Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 11 / VI / 1999

NEUE FORSCHUNGEN ZU DEN FRÜHEN STADTMAUERN VON VELIA

Seit 1997 wurden die Arbeiten an den Stadtmauern von Velia wieder aufgenommen. Sie konzentrierten sich in Ergänzung zu den Forschungen der 70er Jahre, welche vor allem die Mauerzüge A und D (auf dem Höhenrücken bzw. in der Nordstadt) betroffen hatten, auf die Unterstadt von Velia. Es zeigte sich, daß die Befestigung hier zwischen den Türmen B 3 und B 6 in mehreren Abschnitten errichtet wurde, da dieser Bereich durch die starken Hangerosionen, aber auch durch das Ablagern von großen Mengen von Meeressanden ab der zweiten Hälfte des 5. Jhs. v.Chr. ständigen Veränderungen unterworfen war. Daher war auch der Verlauf der Küstenlinie der spätarchaischen Zeit weiter landeinwärts (etwa auf der Höhe von Turm B 4) anzunehmen und auch die früheste Befestigung in diesem Bereich zu vermuten.



Abb. 2: Übersichtsplan von Velia (gelb: archaisches Siedlungsgebiet; grün: spätarchaische Stadtmauern)

Bei den Grabungen des Jahres 1998 wurde nun erstmals ein Teil dieser frühen Stadtmauer angeschnitten, und zwar in einem Schnitt südöstlich des Turmes B 3 und damit knapp am Fuß des ansteigenden Hanges zur Oststadt. Durch die geringen Maße des Schnittes konnte die in NW-SO-Richtung verlaufende Mauer nur auf eine Länge von 1,90 m freigelegt werden. Sie entsprach mit ihrer Breite von rund 1,80 m den bereits bekannten Resten im Bereich von Mauerzug A. Ihre Vorderseite bildeten mächtige, polygonal verlegte Sandsteinblöcke (Maße: 1 x 1,20 m), die mit kleinen Flyschsteinen hinterfüllt waren. Ihre Rückseite konnte aufgrund späterer Überbauungen nicht ergraben werden. Das aufgehende Mauerwerk bestand aus Lehmziegeln, deren Reste in einer massiven Versturzlage südlich der Mauer gefunden wurden. Diese erste Mauer kann nach dem - mengenmäßig geringen - Fundmaterial in spätarchaische Zeit datiert werden.
Diese Stadtmauer ist im Zusammenhang mit einer 1991 im Bereich unter der Insula II entdeckten, ebenfalls etwa 1,80 m breiten Mauer in der gleichen polygonalen Bautechnik zu sehen. Aufgrund ihrer Bauweise und der beachtlichen Mauerstärke kann sie nicht mit der privaten Wohnbebauung in Zusammenhang gebracht werden. Da sie in Hangrichtung verlief, scheint eine Funktion als Terrassierungsmauer wenig wahrscheinlich. Auch diese Mauer könnte daher am ehesten als Teil der frühen Stadtbefestigung der Unterstadt von Velia interpretiert und so mit den 1998 aufgedeckten Resten in Verbindung gebracht werden, ohne daß sich ihr topographischer und ihr chronologischer Zusammenhang im Moment eindeutig klären lassen.

© Verena Gassner e-mail: Verena.Gassner@univie.ac.at



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