Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 11 / VI / 1999

DAS KERAMIKMATERIAL AUS DER SONDAGE WEST 3/95 AN DER RINGMAUER IN XANTHOS

Seit dem Jahr 1992 wird im Rahmen der französischen Grabungen in der lykischen Metropole Xanthos durch J. des Courtils (Bordeaux) und Th. Marksteiner (Wien) ein Projekt durchgeführt, welches die Dokumentation und grabungsarchäologische Datierung der antiken und nachantiken Bauphasen der Stadtbefestigungen zum Ziel hat. Zu diesem Zweck werden an unterschiedlichen Stellen im Bereich der Siedlungsfortifikationen Sondagen angelegt.
Das Keramikmaterial aus der Sondage West 3/95 stammt aus einer im Zuge des Bauvorganges erfolgten Einfüllung zwischen der Außenmauer der Bastion und dem früheren Mauerwerk. Die jüngste Keramik aus diesen Schüttungen bietet einen terminus post quem für die Errichtung der Bastion.
Das früheste Fragment aus der Sondage 3 ist eine Schale mit schwarzen vertikalen Strichen und Punktrosetten, welche mit attischen Skyphoi des frühen 8. Jhs. vergleichbar ist. Schwarzfirnisware fand sich in Sondage 3 in großer Stückzahl, sodaß sie circa 35 % des gesamten Materials bildet. Sie erlaubt es, das zeitliche Spektrum der Keramikfunde aus der Sondage zu bestimmen, und bildet die Grundlage für eine Datierung des Zeitpunktes der Einschüttung des Füllmaterials. Als das jüngste datierbare Material aus diesem Konvolut dürfen Fragmente von drei Rundschulterlampen mit glattem Rand, schwach abgesetztem Scheibenfuß und kurzer Schnauze mit leicht eckigem Abschluß gelten. Vergleichsstücke aus den Kerameikos- und Agora-Grabungen in Athen werden in das letzte Viertel des 5. Jhs. v.Chr. datiert.
Von besonderem Interesse ist die während der Kampagnen von 1995 und 1997/98 sehr zahlreich gefundene feine Ware mit rötlichem, rotbraunem oder schwarzem Überzug, welche nach der Schwarzfirnisware den zahlenmäßig größten Anteil an dem Material aus Sondage West 3 hat. Die häufigste Form dieser Gruppe ist die Schale mit ausgebogenem Rand, zu welcher sich einige Vergleichsstücke in der Literatur finden, die in das 6. und 5. Jh. v.Chr. datiert werden. Aus Lykien sind jedoch keine Parallelen publiziert. Ob es sich bei dieser Ware um 'lokale' Keramikproduktion handelt, muß noch offen gelassen werden.
Der für die Keramikfunde aus dem Schüttmaterial erschlossene zeitliche Rahmen vom 8. Jh. v.Chr. bis in klassische Zeit basiert in erster Linie auf der Importware. Während bei der bemalten Ware und bei der feinen Ware mit Überzug lokale Produktion angenommen werden könnte, ist die Fundlücke bezüglich vorarchaischer 'lokaler' Ware trotz des Auftretens in dieser Periode im importierten Fundmaterial auffällig. Keramik mit einem Dekor aus konzentrischen Kreisen, welcher mit matter, roter, dunkelbrauner oder schwarzer Farbe auf den Tongrund aufgetragen ist, könnte diese Lücke schließen. Hier sind jedoch weitere Untersuchungen abzuwarten.
Der keramologische Befund der Sondage West 3/95 weist darauf hin, daß die sekundäre Bauaktivität in diesem Bereich der Ringmauern - es handelt sich um die Errichtung eines bastionsartigen Baukörpers - an das Ende des 5. Jhs. zu datieren sein dürfte. Damit wäre erstmals auch der grabungsarchäologische Nachweis gelungen, daß die große Ringmauer von Xanthos, wie aufgrund baugeschichtlicher Erwägungen seit einigen Jahren angenommen wird, in vorhellenistischer Zeit angelegt wurde.

© Banu Yener-Marksteiner



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