Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 11 / VI / 1999

"BILDER AUS DEM DEUTSCHEN LEBEN. GERMANISCHE KÖPFE DER ANTIKE"
Eine Skizze zu Franz Miltner [1]

Sein 1938 in Potsdam erschienenes Buch "Germanische Köpfe der Antike" hat Franz Miltner als 37jähriger außerordentlicher Professor der Alten Geschichte an der Universität Innsbruck herausgebracht. Miltners Hinwendung zur Germanenthematik [2] entsprach dem Zeitgeist. Hatte er diese in Innsbruck in 10 von 22 Seminaren in den Mittelpunkt gestellt [3], so war es das genannte Buch, welches das Einsetzen seiner diesbezüglichen Publikationstätigkeit markiert. Es war von populärem Charakter, erschienen in einer Reihe "Bilder aus dem deutschen Leben". Als "Personengeschichte" verfaßt, behandelt es Führergestalten von Ariovist bis Geiserich. "Hat Ariovist durch den Vorstoß in linksrheinisches Land für alle Zeiten den Rhein zu deutschen Landes Strom gemacht, hat Armin das deutsche Volk vor Verwelschung bewahrt" [4]. Der völkische Gedanke und das Führerprinzip seien die Pfeiler, auf denen germanische/deutsche Geschichte aufbaut.

Abb. 14: Franz Miltner
(Foto nach Almanach Wien 110,
1960 [1961])

Es ist auf der Basis des Miltnerschen Vokabulars in diesem Buch vergleichsweise wenig ideologisch Behaftetes, das zeitweise durch die heute etwas patinierte Oberfläche des Textes schimmert. Auffällig ist, daß in der angeschlossenen Literaturliste [5] keine einzige, auch nur irgendwie mit der NS-Ideologie [6] in Zusammenhang zu bringende Schrift aufscheint. Einige antike Germanenbildnisse, wofür Miltner Fotovorlagen des Römisch-Germanischen Zentralmuseums Mainz verwenden konnte, sind ohne direkten Zusammenhang mit dem Text in das Buch gesetzt. Das Germanenbild der Kunst interessierte Miltner nicht besonders, wohl aber Ethnographisches, stellenweise idealisierend benutzt, etwa wenn er dem Gesichtsausdruck [7] und den Augen des Arminius zubilligt, sie "verrieten das Feuer seines Geistes" [8], wobei allerdings eine Stelle bei Velleius Paterculus (2, 118, 2) Pate gestanden hat. Oder: wenn er germanische Gefangene und die "herben, kraftstrotzenden Leiber dieser in nordischer Salzluft aufgewachsenen Burschen" "für die verweichlichten Genießer und die liebesüchtigen Dämchen der Weltstadt" Rom einen "besonderen Reiz" ausüben läßt [9].


Auch das Blut kommt nicht zu kurz, wenn Geiserich wegen einer "Verhinderung einer Vermischung seiner Vandalen mit den anderen Staatsangehörigen", um dadurch "sein Volk stark und rein zu erhalten", gelobt wird [10].
Es erscheint schwer, Miltners politische Gesinnung allein auf der Grundlage seiner wissenschaftlichen Veröffentlichungen [11] zu beurteilen, denn selten wird sie in diesen deutlich. Es wurde vermerkt, daß seine ab 1940 in der von ihm mitherausgegebenen KLIO erschienenen jährlichen Berichte über das germanenkundliche Schrifttum "der Interpretation über Miltners Einstellung keinen Spielraum" zuließen [12].
Dies ist zumindest nicht die ganze Wahrheit, denn auch hier ist Miltner Wissenschafter sui generis, und wenn - zuweilen im Hintergrund oszillierend oder gleichsam zwischen den Zeilen erahnbar - zeitgemäße Gesinnung spürbar ist, so wird diese mitunter kräftig relativiert: um nur ein Beispiel anzuführen, die Besprechung eines Buches über den Namen des Arminius. Miltner stimmt dem Verfasser zu, der Name sei nicht germanisch sondern römisch, sichert sich aber - wohl jenen gegenüber, für die solche Interpretation ein rotes Tuch war - mit folgendem ab: "Es ist wohl nur in unserer heutigen, manchmal eigenartig überempfindlichen Zeit notwendig, besonders hervorzuheben, daß von solcher Namensherleitung die geschichtliche und militärische Größe Armins ... unberührt bleibt."[13] In einem Beitrag aus dem Jahre 1942 mit dem Titel "Um germanische Einheit" [14] geht der vormalige Österreicher Miltner der "eindringlichen Beschäftigung mit den frühen Zeiten unseres [notabene des deutschen] Volkes" nach. Er muß jedoch erkennen, daß für das Bewußtsein "ihres gemeinsamen Volkstums" das Zusammengehörigkeitsgefühl der einzelnen (germanischen) Volksteile noch nicht so ganz vorhanden war. Dennoch meinte Miltner, daß der Kampf des Arminius gegen Roms Legionen zumindest "von völkischen Überlegungen getragen" war, und weil neben den Cheruskern auch andere Stämme daran beteiligt waren, könne man von einer "völkischen Bewegung" sprechen. Miltner beschließt den Artikel mit der vermeintlich einzigen Option: "Denn mag auch völkische Einheit in Blut und Sprache und allgemeiner Lebenshaltung verankert sein, zu bewußt wirkender und fruchtbar formender Kraft kann sie nur werden in der härtenden Bewährung des Kampfes".

[1] Die Thematik gehört einem größeren Arbeitsvorhaben an mit dem Titel "Das antike Germanenbild und die Geschichte seiner Erforschung". - Miltner, Köpfe = Franz Miltner, Germanische Köpfe der Antike (Potsdam: Akademische Verlagsanstalt Athenaion, 1938); Ulf = Christoph Ulf: http://info.uibk.ac.at/c/c6/c616/personal/cu.html; Franz Miltner, in: Reinhold Bichler (http://info.uibk.ac.at/c/c6/c616/personal/rb.html) (Hrsg.), 100 Jahre Alte Geschichte in Innsbruck, Franz Hampl zum 75. Geburtstag = Forschungen zur Innsbrucker Universitätsgeschichte Bd. XIII (Innsbruck 1985) S. 47-59; ebenda S. 104-106: Eva-Maria Pyrker - Christoph Ulf, Schriftenverzeichnis von Franz Miltner.
[2] http://www.oeaw.ac.at/gema/gb.htm.
[3] Ulf 31.
[4] Miltner, Köpfe 10.
[5] Miltner, Köpfe 140.
[6] Vgl. http://www.gnomon.ku-eichstaett.de/cgi-bin/Desk.pl?d=Die+Zeit+des+Nationalsozialismus.
[7] http://members.eunet.at/phoibos/phoibos/wifoar/sun.htm.
[8] Miltner, Köpfe 37.
[9] Miltner, Köpfe 62.
[10] Miltner, Köpfe 138.
[11] http://www.gnomon.ku-eichstaett.de/Gnomon/Titelsuche.html (Autorensuche "Franz Miltner").
[12] Ulf 53.
[13] F. Miltner, Klio 36, 1944, 112.
[14] F. Miltner, Die Antike 18, 1942, 57-70; die folgenden wörtlichen Zitate ebenda S. 57. 67. 70.

© Karl Reinhard Krierer
e-mail: karl.reinhard.krierer@univie.ac.at



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