Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 7 / VI / 1998

PRÄHISTORISCHE UNTERSUCHUNGEN
IN DER UMGEBUNG VON EPHESOS (1990-1997)

Bis 1990 war die Lage der ältesten Siedlung in der Mündungsbucht von Ephesos nicht gesichert. 1960 stieß man erstmals im südlichen Teil des Ayasolukhügels (Abb. 1), vor dem Tor der Verfolgung, auf Funde aus mykenischer Zeit. Diese Funde gaben Anlaß zu umfangreichen wissenschaftlichen Vermutungen über die Lage der Stadt Ephesos auf dem Ayasolukhügel in oder vor mykenischer Zeit.

Abb.1: Ayasolukhügel von Süden mit Johannesbasilika im Vordergrund

Daher wurden 1974 unter der Leitung von E. Akurgal, Doyen der Archäologie in der Türkei und profunder Kenner der kleinasiatischen Westküste, zahlreiche Sondagen am Ayasolukhügel angelegt, um die mykenische Siedlung zu finden. Doch führten diese Unternehmungen zu keinem schlüssigen Ergebnis.
Während der Restaurierungsarbeiten und einer kleinflächigen Sondage an der spätantiken Verteidigungsmauer im Osten der Festung, die vom Museum in Selçuk durchgeführt wurden, stieß man jedoch 1990 auf größere Mengen an prähistorischer Keramik und auf einen mächtigen Mauerrest (Abb. 2-3). Die folgenden Untersuchungen wurden unter der Leitung von S. Erdemgil und M. Büyükkolanci in Zusammenarbeit mit A. Boratav und N. Yalman vom Institut für Ur- und Frühgeschichte der Universität Istanbul, die die örtliche Arbeiten ausführten, durchgeführt.

Abb. 2-3: Ostteil des Ayasolukhügels und die Umfassungsmauer

Neben dem Schnitt an der Mauer, der am Ausläufer des Hügels liegt, wurden innerhalb der Burg drei weitere Sondagen angelegt, die Aufschlüsse über die Grenze der Siedlung geben sollten. Der ergrabene Befund belegte zwar durch mehrere Mauerreste die islamische Baugeschichte des Burghügels, brachte aber keinen Aufschluß über eine wahrscheinliche Siedlung der Frühgeschichte auf dem Ayasoluk.
Eine Sondage der genannten drei, an der Südostecke der Zitadelle, erbrachte wiederum reichlich Material zur jüngsten Geschichte des Hügels. Im unteren Bereich dieser Sondage konnten aber auch bereits Keramikbruchstücke der mittleren Bronzezeit und direkt auf dem stark abschüssigen gewachsenen Fels und in dessen Spalten Fragmente der Periode Troja I geborgen werden, die den Zeithorizont bis zur Kumtepe IB-Periode, das ist das 4. Jahrtausend v.Chr. erweitern.

Abb. 4: Profil mit Schutt- und Zerstörungsschichten
Eine weitere Sondage im Bereich der byzantinischen Stadtmauer konnte die Reste einer aus großen Blöcken errichtete Steinmauer anschneiden; es handelt sich um die Stadtmauer einer Siedlung aus der späten Bronzezeit oder der mykenischen Epoche. Vielleicht handelt es sich um die Stadtmauer der Stadt Apasa, die uns in hethitischen Quellen überliefert ist.
An der Mauer liegt eine intakte, bis zu einem Meter dicke Zerstörungsschicht, die ihrerseits von der byzantinischen Stadtmauer gestört wird. Auf dem Bauniveau der frühen Stadtmauer auf der Meereshöhe von 58,00 wurden sechs Gefäße in situ gefunden, darüber liegt die Zerstörungsschicht aus Lehmziegel, Asche und Holzkohlestückchen (Abb. 4).
Außer der Umfassungsmauer wurde eine verputzte kleinflächige Anlage freigelegt, die mit ihrer etwa 40cm über dem Bauniveau liegenden, horizontalen Oberkante als ein Sockel oder erhöhter Sitzplatz interpretiert werden kann. Darauf lagen drei Gefäße, in denen verkohlte Gerstenkörner und weitere organische Reste aufgefunden werden konnten. Direkt auf dem gewachsenen Fels wurden auch in dieser Sondage Keramikfragmente des 4.Jahrtausends gefunden.
Die bisherigen Grabungen machen nun eine durchgehende Besiedlung des Ayasolukhügels – wenngleich auch mit einigen Zäsuren – seit dem 4. Jahrtausend v.Chr. deutlich.

Zwei weitere prähistorische Siedlungen wurden 1995 bei Surveys durch Archäologen des Ephesos-Museums gefunden. Die eine liegt östlich der römisch-hellenistischen Stadt Ephesos auf einem kleinen Hügel, der die Flurbezeichnung Çukuriçi Höyük trägt. Der zweite prähistorische Fundplatz konnte in der Gegend von Arvalya, an der Straße von Selçuk nach Kusdasi, lokalisiert werden; der Platz führt den Namen Arvalya Höyük.
Beide Plätze liegen nahe eines den südlichen Golf von Ephesos durchquerenden Flusses, Marnas und Arvalya. Streufunde an diesen Orten stellten sich als Gefäßfragmente des Neolithikums, Chalkolithikums und der frühen Bronzezeit heraus; darunter waren auch Fragmente der charakteristischen Tunnelhenkel. Außerdem konnte Obsidian und Silex sichergestellt werden. Das Ephesos-Museum hofft, mit Erlaubnis des Türkischen Kulturministeriums und in Zusammenarbeit mit einer türkischen Universität, in naher Zukunft mit Ausgrabungen an diesen drei wichtigen prähistorischen Plätzen beginnen zu können.

Neue Ausgrabungen auf dem Ayasoluk im Jahre 1996 erbrachten reichlich mykenische, geometrische und früharchaische Keramik. Der stratigraphische Befund stellt sich als ausschließlich abgeschwemmtes Material heraus, das Spuren einer Zerstörungskatastrophe erkennen läßt. Auf jeden Fall können diese Reste als weiteres Indiz für eine Identifikation des Ayasolukhügels als Stadt Ephesos verstanden werden. Eine Publikation dieser Grabung ist derzeit in Vorbereitung.

Literatur:
S. Erdemgil - M. Büyükkolanci, 13. Kazi Sonuclari Toplantasi 2 (1992) 265-281.
S. Erdemgil - M. Büyükkolanci, Jüngste archäologische Nachweise für die älteste Geschichte von Ephesos, in: F. Hueber, Ephesos - gebaute Geschichte, Sonderheft Antike Welt 28 (1997) 26ff.
Der Neue Pauly 3 (1997) 1078ff. s.v. Ephesos (P. Scherrer).

© M. Büyükkolanci



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