Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 16 / IX / 2000

EIN DACH FÜR EPHESOS.
DER SCHUTZBAU FÜR DAS HANGHAUS


Wie reiche Römer wohnten


Eingebettet zwischen den Abhängen des Bülbül dag im Süden und des Panayir dag im Nordosten liegt das Zentrum der hellenistisch-römischen Stadt Ephesos, der ehemaligen Metropolis Asiae. In der sich nach Nordwesten öffnenden Senke zwischen den beiden Stadtbergen stellt - dem Geländeverlauf folgend - die sog. Kuretenstraße, antik Embolos, eine der Hauptverkehrsadern der Stadt dar. An ihr lagen die prachtvoll ausgestalteten Häuser der städtischen Elite: die Hanghäuser [1].
Derzeit sind zwei insulae ausgegraben, die von steilen, mit Treppen ausgestatteten Gassen erschlossen werden. Im zuerst ausgegrabenen, sog. Hanghaus 1 erstrecken sich sechs herrschaftliche Wohnungen auf vier Terrassen; das verbaute Areal beträgt 3000m2. Die ursprünglich repräsentative Ausstattung blieb leider nur in wenigen Ausschnitten erhalten [2].
Anders jedoch im Hanghaus 2: Auf dem Grundriß der etwa 4000m2 großen insula befinden sich insgesamt sieben Wohneinheiten, wiederum dem Geländeverlauf entsprechend auf Terrassen angelegt. Die ursprünglich mit vergleichbaren Grundrissen im 1. Jh. v.Chr. angelegten Wohnungen von ca. 450 bis 550 m2 wurden im Laufe ihrer Benutzungszeit durch Zusammenlegungen bzw. Teilungen vielfach umgestaltet. Eine große Erdbebenserie 262 n.Chr. beschädigte den gesamten Komplex dermaßen, daß er unrenoviert zugeschüttet wurde.


Abb. 1: Hanghaus 2, Musenzimmer (Photo: N. Gail)

Abb. 2: Hanghaus 2, Marmorsaal (Photo: N. Gail)

Die Innenarchitektur und Ausgestaltung spiegelt Moden und Vorlieben, Aufgabenbereiche und Luxus der Bewohner des Hanghauses 2 wider. Die in vielen Räumen erhaltene Freskomalerei (Abb. 1), die allgegenwärtigen Boden- und Wandmosaike, Marmorböden (Abb. 2), opus sectile-Arbeiten und die sich oft noch in situ befindende Marmorwandvertäfelung machen das Hanghaus 2 zu einem der wichtigsten Zeugnisse antiker Wohnkultur im ganzen Mittelmeerraum [3]. Diese archäologisch und historisch äußerst wertvollen Ruinenstätte galt es vor der neuerlichen Bedeckung bzw. sogar der endgültigen Zerstörung durch den nagenden Zahn der Zeit zu bewahren.


"Bergwerk der Erinnerung im Tagbau" [4]


Nimmt man die Charta von Venedig [5] ernst, so gibt es nur zwei Möglichkeiten, ein antikes Gebäude durch Überdachung zu schützen. Eine Möglichkeit wäre die Rekonstruktion der antiken Ruine bis zum Dach in historisch korrekter Form sowie die moderne Inbetriebnahme des neuen Bauwerkes mit allen Konsequenzen. Dafür fehlen im Hanghaus 2 in Ephesos trotz des hervorragenden Erhaltungszustandes wesentliche Elemente. Die andere Möglichkeit ist eine moderne Konstruktion, die der Ruine sowohl in der Architektur als auch der Verwendung der Materialien fern steht. Wir haben der zweiten Möglichkeit den Vorzug gegeben, die für die Ruine keine Konkurrenz sondern kontrastierende Bereicherung ist.
Nach langjährigen provisorischen Dächern, nach einer zeitweise als Museum zugänglichen, die antike Dachlandschaft nachempfindenden Eindeckung der südlichsten beiden Wohnungen mit Stahlbeton und Ziegeln, nach einem geladenen Wettbewerb und einem weiteren internationalen Gutachterverfahren auf der Basis eines Pflichtenheftes [6] ging der Entwurf der Planergemeinschaft W. Ziesel und O. Häuselmayer als "Siegerprojekt" hervor. Das nun realisierte Projekt entsprach nicht nur allen geforderten technologischen und klimatologischen Bedingungen, sondern bestach auch durch Ästhetik und Eleganz, die trotz der Mehrkosten seine Realisierung gerechtfertigt erscheinen lassen.


Ein Dach für Ephesos entsteht






Nach der Beschlußfassung für das "Pflichtenheft" im November 1995 im Rahmen der konstituierenden Sitzung der Hanghauskommission erging im Mai 1996 die Einladung an fünf österreichische Ingenieurbüros, einen Schutzbau für das Hanghaus 2 in Ephesos auf Grundlage dieses "Pflichtenheftes" zu entwerfen. Am 28. Mai 1997 ergeht der Beschluß, das auf Vorschlag der Hanghauskommission von den zuständigen türkischen Behörden genehmigte Projekt Häuselmayer - Ziesel zu errichten.

Die gesamte Konstruktion besteht aus nur drei Werkstoffen:
-) eine leichte Stahlkonstruktion aus Edelstahl, der korrosionsfrei ist und daher lange ohne Wartung hält (Abb. 3) [7];
-) eine Dachfläche, in Form einer textilen, transluzenten Dachhaut (Abb. 4) [8], die hohe Festigkeit mit langer Lebensdauer verbindet und in den selbsttragenden Stahlrahmen eingespannt ist;
-) die Fassade aus transparentem Polykarbonat [9] in Form geknickter Schuppen (Abb. 5), die für die Durchlüftung optimiert ist.

Abb. 3: Blick in die Trägerkonstruktion aus Edelstahl (Photo: N. Gail)
Abb. 4: Anbringung eines Regelfeldes der Dachhaut (Photo: N. Gail)
Abb. 5: Blick auf die mit Polykarbonatschuppen geschlossene Ostfassade (Photo: A. Sulzgruber)

Die Bauherrenschaft liegt beim Österreichischen Archäologischen Institut (ÖAI), das Projektmanagement liegt bei der Firma SITEC (Wien), die Firma AREEA (Graz) fungiert als Controller.
24. September 1997: Auftragerteilung. Die Österreichische Akademie der Wissenschaften und die Generaldirektion für Monumente und Museen der Republik Türkei sagen ihre Unterstützung zu.
Spatenstich: 3. Mai 1998. Die Firma Metallbautreiber Treiber KG (Graz) fungiert als Generalunternehmer; die Abbrucharbeiten werden von der Firma Karotmak (Istanbul) durchgeführt. Im Oktober 1998 erfolgen - begleitet von archäologischen Untersuchungen - die ersten Fundamentarbeiten.
3. Mai 1999: Montagebeginn des Stahlbaus
19. August 1999: Dachgleiche des Stahlbaus
8. Oktober 1999: Fertigstellung der Membranemontage
Die Gesellschaft der Freunde von Ephesos sichern die Einbringung 35 Millionen ATS zu; das Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr sagt die Übernahme der restlichen Baukosten zu.
24. Juni 2000: Eröffnung


Abb. 6: Peristyl der Wohneinheit 6 (Photo: N. Gail)

Der einsatzfreudigen Gesellschaft der Freunde von Ephesos, 14 Großsponsoren [10] und der Zusage des Bundes ist es zu danken, dass das Projekt Schutzbau für das Hanghaus 2 in Ephesos mit seinem Gesamtauftragsvolumen von 80 Millionen ATS überhaupt realisiert werden konnte. Ihnen besonders und allen jenen, die ihre Arbeitskraft und Ideen in die Umsetzung der hohen Ansprüche gesetzt haben, sei an dieser Stelle ausdrücklich gedankt.


Die Zeit steht nicht still



Abb. 7: Hanghaus 2 vom gegenüberliegenden Panayir dag (Photo: A. Sulzgruber)

Auch nach Abschluß der Bauvorhaben (Abb. 7) gibt es noch viel zu tun. Die Konservierung der Ruine ist noch keineswegs abgeschlossen. Derzeit müssen wir von einem geschätzten konservatorischen Arbeitsaufwand im Gegenwert von 45 "Mannjahren" ausgehen. An Baumaßnahmen sind noch die Errichtung von Stegen und Galerien ausständig, die die Führung des Besucherstromes ermöglichen und gleichzeitig einen illustrativen und schonenden Umgang mit der Ruine gewährleisten. Darüber hinaus sind wissenschaftliche Bearbeitung und Publikationen des Hanghauses 2 in Ephesos voranzutreiben und abzuschließen [11].

Literatur:
F. Krinzinger (Hrsg.), Ein Dach für Ephesos, SoSchrÖAI 34 (2000).

[1] Der Name selbst ist eine Erfindung aus der Anfangszeit der Ausgrabung der Hanghäuser in den frühen 60er Jahren.
[2] C. Lang-Auinger, Hanghaus 1 in Ephesos. Der Baubefund, FiE VIII/3 (1996).
[3] W. Jobst, Römische Mosaiken aus Ephesos I. Die Hanghäuser des Embolos, FiE VIII/2 (1977); V. M. Strocka, Die Wandmalerei der Hanghäuser in Ephesos, FiE VIII/1 (1977).
[4] Friedrich Achleitner, Architekt, prägte diesen Ausdruck im Zusammenhang mit dem Schutzbau über dem Hanghaus 2.
[5] Charta von Venedig: http://www.icomos.org/docs/venice_charter.html.
[6] Es galt in dem neu zu bauenden Schutzbau vor allem die klimatischen Bedingungen zum optimalen Schutz der antiken Bausubstanz zu definieren: Es war ein exaktes Gleichgewicht der Luftfeuchtigkeit, Raumtemperatur und Lichtverhältnisse sowie des Strömungsverhalten der Atmosphäre anzustreben. Die entsprechenden Berechnungen führte E. Wunderer durch.
[7] Die gesamte Dachkonstruktion besteht aus nichtbehandeltem Edelstahl, wodurch eine hohe ästhetische Wirkung erzielt wird und die Folgekosten durch die Wartungsfreiheit dieses Materiales gering gehalten werden. Die Stützen sind wegen wirtschaftlicher Gründe aus Normalstahl und weniger gegliedert, um den Korrosionsschutz einfacher aufbringen und kontrollieren zu können.
[8] Es wurde eine Membran der Marke SHEERFILL V ARCHITECTURAL MEMBRANE, ein Verbundmaterial aus Fiberglas und PTFE, gewählt, die hohe Witterungs- und UV-Beständigkeit aufweist, schmutzabweisend, schwer entflammbar und trotz hoher Festigkeit leicht ist.
[9] Das Material der Polycarbonattype LEXAN ermöglicht Ein- und Ausblicke und weist die notwendige Festigkeit und Stabilität gegen Beschädigungen von außen auf. An Stellen direkter Sonneneinstrahlung auf die antiken Schmuckoberflächen wurde die Oberfläche der Lexanplatten derart bearbeitet, dass nur diffuse Streuung der Direktstrahlung auftritt.
[10] Zu den Großsponsoren zählen (in alphabetischer Reihenfolge): Bank Austria AG, Creditanstalt-Bankverein, Donau Allgemeine Versicherungs AG, EA Generali AG, EVN Energieversorgung Niederösterreich AG, Kallingerbau, Metallbau Treiber KG, Österreichische Bundesbahnen, Oesterreichische Nationalbank, Österreichische Lotterien GmbH, Raiffeisen Zentralbank Österreich AG, Siemens AG Österreich, STRABAG Österreich GmbH, VATech, Verbundplan GmbH.
[11] F. Krinzinger u. Mitarbeiter, ÖJh 68, 1999, Beibl. Jahresbericht 1998 19-25. Die Publikation des Baubefundes und der Ausstattung ist in der Reihe Forschungen in Ephesos in Zusammenarbeit mit der Österreichischen Akademie der Wissenschaft geplant.

© Friedrich Krinzinger
e-mail:
fk@oeai.univie.ac.at

This article will be quoted by F. Krinzinger, Ein Dach für Ephesos. Der Schutzbau für das Hanghaus, Forum Archaeologiae 16/IX/2000 (http://farch.net).



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