Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 91 / VI / 2019

REZENSION: B. FREYER-SCHAUENBURG, SAMIAKA
Schriften zur samischen Plastik

Der hier vorliegende Sammelband leistet eine wichtige Hilfestellung für das Studium samischer Plastik im Besonderen der nacharchaischen Zeit. Auf 280 Seiten mit 24 S/W-Textabbildungen (einschließlich Plänen und Zeichnungen) und 48 Tafeln mit 153 S/W-Abbildungen sowie 2 zusätzlichen Farbtafeln mit 2 Farbabbildungen auf den Umschlagseiten werden 21 Einzelbeiträge der Autorin wie auch ein Beitrag von Ulf Jantzen mit einem Vorwort der Autorin in deutscher Sprache zu ausgewählten Stücken samischer Bildhauerkunst zusammengeführt. Den Abschluss bildet das allgemeine Schriftenverzeichnis der Autorin. Alle Beiträge sind bereits an anderen Stellen publiziert und in den wissenschaftlichen Diskurs eingebunden. Eine kritische inhaltliche Auseinandersetzung an dieser Stelle erübrigt sich daher. Der Mehrwert dieses Bandes liegt vor allem in der Zusammenführung der Beiträge in einem einzigen Band, der gerade für die nacharchaische samische Plastik einen praktikablen und schnellen, wenn natürlich auch nicht vollständigen Überblick ermöglicht sowie in den von der Autorin wo nötig den Beiträgen nachgestellten Addenda, in denen sie auf neuere Beiträge, Forschungsmeinungen und Korrekturen verweist. Ein weiterer Gewinn ist die ausgesprochen hohe Qualität der Abbildungen.
Im Vorwort klärt die Autorin, die wohl als bedeutendste Kennerin samischer Plastik gelten muss, über die Hintergründe ihres lebenslangen Schaffens auf der Insel sowie die Beweggründe zur Zusammenstellung des vorliegenden Bandes auf. Der Band führt die von ihr zwischen 1969 und 2017 verfassten Einzelbeiträge zu wichtigen Exponaten samischer Plastik von der Archaik bis in die römische Kaiserzeit zusammen. Die Beiträge sind sinnvollerweise nicht nach Erscheinungsjahr, sondern nach der Chronologie wie zum Teil auch der Gattung der behandelten Objekte geordnet. Daraus ergeben sich drei größere Rubriken: „Archaik und Klassik“ mit sieben Beiträgen, „Hellenismus und Kaiserzeit“ mit ebenfalls sieben und „Römisches Portrait“ mit acht Beiträgen. Im Inhaltsverzeichnis wird der Leser über den ursprünglichen Erscheinungsort des jeweiligen Beitrags informiert. Mit wenigen Ausnahmen (Beitrag 1. 2. 9) werden die behandelten Stücke nicht in den bisher erschienenen Monographien zur samischen Plastik der archaischen Zeit und des strengen Stils (Samos XI) sowie zur hellenistischen Plastik (Samos XII) besprochen. Dennoch waren sie in der Forschung zumeist auch schon vor der Ersterscheinung der Beiträge bekannt. Der von der Autorin vorbereitete Band zur samischen Plastik der römischen Kaiserzeit (Samos XIII) wird die entsprechenden Beitragsobjekte gleichfalls behandeln. Bis zu seiner Fertigstellung dient der vorliegende Sammelband aber als willkommene Zusammenstellung wichtiger Artefakte dieser Epoche. Die Autorin spricht in den Einzelbeiträgen vor allem signifikante Detailaspekte an, die außerhalb der Beiträge kaum Raum gefunden haben und auch in größeren epochenbezogenen Abhandlungen vernachlässigt werden müssten.

Der erste Beitrag (1 Anekdota zur Geneleos-Gruppe S. 10–24; Erstveröffentlichung 1990) in der Sektion „Archaik und Klassik“ beinhaltet die handschriftlichen Aufzeichnungen von Ulf Jantzen – zuletzt Direktor des Deutschen Archäologischen Institut in Athen und mit einer intensiven Forschungsvita auf Samos – über seine ganz persönliche Beziehung zu diesem Werk. Auf erfrischende Weise schildert er darin gleichzeitig die neuere Schicksalsgeschichte der Gruppe nach ihrer Wiederauffindung. Die Autorin, die über Jantzen den Zugang zu ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit auf Samos fand, würdigt den Verfasser mit einem Vorwort. Der zweite Beitrag (2 Geneleos-Gruppe aus dem Heraion von Samos S. 25–27; erschienen 1996) ist eine knappe Beschreibung und kunsthistorische Einordnung der Gruppe in den wichtigsten Grundzügen. Das Addendum verweist auf jüngere Literatur und Fragestellungen. Der dritte Beitrag (3 Ein samischer Mädchenkopf S. 28–33; erschienen 1969) ordnet das Köpfchen einer ostionischen Schleierträgerin – zur Entstehungszeit des Artikels in Schweizer Privatbesitz – als samische Schöpfung des frühen dritten Viertels des 6.Jhs. v.Chr. ein und fragt allgemein nach seiner typologischen Deutung. Das Addendum verweist auf neuere Beiträge, den aktuellen Aufbewahrungsort des Kopfes sowie neuere Funde. Beitrag 4 (4 Ein archaischer Raubvogel von Samos S. 34–38; erschienen 1986) entlarvt einen lange für byzantinisch gehaltenen Vogeltorso als Exemplar einer geographisch auf den lydisch-ostionischen Raum beschränkten Gruppe archaischer Raubvogeldarstellungen des 6.Jhs. v.Chr. und diskutiert deren mögliche Bezüge zum Kybelekult. Das Addendum verweist auf neuere Funde und Literatur. Mit dem Bruchstück eines Kybelereliefs beschäftigt sich der fünfte Beitrag (5 Zu einem samischen Kybelerelief S. 39–46; erschienen 2001). Neben einleitenden Korrekturen zur Zeitstellung des von der Autorin in Samos XI, 173 Nr. 87 Taf. 73 noch als archaisch eingeordneten samischen Kybelereliefs hebt sie das im Fokus stehende Reliefbruchstück als attributlose thronende Kybeledarstellung des späten 6.Jhs. v.Chr. hervor. Das Addendum verweist auf jüngere und wichtige Literatur zu den samischen Kybeleheiligtümern sowie zu Kybelereliefs des 6.Jhs. allgemein.

Im sechsten Beitrag (6 Die Wirkung Polyklets auf die samische Plastik S. 47–54; erschienen 1993) arbeitet die Autorin an vier recht bekannten Werken (Abb. 1) das eigenständige Schöpfen der samischen Bildhauer unter dem Eindruck des polykletischen Formenkanons heraus. Demnach belegen die Bildnisse sehr qualitätsvolle samische Werkstätten, die frei mit polykletischen Motiven umgingen, in ihrem Kern aber der ionischen Bildtradition verhaftet blieben. Dieses äußerte sich nicht zuletzt in der Behandlung des Inkarnats und der Plastizität der Einzelformen. Ein Addendum gibt es nicht. Im siebten Beitrag (7 Die klassischen Skulpturen von Samos S. 55–61; erschienen 1999) stellt die Autorin eine Auswahl von zehn klassischen samischen Werken ab der zweiten Hälfte des 5.Jhs. zusammen, die sie knapp beschreibt und – da z.T. kontrovers datiert – chronologisch einordnet. Drei davon wurden bereits in Beitrag 6 ausführlicher behandelt. Kurz gestreift wird die mögliche Auseinandersetzung der samischen Bildhauer mit myronischen und polykletischen Werken. Schließlich betont die Autorin die wichtige Rolle der Sepulkralplastik im Spektrum samischer Marmorbildnisse und diskutiert den Import attischer Originale, gerade während der Kleruchie. Das ausführliche Addendum klärt über den aktuellen Stand der Nekropolenforschung auf Samos auf.

Die zweite Sektion „Hellenismus und Kaiserzeit“ leitet der achte Beitrag (8 Pythagoras und die Musen? S. 62–70; erschienen 1992) ein. Hierin deutet die Autorin den sitzenden Bärtigen eines mehrfigurigen provinziellen aber inhaltlich eigenständigen samischen Weihereliefs des späten 4.Jhs. v.Chr. als heroisierten Pythagoras im Verein mit den Musen. Dabei diskutiert sie kurz die ikonographischen Anhaltspunkte und ihre Stellung innerhalb einer schwerer zu fassenden Bildtradition für die Darstellung des Philosophen. Das Addendum weist auf eine anfänglich nicht erkannte Rasur einer Inschrift im Sockelfeld hin. Im neunten Beitrag (9 Zu zwei Nymphenreliefs von Samos und ihrer Weiterverwendung im sepulkralen Bereich S. 71–84; erschienen 2017) hebt die Autorin zunächst die Besonderheit der Umarbeitung des bereits in Samos XII, 152–153 Kat.-Nr. 131c veröffentlichten Nymphenreliefs aus dem letzten Drittel des 2.Jhs. v.Chr. in ein Grabrelief für drei Frauen im 1.Jh. n.Chr. hervor. Sie fragt, ob es für ein weiteres ›Dreifrauenrelief‹ dieser Zeit auf Samos Pate gestanden hat, das aus Sicht der verwendeten typologischen Chiffren nur als Grabrelief sinnvoll erklärt werden kann. Im Zentrum der Betrachtung steht allerdings ein drittes offensichtlich auch in ein Grabrelief umgearbeitetes Nymphenrelief des 2.Jhs. n.Chr. (Abb. 2). Mittels einer ausführlicheren typologischen Auseinandersetzung und Herleitung zeigt die Autorin, dass sich das Relief zwar an bekannten und weit verbreiteten Nymphenrelieftypen orientiert in seiner Zusammenstellung aber ein originelles, wenn auch provinziell gearbeitetes samisches Einzelstück darstellt. Ein Addendum gibt es nicht.

Mit dem zehnten Beitrag (10 Iphigenie und Artemis S. 85–95; erschienen 1997) wendet sich die Autorin der rundplastischen, in ihrer kunsthistorischen Stellung äußerst kontrovers diskutierten Artemis-Iphigenie Gruppe in Kopenhagen und dem aus zwei Marmorsorten gearbeiteten Iphigenietorso aus den Thermen der antiken Stadt Samos zu. Nach einer einleitenden Skizzierung der beiden Hauptzweige bildlicher Überlieferung der Iphigenie in Aulis, zu denen die Autorin noch einen dritten zählt, der in der klassischen Vasenmalerei überliefert ist, leitet sie zu einem detaillierten Vergleich der beiden im Fokus stehenden Werke über. Dabei kommt sie zu dem Schluss, dass es sich um zwei Kopien – die erste frühkaiserzeitlich, die zweite frühantoninisch – eines gemeinsamen klassizistischen Originals des 1.Jhs. v.Chr. handelt. Dieses könnte sich – wie schon öfters vermutet – in Kleinasien bzw. Ephesos befunden haben. Das Addendum verweist auf jüngere Literatur und gibt Erläuterungen zur Sockelung und Aufstellung des samischen Torsos im neuen Museum von Pythagoreion. Im elften Beitrag (11 Zur Artemis-Iphigenie-Gruppe S. 96–98; erschienen 1990) hebt die Autorin den in Beitrag 10 besprochenen Iphigenietorso als wichtigsten nacharchaischen Skulpturenfund auf Samos hervor. Ergänzend zum vorangegangenen Beitrag steht eine genauere Objektbeschreibung und der Vergleich mit der Iphigenie der Kopenhagener Gruppe. Das Addendum verweist auf die ausführliche Besprechung in Beitrag 10. Im zwölften Beitrag (12 Asklepios, die Buchrolle und das Ei. Zu einem Asklepiostorso auf Samos und weiteren Repliken des Typus Amelung S. 99–123; erschienen 2011) wendet sich die Autorin sehr ausführlich dem frühseverischen Torso eines Asklepios aus dem Thermenanlagen der antiken Stadt Samos zu. Er gehört zu den wenigen großplastischen Repliken des am weitesten verbreiteten und kontrovers diskutierten Typus Amelung bzw. Giustini Version III A, einer eklektischen Schöpfung des 2. Jhs. v. Chr. In einer detaillierten Gegenüberstellung mit anderen Vertretern dieses sowie weiterer Typen arbeitet die Autorin die Stellung des Torsos innerhalb seiner Gruppe heraus und macht wichtige neue Beobachtungen und Korrekturen. Danach wendet sie sich den bei einigen Repliken des Typus Amelung beigefügten Buchrollen sowie ihren Behältern zu und stellt klar, dass diese Objekte gegen die allgemeine Ansicht häufiger bei Asklepiosdarstellungen der Kaiserzeit anzutreffen sind. Abschließend diskutiert sie die drei verschiedenen von G. Strohmaier, J. Riethmüller und G. Grimm vorgeschlagenen Erklärungen für das von der samischen Statue und weiteren Repliken gehaltene Ei. Hier wendet sie sich gegen Grimms Deutung, der das Ei auf die bei Lukian überlieferte Geschichte des falschen Propheten Alexandros von Abonuteichos und eine für den Ort geschaffene Kultstatue des Asklepios bezog. Im Anhang fügt sie eine von ihr redigierte Fassung der Replikenliste des Typus Amelung von V. Uhlmann an. Ein Addendum gibt es nicht. Ausführlich behandelt die Autorin im 13. Beitrag (13 Gladiatoren auf Samos S. 124–144; erschienen 2006) acht Reliefbruchstücke mit Gladiatorendarstellungen. Dabei weist sie drei der Objekte einem sehr fragmentarisch erhaltenen Reliefzyklus mit Raubtier- und Gladiatorenkämpfen aus der Mitte des 2.Jhs. n.Chr. zu. Nach Rekonstruktion und Deutung der dargestellten Gladiatorengattungen und Kampfszenen bei gleichzeitiger Begründung der Zusammengehörigkeit der Bruchstücke argumentiert sie gegen die mögliche Verbindung des Zyklus mit dem Theater der antiken Stadt Samos oder einem nahe aufgestellten Ehren- oder Erinnerungsmal. Stattdessen hält sie die Zugehörigkeit zum Grabbau eines Spielgebers für möglich. Die knappe Besprechung zweier samischer Pfeiler mit Gladiatorendarstellungen vermutlich aus dem 3.Jh. n.Chr. ist in die Argumentation integriert. Ein weiteres samisches Gladiatorenrelief aus der 2. Hälfte des 2.Jhs. n.Chr. wird von der Autorin in einen ähnlichen Zusammenhang gebracht. Schließlich folgt die Besprechung zweier Grabstelen für einen Secutor und einen Retiarius aus dem 2. oder 3.Jh. n.Chr. Ein weiteres Stelenfragment wird lediglich erwähnt. Unter Verweis auf die Typenvielfalt der auf Samos erhaltenen Monumente bei gleichzeitig geringer Stückzahl schlussfolgert die Autorin, dass der ursprüngliche Denkmälerbestand wesentlich höher gewesen sein muss, da analog zu anderen Fundorten mit umfangreicheren Serien einzelner Typen zu rechnen sei. Das Addendum verweist auf wichtige jüngere Literatur und bringt kleinere inhaltliche Ergänzungen. Im 14. Beitrag (14 Zum Grabrelief eines Frumentarius von Samos S. 145–155; erschienen 2008) wendet sich die Autorin der in einer Kapelle verbauten einzigen für Samos belegten Soldatenstele zu, die sie in die 2. Hälfte des 3.Jhs. n.Chr. datiert. Die verstümmelte auf Griechisch verfasste Grabinschrift weist den Verstorbenen als Frumentarius aus. In Kombination mit der im Reliefbild vom Verstorbenen gehaltenen Schriftrolle und dem markant betonten Zweifingergestus seiner rechten Hand deutet ihn die Autorin als Grammatophoros. Das Addendum verweist auf die nachträgliche Überführung des Reliefs ins Museum von Pythagoreion sowie eine dabei erkannte dritte Inschriftenzeile, die den Namen des Grab- bzw. Stelenstifters nennen könnte.

Die Sektion „Römisches Portrait“ eröffnet eine sehr knappe Einordnung der Porträts aus der kaiserzeitlichen Villa auf dem Kastrohügel (Tigani) von Pythagoreion (15 Zur Statuengallerie von Samos S. 156–157; erschienen 1983) als Familienesemble claudischer Zeit, das zwischen 53 und 55 n.Chr. anzusetzen sei und ca. 50 Jahre später durch die Porträtstatue des Trajan ergänzt wurde. Im Addendum verweist die Autorin darauf, dass sie diese Meinung nicht mehr vertritt, was in Beitrag 19 ausführlich erklärt wird. Stattdessen handle es sich um mehrere ›gewachsene‹ Ensembles. Zu einigen der Objekte seien Beiträge in Vorbereitung, die nicht in den vorliegenden Sammelband integriert sind. In Beitrag 16 (16 Augustus Capite Velatus. Zu einer unpublizierten Porträtbüste von Samos S. 158–163; erschienen 1975) stellt die Autorin die bei genauerer Betrachtung offenbar werdende Singularität des als Büste gearbeiteten frühkaiserzeitlichen Augustusporträts mit verschleiertem Hinterkopf und Toga von Samos heraus (Abb. 3). Demnach verweist das Porträt nur allgemein auf die priesterlichen Funktionen sowie die Pietas des Kaisers und erlaube keine konkretere Deutung. Das Addendum nennt die allgemein bekannte nach 1975 erschienene Literatur sowie in diesem Zusammenhang in Arbeit befindliche Beiträge der Autorin.
Mit dem 17. Beitrag (17 Caligula und Nero – ein samisches Palimpsest S. 164–169; erschienen 2004) ruft die Autorin ein fragmentiertes samisches Kaiserporträt in Erinnerung, das ursprünglich als Nero erkannt, dann aber wieder aus der Reihe der Nero-Bildnisse ausgeschlossen wurde. In einer detaillierten Analyse entlarvt sie den Kopf als Caligula-Porträt (Haupttypus), welches mittels starker Eingriffe im Besonderen in der oberen Gesichtshälfte in ein Bildnis des Nero (2. Typus/Typus Cagliari) umgearbeitet worden war. Weiter diskutiert sie die Zugehörigkeit des Kopfes zu einer Statue und deren ursprünglichen Aufstellungsort sowie andere Auffälligkeiten. Im Addendum verweist die Autorin auf die wichtigen Publikationen zum Themenkomplex umgearbeiteter römischer Porträts. In Beitrag 18 (18 Ein »skalpierter« Nero? S. 170–177; erschienen 2000) äußert die Autorin zunächst allgemeine Gedanken zum Umgang mit Bildnissen von römischen Kaisern, die der damnatio memoriae anheimgefallenen sind. Anschließend leitet sie zur Besprechung des für eine Zweitverwendung hergerichteten samischen Porträtkopfes über. Darin identifiziert sie den Kopf als Bildnis des Nero (2. Typus/Typus Cagliari), dem mit Ausnahme weniger Rudimente die gesamte Haarkappe säuberlich abgearbeitet worden ist. Vermutlich sollte sie zu einem unbestimmten Zeitpunkt durch eine separat gearbeitete neue Haarkappe ersetzt werden, wozu es aber wohl nie kam. Das Addendum ergänzt die mögliche Unterscheidung von zwei Überarbeitungsphasen des Kopfes, von denen die zweite in konstantinische Zeit fallen könnte.
In Beitrag 19 (19 Die Statue des Trajans auf Samos S. 178–207; erschienen 2002) gibt die Autorin einleitend kurze Informationen zur Auffindung der kaiserzeitlichen Porträts auf dem Kastrohügel von Pythagoreion auf Samos. Anschließend widmet sie sich der ausführlichen Besprechung der überlebensgroßen bereits in der Antike reparierten Trajan-Statue vom gleichen Fundort. Diese stellt den Kaiser nackt mit Lorbeerkranz und seitlich herabgeführtem Mantel dar. Nach Schilderung der Auffindungs- und modernen wie antiken Restaurierungsgeschichte folgt die Beschreibung der höchst qualitätsvollen Skulptur. Demnach sei zwar die Frisur und somit der Kopf an den Bürgerkronentypus angelehnt, der Körper folge aber keinem konkreten Vorbild. Ein größerer Abschnitt gilt der Besprechung des rot bemalten Mantels. Bemerkenswert sind die zahlreichen, wie ausgespart erscheinenden, rosettenähnlichen Muster, die nach Überlegung der Autorin nur von bereits verlorener pastoser Farbe oder abgefallenen Goldblättchen herrühren können. Beides muss vor dem finalen roten Farbauftrag aufgebracht worden sein. Die Benutzung von Schablonen schließt sie aus. Mit Blick auf den Habitus möchte die Autorin den als Sterne zu deutenden Manteldekor sowie den Lorbeerkranz vor dem Hintergrund griechischer Ikonographie interpretieren und schlägt eine Assoziation mit Apollon/Sol vor. Schließlich rekonstruiert sie als weitere verlorene Attribute Zepter und Globus. Demnach handelt es sich um ein idealisiertes Altersporträt des Kaisers, in dem er nicht als Triumphator sondern göttlich überhöht dargestellt ist. In der Diskussion zu den Hintergründen der Aufstellung bringt sie u.a. einen möglichen Besuch Trajans 113 n.Chr. auf dem Weg zum Partherfeldzug ins Spiel, sofern das Bildnis nicht auch postum entstanden sein kann. Neben dem Abkürzungsverzeichnis folgen Anhang I mit einer Liste von Trajan-Bildnissen des Bürgerkronentypus und dessen Variationen sowie Anhang II mit einer Liste kaiserzeitlicher Porträts mit Farbspuren. Das Addendum fordert eine grundlegende Revision des Beitrages, da inzwischen erkannt wurde, dass es sich um ein älteres umgearbeitetes Porträt – eventuell Domitian – handelt. Ferner sei vor allem Anhang II nicht mehr auf dem neuesten Stand. Im 20. Beitrag (20 Der Sternmantel des Kaisers Trajans S. 208–210; erschienen 2004) wiederholt die Autorin die Ausführungen zum Mantel sowie die wesentlichen Punkte für die Deutung der Trajan-Statue von Samos aus Beitrag 19. Das Addendum verweist auf das vorangegangene Addendum.
In Beitrag 21 (21 Zwei Bildnisköpfe des 2. Jhs. n. Chr. von Samos S. 211–215; erschienen 2003) bespricht die Autorin ein Knabenbildnis mit angestücktem Hinterkopf, das sich an Trajan-Bildnisse des 1. bzw. 3. Typs orientiert, sowie ein ehemals als jugendlicher Caracalla interpretiertes Porträt. Diese Deutung weist die Autorin zurück und ordnet es als Jünglingsbild antoninischer Zeit ein. Vorher und nachher betont die Autorin die für Samos auffällig geringe Zahl überlieferter Porträts des 2.Jhs. n.Chr. Aufbauend auf dem von H. Jucker 1961 in den Römischen Mitteilungen 68 veröffentlichten Aufsatz stellt die Autorin im abschließenden 22. Beitrag (22 Büsten mit reliefverziertem Indextäfelchen S. 216–225; erschienen 1980) eine Liste 14 weiterer rundplastischer als auch auf Reliefs dargestellter Büsten mit verziertem Indextäfelchen zusammen, darunter eine von Samos. Sie bestätigt Juckers zeitliche Einordnung der Büstenform zwischen ca. 120 und 260 n.Chr. sowie ihr schwerpunktmäßiges Vorkommen im ostmediterranen Raum. Sie widerspricht Juckers Vermutung intendierter Paarbildungen von Büstenporträts und vermutet hinter dem Auftreten ähnlich oder identisch gestalteter Täfelchen stereotype Gestaltungsweisen einzelner Werkstätten. Nach kurzen Überlegungen zu figürlich dekorierten Indextäfelchen in sepulkralem Kontext spricht sie das Problem nachantik mit Indextäfelchen versehener Büsten an. In Nachtrag I werden zwei weitere nach Abschluss des Manuskripts der Autorin bekannt gewordene Büsten mit Volutenindices, in Nachtrag II eine Knabenbüste des Thermenmuseums mit figürlich dekoriertem Indextäfelchen besprochen. Das Addendum verweist u.a. auf einen neueren Beitrag der Autorin mit erweitertem Materialbestand und nennt fünf zusätzliche, darin nicht enthaltene Stücke.

Der Nutzen dieses Sammelbandes liegt, wie oben betont, nicht zuletzt in der Zusammenführung der qualitätsvollen Einzelbeiträge in einem einzigen Band, bei deren Lektüre man gerne marginale redaktionelle Flüchtigkeiten überliest. So leistet es dem Wert dieses Buches keinen Abbruch, wenn kurz auf das Versehen im Vorwort hingewiesen sei, dass es sich bei dem ehemaligen Grabungsleiter des Heraions von Samos um Wolf-Dietrich Niemeier und nicht Heilmeier handelt oder der in Beitrag 6 besprochene Jünglingskopf nicht auf den Abbildungen 5.3–5.6, sondern 6.3–6.6 wiedergegeben ist. Vor dem Hintergrund eines zahlenmäßig vergleichsweise bescheidenen diachronen Spektrums an Objekten gelingt hier auf anschauliche Weise ein charakteristischer Einblick in die Vielschichtigkeit samischer Bildhauerkunst von der Archaik bis in die Kaiserzeit – auch wenn dabei natürlich stets auf die umfassenden Materialvorlagen der Monographien Samos XI (Archaik) und XII (Hellenismus) zur Vertiefung verwiesen werden sollte. So begegnen neben provinziellen Werken immer wieder sehr qualitätsvolle Arbeiten, die den Eindruck vermitteln, dass wohl stets hochwertige Bildhauerwerkstätten auf der Insel ansässig waren, welche sich eigenständig und frei mit überregionalen Strömungen auseinandersetzen konnten. Dies äußert sich selbst in der von der Autorin öfters betonten ›Originalität‹ provinzieller Arbeiten.

Brigitte Freyer-Schauenburg, SAMIAKA
Schriften zur samischen Plastik
Mit einem Beitrag von Ulf Jantzen
280 Seiten, 177 S/W- und 2 Farbabbildungen
Festeinband, Fadenheftung, 17x24cm
Kiel: Verlag Ludwig, 2018
ISBN: 978-3-86935-346-3
44,90 €

© Jan-Marc Henke
e-mail: jan-marc.henke@rub.de

This article should be cited like this: J.-M. Henke, Rezension: B. Freyer-Schauenburg, SAMIAKA. Schriften zur samischen Plastik, Forum Archaeologiae 91/VI/2019 (http://farch.net).



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