Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 99 / VI / 2021

DIE ARCHÄOLOGIE ZYPERNS AM INSTITUT FÜR ANTIKE DER UNIVERSITÄT GRAZ

Die Archäologie der Insel Zypern gehört seit etwa 20 Jahren zu den Forschungsschwerpunkten des Instituts für Antike (vormals Institut für Archäologie). Im Folgenden sollen die Teilprojekte und der vom Institut für Antike im Jahr 2020 herausgegebene Band der 2017 in Graz veranstalteten Tagung „Classical Cyprus“ kurz vorgestellt werden.

Forschungsschwerpunkte zur Archäologie Zyperns am Institut für Antike
Zu den Kernbereichen zählte von Beginn an die zyprische Kalkstein-, Marmor- und Terrakottaplastik der klassischen, hellenistischen und römischen Periode, anfänglich mit Fokussierung auf Porträtplastik und der Frage nach der Abhängigkeit der hellenistischen Bildnisse vom ptolemäischen Herrscherporträt, in späteren Jahren erweitert um verschiedene Fragestellungen wie Darstellungen von jungen oder alten Menschen, Aspekte der Tracht und Sammlungsgeschichte. Die Arbeit mit Originalskulpturen wurde nicht nur in den Museen Zyperns (Abb. 1), sondern auch an anderen Standorten sowie in der Steiermark durchgeführt, etwa durch die Aufarbeitung der kleinen zyprischen Keramik- und Skulpturen-Sammlung der Universität Graz, aber auch der bedeutenden Zypern-Sammlung des Universalmuseum (vormals Landesmuseum) Joanneum.
Seit 2012 ist Nicole Reitinger in den Forschungsschwerpunkt eingebunden, zuerst im Rahmen ihrer Dissertation an der Bearbeitung der kleinformatigen spätklassischen und hellenistischen Kalksteinstatuetten im Cyprus Museum, darüber hinaus auch mit der Aufnahme von klassischen, hellenistischen und römischen Terrakotten im Cyprus Museum und von antiken Skulpturen aus dem antiken Ledra, der Vorgängerin der Hauptstadt Nikosia, welche selektiv mit 3D-Scans (P. Bayer) dokumentiert wurden.


Weiterführender Link:
Zypern – Plastik. Porträt-, Votiv- und Grabplastik aus Zypern, https://antike.uni-graz.at/de/forschen/projekte/laufende-projekte/skulptur/zypern-plastik/

Attische und nach Zypern exportierte Keramik des 6. bis 4.Jhs. v.Chr. wird seit 2016 durch Maria Christidis erforscht. Ausgehend vom Bestand attisch rot- und schwarzfiguriger Vasen im Cyprus Museum in Nikosia untersucht sie, ob man im antiken Zypern bestimmte Gefäßformen oder bestimmte Themen bevorzugte oder ob man attische Gefäße in Zypern imitierte bzw. in Athen zyprische Gefäßtypen herstellte.

Weiterführender Link:
Attische importierte Keramik – Zypern, https://antike.uni-graz.at/de/forschen/projekte/laufende-projekte/keramikforschung-digitale-methoden/attische-importierte-keramik-zypern/

Seit Oktober 2020 forscht und lehrt Laerke Recht als Professorin für Frühe Hochkulturen des Mittelmeerraumes am Institut für Antike. Ihr wissenschaftlicher Schwerpunkt liegt auf Tier-Mensch-Interaktionen in profanen und sakralen Bereichen der Bronzezeit Mesopotamiens, der Levante und Zyperns. Wir freuen uns über den Zuwachs im Zypern-Forschungsbereich!

Weiterführender Link:
Doktoratsprogramm Antike Kulturen des Mittelmeerraums (AKMe), https://antike.uni-graz.at/de/institut-fuer-antike/fachbereiche/fruehe-hochkulturen-des-mittelmeerraumes/

Die Erforschung sakraler und häuslicher Komplexe in Amargeti, Bezirk Pafos, wurde im Jahr 2019 mit einem Surveyprojekt des Instituts in Angriff genommen (G. Ambros, E. Christof, G. Koiner, U. Lohner-Urban, A. Puhm, S. Sturmann). Der archäologische Survey wurde durch die Analyse von Luftbildern und Satellitendaten (A. Agapiou, V. Lysandrou, Cyprus University of Technology, Remote Sensing & Geo-Environment Research Lab – Eratosthenes Research Centre, Lemesos) sowie durch eine Georadrarprospektion (R. Morawetz, Technisches Büro für Geophysik, A. Milchrahm, GeoSup-AM GmbH) unterstützt. Die nördlich der modernen Ortschaft begangenen Fluren Asomatos (Abb. 2) und Petros Anthropos erbrachten Keramik aus hellenistischer und römischer Zeit sowie aus der Periode der fränkischen Herrschaft. Die Fragmente der aufgesammelten figürlichen Terrakotten datieren von archaischer bis hellenistischer Zeit. Eine sichere funktionale Ansprache der einzelnen Fundplätze ist bislang nicht möglich. Die archäologischen Tätigkeiten mit neuerlicher Begehung der Fluren, Dokumentation und Aufarbeitung der Funde sollen noch heuer fortgesetzt werden.


Weiterführende Links:
G. Koiner et al., The Graz Amargeti Survey 2019, Forum Archaeologiae 94/III/2020 (http://farch.net).
The Graz Amargeti Survey Project, https://antike.uni-graz.at/de/forschen/projekte/laufende-projekte/ausgrabungen-des-instituts-nach-regionen/the-graz-amargeti-survey-project/
Department of Antiquities, Cyprus: Amargeti: Survey Project, Graz University (Austria), http://www.mcw.gov.cy/mcw/DA/DA.nsf/All/C818C368AF7E077BC22584E40032273E?OpenDocument

Der Tagungsband „Classical Cyprus”
Im Rahmen des Zypern-Schwerpunkts wurden in den letzten Jahren ein Workshop mit nationalen Forschungsprojekten zum antiken Zypern (2016) und zwei internationale Tagungen organisiert, die mit den Themen „Hellenistic Cyprus“ (2010) und „Classical Cyprus“ (2017) bestimmten chronologischen Abschnitten der zyprischen Archäologie und Geschichte gewidmet waren. Die Akten dieser letzten Tagung, die vom 21.–23. September 2017 stattfand, liegen nun gedruckt vor. Die sechsundzwanzig Beiträge spiegeln die vielfältigen Forschungen der letzten Jahre zu klassischen Denkmälern (5. und 4.Jh. v.Chr.), aber auch zu Objekten und Befunden der unmittelbar vorhergehenden und nachfolgenden Perioden.
Sie behandeln archäologische Ausgrabungen und deren Befunde und Funde im antiken Kition (G. Georgiou) und in Kataliondas-Kourvellos, eines südlich von Nikosia an den Hängen des Troodos gelegenen Fundplatzes (J. Beck und P. Birchler-Emery), die Anwendung spektrometrischer Methoden am Münzschatzfund von Vouni im Norden der Insel (A. Charalambous) und die archivalische Suche nach den Kammergräbern von Idalion (St. Schmid und C. Huguenot). Mehrere Beiträge befassen sich zum einen mit zyprischer Keramik aus archaischer Zeit (G. Bourogiannis, C. Lang-Auinger), zum anderen mit attischer Keramik aus zyprischen Fundorten wie Palaipafos (Ch. Peverelli) oder Marion (V. Lewandowski) und mit der Darstellung von Theaterszenen (M. Christidis). Breiter Raum wird der zyprischen Stein- und Terrakottaskulptur gegeben mit der Vorstellung von Skulpturen aus Privatsammlungen, der Neubetrachtung von altbekannten Objekten und Deutungen von Neufunden (A. Hermary), zu Votivfiguren und deren Adaption an der griechischen Tracht (A. Ulbrich), zur Darstellung von Kindern (O. Bobou), zu antiken Skulpturen aus dem antiken Ledra (G. Koiner, N. Reitinger, P. Bayer), zu Bes, des Herrn der Löwen, aus Amathous (I. Tassignon), zum Amazonensarkophag aus Soloi (G. Plattner, W. Prochaska), zu Terrakotten von Marion (S. Raptou) und schließlich zu Terrakotten vom sog. Salines-Heiligtum beim antiken Kition und deren Deutung als Votivgaben für eine Schutzgöttin der Salzherstellung (P. Maillard). Fragen nach ägyptischen, persischen und griechischen Einflüssen und des Paradigmenwechsels in der zyprischen Ikonographie (G. Papantoniou) und Überlegungen zu Kronenarten weiblicher Figuren (G. Koiner) erwuchsen ebenfalls aus Forschungen zur zyprischen Plastik. Epigraphische Beiträge, etwa zum paphischen Syllabar (A. Halczuk) oder zum Kult der Demeter in Zypern (G. Ambros), und historische Analysen, wie die Überlegungen zum Statut von Kourion (Y. Vernet) oder die verlorene zyprische Politeia des Aristoteles (P. Evdokimov), bilden das Netz für die archäologischen Forschungen. Untersuchungen zu Museumsgründungen im 19.Jh. (A. D. Sergidhou) und die Rekontextualisierung von Museumsobjekten (A. Reeve) beleuchten die Sammlungs- und Forschungsgeschichte und können Objekten ihre Kontexte wieder geben. Den Blick übers Meer in den nahen Norden gewährt ein Beitrag über Alabastra aus Kleinasien (E. Lafli, M. Buora, P. Chatzidakis).

M. Christidis – A. Hermary – G. Koiner – A. Ulbrich (Hrsg.), Classical Cyprus. Proceedings of the Conference University of Graz, 21-23 September 2017, Κυπριακά – Forschungen zum Antiken Zypern 5 (Wien 2020)
Der Titel ist über den Verlag Holzhausen in Wien beziehbar: https://shop.verlagholzhausen.at/collections/%CE%BA%CF%85%CF%80%CF%81%CE%B9%CE%B1%CE%BA%CE%AC-forschungen-zum-antiken-zypern/products/classical-cyprus


Zuletzt soll auf zwei Publikationen aufmerksam gemacht werden, die ebenfalls dem Zypern-Forschungsschwerpunkt der Universität Graz erwachsen und in der Reihe Κυπριακά – Forschungen zum Antiken Zypern, erschienen sind.

G. Ambros – M. Christidis – G. Koiner (Hrsg.), Antikes Zypern – Kulturen im Dialog. Akten des ersten Zypern-Workshops an der Universität Graz, am 16. Juni 2016, Κυπριακά – Forschungen zum antiken Zypern 1 (Wien 2017)
N. Reitinger, Spätklassische und hellenistische Kalksteinstatuen und -statuetten auf Zypern. Eine Untersuchung von bisher unpublizierten Kalksteinstatuen im Cyprus Museum in Nicosia und Larnaca District Museum, Κυπριακά – Forschungen zum Antiken Zypern 4 (Wien 2019)
Die Titel sind über den Verlag Holzhausen in Wien beziehbar: https://shop.verlagholzhausen.at/collections/%CE%BA%CF%85%CF%80%CF%81%CE%B9%CE%B1%CE%BA%CE%AC-forschungen-zum-antiken-zypern


© Gabriele Koiner
e-mail: gabriele.erath@uni-graz.at

This article should be cited like this: G. Koiner, Die Archäologie Zyperns am Institut für Antike der Universität Graz, Forum Archaeologiae 99/VI/2021 (http://farch.net).



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