Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 11 / VI / 1999

ETHNIKON ODER ETHNIKA AUF DEM SCHLACHTFRIES DES PARTHERDENKMALS VON EPHESOS *

Nach der Auffindung der Hochreliefplatten vor der Celsusbibliothek in Ephesos im Jahre 1903 glaubte man, in dem Schlachtfries den Schlüssel zur Deutung und Zuordnung des Reliefprogramms gefunden zu haben: Anhand der kämpfenden Barbaren, die als Parther bezeichnet wurden, stellte man eine Verbindung zu den Partherkriegen des Lucius Verus her und wies die Reliefs einem Siegesdenkmal für Lucius Verus nach den Partherkriegen zu [1].
Das Ethnikon eines Parthers ist in der römischen Kunst mit ganz bestimmten Trachtmerkmalen charakterisiert: mit langen Hosen, Schuhen, gegürteter Ärmeljacke (oft mit v-förmigem Ausschnitt) und - dies aber nicht zwingend - mit einer phrygischen Mütze. Die Ganzkörpertracht ist also fester Bestandteil zur Definition eines Orientalen bzw. Parthers [2].

Abb. 5: Getöteter Barbare. Wien, Ephesosmuseum (nach E. Lessing - W. Oberleitner, Ephesos. Weltstadt der Antike [1978] Abb. 31)

Die Barbaren des Schlachtfrieses des Partherdenkmals sind nicht durch eine einheitliche Tracht als ein Ethnikon ausgewiesen, vielmehr liegt hier eine Mischform aus Trachtbestandteilen von Nordbarbaren, z.B. Galliern oder Germanen, Orientalen, also Parthern, vor. Geschürzte, behoste oder nackte Barbaren sind in der römischen Kunst geläufig, so am Galaterschlachtfries aus Ephesos, an antoninischen Schlachtsarkophagen, Triumphdenkmälern oder etwa in zahlreichen Kleinbronzen [3].

Befremdend an dem Partherschlachtfries sind einige Elemente, die eigentlich fest in Verbindung mit Orientalen stehen: Die phrygische Mütze, die hier bei einem Großteil der Barbaren vorkommt, und das Raubtierfell als Satteldecke, das an drei zu Barbaren gehörigen Pferden zu erkennen ist. Jedoch gehört die phrygische Mütze ebensowenig zu einem Nordbarbaren wie die Nacktheit zu einem Orientalen.
Bei der Siegerpartei fällt gleichermaßen Uneinheitlichkeit auf: Im Hintergrund vornehmlich römische Krieger in Feldherrntracht und bis auf eine Ausnahme zu Pferd, im Vordergrund, und somit an prominenter Stelle, kämpfen leicht Gekleidete in griechischem Chiton und gräzisierendem Helm. Alle drei Fußkämpfer tragen den Mulleus, der sie als hochgestellte Personen auszeichnet [4]. Im Gegensatz zu der bewegten Mimik der unterlegenen Barbaren, haben die Kämpfer der Siegerpartei ausdruckslose, glatte Gesichter.
Der Schlachtfries, von dem mehrere Platten fehlen, ist mit Sicherheit jenseits von Historizität zu verstehen [5]. Immer wieder wird der Fries mit der Renaissance des Hellenismus in Verbindung gebracht.
Da die Barbaren hier in eklektischer Weise zur Darstellung gebracht wurden, die getreue Wiedergabe der Realien also nicht im Vordergrund steht, erhebt sich die Frage, ob diese Reliefs überhaupt mit einem historischen Ereignis, nämlich dem Partherkrieg des L. Verus, in Verbindung gebracht werden können [6]. Vielmehr wird man in Zusammenhang mit dem gesamten Friesprogramm die Reliefs als Staatsdenkmal auch staatsideologisch auffassen müssen. In dem Schlachtfries manifestiert sich ein Grundgedanke, der für das Bestehen eines Reiches unabdingbar ist: Ein funktionierendes Heer zur Grenzsicherung bzw. zur Grenzerweiterung. Eine Datierung in die Zeit vor M. Aurel ist, auch aus stilistischen Aspekten, auf die hier nicht eingegangen werden kann, sehr wahrscheinlich [7].

* Die Verf. ist Mitarbeiterin in einem Projekt des FWF "Das Partherdenkmal von Ephesos" unter der Leitung von W. Oberleitner. Da die Untersuchungen noch nicht abgeschlossen sind, müssen derzeit endgültige Ergebnisse noch offen bleiben.
[1] R. Heberdey, ÖJh 7, 1904, Beibl. 53ff. 157f.; F. Eichler, 2. Beih. ÖJh 49, 1971, 102-136, bes. 119-111. 129ff.; W. Oberleitner u.a., Funde aus Ephesos und Samothrake. Katalog der Antikensammlung II (1978) 66-94.
[2] Die Verf. hat die Darstellung von Parthern eingehend untersucht. Die 1996 abgeschlossen Dissertation "Das Bild der Parther und Sasaniden in der römischen Kunst" befindet sich in Vorbereitung zum Druck. s. auch R. Schneider, Bunte Barbaren (1987); ders. in: J. Wiesehöfer (Hrsg.), Das Partherreich und seine Zeugnisse (1998) 95-127 mit wichtiger Literatur.
[3] W. Oberleitner, JbKSWien 77, 1981, 57-104; s. allg. K. R. Krierer, Sieg und Niederlage. Untersuchungen physiognomischer und mimischer Phänomene in Kampfdarstellungen der römischen Plastik, Wiener Forschungen zur Archäologie 1 (1995) passim. Zum Partherdenkmal ebenda 104-108. 214 mit ausführlicher Literatur.
[4] s. auch K. Stähler, Boreas 10, 1997, 107-116.
[5] F. Eichler, Bericht über den VI. Internationalen Kongreß für Archäologie Berlin 1939 (1940) 488ff. 492.
[6] P. Liverani, RIA Ser. III, 19/20, 1996/97, 168f. mit Anm. 63ff.
[7] ders., a.O. 153ff.; s. dazu auch ders., RM 102, 1995, 219ff.

© Alice Landskron



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