kanneliert, der untere glatt. Der an die unterste Trommel angearbeitete Torus sitzt direkt auf dem Stylobat auf. Die Kapitelle bestehen aus einem glatten, quadratischen Abakus, einem Eierstab-Kranz und einem mit Akanthusblättern geschmückten Kalathos. Von den gefundenen Kapitellen besitzen nicht alle die gleiche Höhe, um die unterschiedliche Größe der Säulentrommeln auszugleichen. Von den auf den Säulenkapitellen liegenden Architraven blieb kein einziges Stück erhalten, sodaß diese aus Holz gefertigt gewesen sein müssen. Von den Säulen des zweiten Stockes wurden zwei Trommeln gefunden, ihre Kapitelle sind dorisch.
Im Süden des Peristylhofes befindet sich ein mit Fresken geschmückter Brunnenbau. Auf dem Boden des Peristyls wurde ein Mosaik gefunden, das in der Mitte auf zwei von Pferden gezogenen Wagen Poseidon (oben) und Okeanus mit Thetis (unten) zeigt; umgeben sind die Götter zu beiden Seiten von 27 verschiedenen Fische und Meerestieren (Abb. 4).


Abb. 4: Peristylhof der östlichen Villa mit Brunnen

Im Osten des Peristyls sind fünf durch Türen miteinander verbundene Zimmer aufgereiht. Die Größe der Zimmer nimmt von Norden nach Süden ab. Das nördlichste Zimmer (dem Euphrat am nächsten gelegen) von 8x5m Größe ist mit einem aus zwei Bildfeldern bestehenden Daidalos-Mosaik geschmückt. Südlich von diesem Zimmer befindet sich ein mit einem Brunnen, zwei Säulen und einem weiteren Mosaik ausgestattetes Zimmer. Das Mosaik zeigt ein Bildfeld mit einem Motiv aus dem Trojanischen Krieg. Vor einem architektonischen Hintergrund stehen Helena und Athena mit den anderen Helden des Epos [5]. In der Mitte des Bildfeldes befindet sich die kleine Öffnung eines Springbrunnens. Imsüdlich anschließenden Raum liegt ein weiteres gut erhaltenes Mosaik, dessen Bildfeld Eros und Psyche zum Thema hat. In diesem Zimmer befinden sich auf den annähernd zwei Meter hoch erhaltenen Mauern marmorimitierende Fresken. Zwei große Fenster des Zimmers öffnen sich zu den danebenliegenden Zimmern, während sich das dritte Fenster auf die westlich gelegene Portikus öffnet. Im vierten Zimmer wurde kein Bodenmosaik gefunden, aber die Wände sind mit gut erhaltenen figürlichen Fresken ausgestattet, die einen Mann und eine Frau in Lebensgröße zeigen. Auf dem Boden lag eine 0,3-0,4m dicke Brandschich, in der sich Ziegelbrocken, eine aus Elfenbein gearbeitete Aphroditestatuette und die Hälfte eines aus Hämatit hergestellten Schmucksteines eines Ringes (von 2,5cm Durchmesser), der eine Inschrift - ein Gebet oder ein Gedicht - trägt, befanden.
Im Süden schließt noch ein weiteres, aus dem Felsen geschlagenes Zimmer an. Die Wände sind mit Stuck versehen; auf dem Boden wurde ein Mosaik mit Satyr und Antiope gefunden. Das Mittelfeld ist von kleineren Bildfeldern umgeben, in denen meist geflügelte Tiere dargestellt sind.

Die westliche Villa


Bereits im April begannen die Grabungen auf einem 10x13m großen Platz; sie deckten ein Peristyl mit umlaufender Säulenstellung (drei auf vier Säulen) auf. Es ist dem in der Ostvilla zutage gekommenen Peristyl ähnlich und ist ebenfalls aus Ziegeln erbaut, mit Fresken geschmückt und hat im Nordteil einen Brunnen. An dieser Seite wurden Zimmer und eine Toiletteanlage gefunden. Das westlichste Zimmer, das sich auf das Peristyl hin öffnet, ist klein und besitzt ein erhaltenes Gewölbe. Es wurde wahrscheinlich als Depot verwendet. Vor diesem ist die bei den Grabungen in Zeugma bislang wichtigste und interessanteste Skulptur, die Ares darstellt, gefunden worden. Die aus Bronze gefertigte und ganz erhaltene Bronzestatue ist 1,5m groß. In der Nähe der Statue wurde außerdem ein Hort von römischen Münzen aus der Mitte des 3.Jhs. n.Chr. entdeckt.




Abb. 5: Westliche Villa, Perseus-Andromeda Mosaik
Abb. 6: Westliche Villa, Raum mit Perseus-Andromeda Mosaik, Nordmauer
Abb. 7: Westliche Villa, Blick von Norden über die Raumflucht


Ähnlich wie in der östlichen Villa wird das Peristyl von einer Raumflucht mit einer Fläche von 21x6m begleitet. Die Zimmer sind zueinander und die zwei mittleren auch auf das Peristyl hin geöffnet. Im nördlichsten Zimmer befindet sich ein Bodenmosaik mit Dionysos, im zweiten großen Zimmer ein Perseus-Andromeda Mosaik (Abb. 5), die jeweils gut erhalten sind. Im Perseus-Zimmer sind die Mauern mit Fresken geschmückt, deren Figuren in von Säulen gerahmten Bildfeldern stehen. Von den Figuren tragen einige Sandalen, einige sind nicht beschuht (Abb. 6). Besonders an der Südmauer befinden sich zahlreiche Graffiti. Dieses Zimmer ist durch eine Tür mit dem Peristyl verbunden.
Das wahrscheinlich als Küche anzusprechende dritte Zimmer ist sehr klein und besitzt an beiden Seiten Nischen. Dieses Zimmer ist ebenfalls durch eine Tür mit dem Peristyl verbunden. Während der Boden undekoriert ist, befinden sich auf den Wänden mehrere Schichten an Verputz und Fresken, auf einem sind Vögel dargestellt.
Das südlichste Zimmer von 5,4x3,6m hat ein aus zwei Bildfeldern bestehendes Mosaik; auf einem sind Satyr und Antiope zu sehen, auf dem zweiten darunter Galatia, die Tochter des Nereus (Abb. 8). Südlich von diesem Zimmer befindet sich wiederum ein direkt aus dem Felsen geschlagenes Zimmer.


Abb. 8: Westliche Villa, Raum mit Satyr-Antiope Mosaik


Rettung des archäologischen Befundes



Abb. 9: Blick auf den Euphrat und Staudamm (Anfang April 2000)

Im Juni 2000 hatte das Wasser des Birecik Staudammes die Terrasse der Villen erreicht und diese überflutet. Die Archäologie Anatoliens kannte bis heute vergleichbare Anlagen nur von den Hanghäusern in Ephesos. Es wurde daher überlegt, diese außergewöhnlichen und wichtigen Werke an einen anderen Platz zu transportieren. Aufgrund der Energie des Ausgrabungsteams beim Abheben der Mosaike und durch die gute Zusammenarbeit mit den Arbeitern des Staudammes und die Zuhilfenahme der technischen Möglichkeiten des Staudamm-Bauplatzes konnten die Bodenmosaike der Zimmer in das Museum Gaziantep transportiert werden.

Zeugma wurde seit April 2000 von einer großen Anzahl an in- und ausländischen Mediengruppen besucht. Jene, die sich bei Beginn der Notausgrabungen im Jahre 1994 wenig für dieses Thema interessierten, haben nun bei der Überflutung eines Teiles der Stadt (Terrasse A) doch noch ein starkes Interesse gezeigt. Die gemeinsame Meinung der seit fünf Jahren in Zeugma arbeitenden Kollegen ist: "Hätte doch jeder vor fünf Jahren (diesbezüglich) Schritte unternommen, weil vor fünf Jahren jeder wußte, daß dies passieren würde."


Abb. 10: Blick von Norden in die östliche Villa

Der Birecik Staudamm hat im Juni 2000 die ein Drittel der Stadt einnehmende Terrasse A überflutet. Das Wasser wird im Oktober bis zur Terrasse B, wo noch das Vorhandensein zahlreicher, nicht ausgegrabener Villen bekannt ist, steigen. Archäologen von Australien, Großbritannien und Frankreich haben gemeinsam mit dem Team des Museums von Gaziantep in diesem Gebiet mit den Grabungen begonnen. Sponsor der Ausgrabungen ist die Firma Packard. Unser Wunsch ist einerseits, daß auf dieser Terrasse noch viele archäologisch interessante Erkenntnisse zu gewinnen sind, und andererseits, daß noch möglichst viele Funde durch wissenschaftliche Methoden gerettet werden können.

[1] Basierend auf einem schriftlichen Erlaß der Generaldirektion für Altertümer und Museen des Kulturministeriums nahm der Autor in der Eigenschaft eines beratenden Mitgliedes mit dem Ziel, die architektonischen Besonderheiten, die Grundrisse und die Transportmöglichkeiten der zutage gekommenen Villen zu untersuchen, zwischen dem 27. März und dem 17. April 2000 an den Ausgrabungen in Zeugma teil. In diesem Zeitraum wurden die Bauten planmäßig erfaßt, Schnitte und Architekturdekoration gezeichnet und gemeinsam mit der Museumsdirektion einige Vorarbeiten für den Abtransport der Bauten unternommen.
Die Übersetzung des türkischen Textes übernahm freundlicherweise V. Boyanowski. E. Trinkl danke ich für die Möglichkeit die Befunde von Zeugma im Forum Archaeologiae kurz vorzustellen; sie unterstützte mich dankenswerterweise auch bei der Aufbereitung des Manuskriptes für das Internet.
[2] Die Stadt könnte ihren Namen auch schon von Alexander erhalten haben, der an dieser Stelle den Euphrat überquerte; RE 2.Reihe XA 251f. s.v. Zeugma 1) (Bertold Spuler).
[3] D. Kennedy, The Twin Towns of Zeugma on the Euphrates. Rescue Work and Historical Studies, JRA Suppl. 27 (1998). J. Wagner, Seleukeia am Euphrat - Zeugma, TAVO Beih. Reihe B 10 (1976).
Homepage zu Zeugma der Universität von Western Australia:
http://www.ist.lu/zeugma/intro.html
Seite des türkischen Kulturministeriums: http://www.kultur.gov.tr/guncel/zeugma.html
Aufruf von D. Kennedy, inkl. Literatur und weiterer Adressen: http://www.arts.uwa.edu.au/Classics/archeology/Z3.html
Außenministerium Frankreichs: http://www.france.diplomatie.fr/culture/france/archeologie/zeugma/
Scientific American: http://www.scientificamerican.com/exhibit/2000/052900zeugma/index.html
[4] Strab. 16,2,3.
[5] Die Bildfelder mit Daidalos und dem Trojanischen Krieg sind derzeit im Museum Gaziantep ausgestellt.

© Mustafa Büyükkolanci

This article will be quoted by M. Büyükkolanci, Die Villen der Terrasse A in Zeugma, Forum Archaeologiae 16/IX/2000 (http://farch.net).



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