Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 87 / VI / 2018

NILPFERD ATTACKIERT KROKODIL
Zur Darstellung einer Tierkampfszene auf einer Gemme aus Carnuntum

Nach Plinius wurde das erste Fluss- oder Nilpferd (Hippopotamus amphibius) in Rom im Jahr 58 v.Chr. von M. Scaurus anlässlich seines Amtsantritts zur Ädilität in einem eigens dafür angelegten Wassergraben zusammen mit fünf Krokodilen zur Schau gestellt [1]. Für die folgenden Jahrhunderte ist das Tier in den kaiserlichen Menagerien Roms und in den Arenen immer wieder literarisch nachgewiesen [2].
Ursprünglich war das Nilpferd entlang des gesamten Flusslaufs des Nil bis hin zum Delta anzutreffen [3]. Durch intensive Bejagung waren die Bestände allerdings bereits in der Spätantike soweit dezimiert, dass Ammianus [4] Ende des 4.Jhs. berichtet, das Nilpferd wäre in Ägypten nirgends zu finden und hätte sich vermutlich nach Nubien zurückgezogen. Die letzten Exemplare im Nildelta scheinen im 17.Jh. weitgehend ausgerottet worden und zu Beginn des 19.Jhs. gänzlich aus Ägypten verschwunden zu sein [5].


Das Krokodil war im historischen Ägypten zumindest durch zwei unterschiedliche Arten vertreten (Crocodylus niloticus und Crocodylus suchus). Wie Herodot bemerkt, wurde es in Theben und bei den Umwohnern des Moiris-Sees als heilig verehrt, in anderen Teilen des Landes aber gejagt [6]. Strabo ist in der Stadt Arsinoë (röm. Krokodilopolis) im Fayyum-Becken Zuschauer einer Fütterung des heiligen Krokodils Suchos, welches in einem See von Priestern mit der Hand gefüttert wird [7].
Jahrhunderte später findet sich in der Vita Isidori des Damaskios die Erwähnung einer „friedlichen“ Art von Krokodilen, die Suchos genannt wird [8]. Bereits der Zoologe Geoffroy Saint-Hilaire war zu Beginn des 19.Jhs. davon überzeugt, dass es sich bei Suchos nicht lediglich um den Namen heiliger, in menschlicher Obhut gehaltener Krokodile handelt, sondern dadurch eine eigene Art beschrieben werden kann, die weniger agressiv und somit leichter zu halten ist [9].
Erst kürzlich konnte durch DNA-Analysen bestätigt werden, dass die von Saint-Hilaire propagierten unterschiedlichen Spezies von Krokodilen in Ägypten tatsächlich koexistierten. Es ist einerseits das Nilkrokodil (Crocodylus niloticus) sowie andererseits das Westafrikanische Krokodil (Crocodylus suchus)[10]. Letztere Art ist heute nur noch in West-Zentral-Afrika existent, während sie am Nil nicht mehr anzutreffen ist.
Die Verbreitung der Tiere im antiken Ägypten erstreckte sich entlang des gesamten Nil, im Fayyum-Becken, sowie bis Palästina [11]. Während Krokodile im Delta bereits Ende des 18.Jhs. fast vollständig verschwunden waren, beschränkte sich ihre Verbreitung Ende des 19.Jhs. vor allem noch auf das Gebiet südlich von Assuan [12].
Wie das Nilpferd war auch das Krokodil ein gefragtes Kuriosum, das bei Veranstaltungen in Rom wiederholt zur Schau gestellt wurde. Sowohl Nilpferd als auch Krokodil fungierten als Sinnbilder des Nils und somit Ägyptens, und gehörten als landestypische Tiere zum Repertoire der Tierdarstellungen nilotischer Szenen in der römischen Kunst. Die Darstellung einer Kampfhandlung zwischen diesen beiden Tieren findet sich bereits in pharaonischer Zeit, etwa in der Mastaba des Mereruka [13] in Saqqara (Abb. 2). Eine überschaubare Anzahl von Bildwerken aus römischer Zeit zeigen den Angriff eines Nilpferdes auf ein Krokodil und finden sich in verschiedenen Materialgattungen.
In der Natur sind derartige Kämpfe vor allem bei Gefährdung der Nilpferdkälber und in Trockenzeiten zu beobachten, in denen die beiden Spezies auf engstem Raum ausharren müssen [14] (Abb. 1).


Ein querovales Karneol-Intaglio aus Carnuntum [15] (Abb. 3) zeigt ein nach links schreitendes Nilpferd vor schematisch wiedergegebener Lotusvegetation [16], die über dem Rücken des Tieres aufragt. Die Fläche zwischen und neben den Vorder- und Hinterläufen ist durch schräge, nach links und rechts verlaufende Linien gestaltet, die möglicherweise bewegtes Wasser andeuten könnten. Mit dem Maul packt es ein Krokodil mit dem Kopf nach unten. Dessen Vorderbeine scheinen unter dem Hals des Nilpferdes wiedergegeben zu sein. Der Schwanz des Reptils erhebt sich lecht eingerollt nach oben. Sein Maul ist durch zwei parallel laufende Linien angegeben. Eine kurze Linie zwischen Krokodilschwanz und Nilpferdnacken scheint einen Hinterlauf des Tieres darzustellen.


Eine Gemme mit identem Motiv (Abb. 4) befand sich im 18.Jh. in der bedeutenden Sammlung des Duc d´Orléans [17]. Dabei handelt sich ebenfalls um ein querovales Karneol-Intaglio, welches in seinen Maßen in etwa dem Carnuntiner Stück entspricht. Da der Kupferstich den Abdruck der Gemme wiedergibt, stimmt auch die Ausrichtung des Tieres mit dem Stück aus Carnuntum überein. Der Stich zeigt ein nach rechts schreitendes Nilpferd das ein Krokodil am Rumpf gepackt hat und es kopfüber hält. Der Hintergrund wird auch hier von mehreren emporragenden Lotuspflanzen gebildet.
Die perfekte Entsprechung zur Carnuntiner Gemme ist aus Vindonissa überliefert (Abb. 5). Auch hier ist die Szene in Karneol geschnitten und zeigt eine fast idente Anordnung der Vegetation im Hintergrund [18].
Ähnlich stilisierte Darstellungen der Pflanzen wie auf den beschriebenen Gemmen finden sich auf Mosaiken und Wandmalerein mit nilotischen Szenen wieder. Die Morphologie der Lotuspflanze (Abb. 6) wird dabei oftmals leicht abgeändert oder verfälscht wiedergegeben. So erhält der Lotus gelegentlich durch zusätzliche lanzettförmige Blätter ein schilfartiges Aussehen, bzw. werden die Blüten und Samenkapseln durch große Staublätter verfremdet wiedergegeben.


Eine weitere Gemme, in diesem Fall ein Kameo aus der Sammlung Uzielli [19] (Abb. 7), zeigt den Kampf in zweilagigem Onyx geschnitten. Das Nilpferd hält hier ein Krokodil an der Schulter gepackt. Der Kopf des Krokodils ist hier aufwärts gerichtet dargestellt.


In der Toreutik findet sich eine solche Darstellung auf einer Patera aus dem sog. Schatzfund von Egyed [20] (Abb. 8 und 9). Diese trägt als zentrales Bildmotiv ein nach links gewandtes Flußpferd, welches ein Krokodil am Hinterleib gepackt emporhält. Umgeben ist die Kampfhandlung von Pflanzendarstellungen und Wasservögeln. Es sind dies anscheinend ausschließlich Lotusgewächse, die sehr detailiert wiedergegeben sind. So lassen sich trotz der schlechten Erhaltung der Einlagen u. a. deutlich geöffnete Blüten, Blätter in Seitenansicht sowie Samenkapseln mit Samen erkennen.
Auch in Bildwerken aus Marmor ist dieses ungewöhnliche Tierkampfmotiv zu finden: Auf dem Sockel der kolossalen Statue des ruhenden Nil in den Vatikanischen Museen (Abb. 10) ist die Attacke eines Nilpferds als Reliefdarstellung zu sehen [21], ebenso auf einer weiteren Basis, die sich heute im Louvre befindet [22].


[1] Plin. nat. 8,40.
[2] K. Kitchell, Animals in the Ancient World from A to Z (London, New York 2014) 87f.
[3] N. Manlius, Historical Ecology and Biogeography of the Hippopotamus in Egypt, Belgian Journal of Zoology 130(1), 2000, 59–66, bes. 62 Fig. 1.
[4] Ammian 22,15,24.
[5] Manlius a.O.
[6] Herodot 2,69.
[7] Strabo 17,811f. Der Name bezieht sich auf den Gott Sobek, griech. Suchos (Σοῦχος), als dessen Inkarnation das Tier verehrt wurde; Krokodilopolis war der wichtigste Kultort des Krokodilgottes.
[8] Damaskios, Vita Isidori 99.
[9] Er stützte sich dabei unter anderem auf die anatomische Untersuchung des Schädels einer Krokodilmumie, G. Saint-Hilaire, Déscription de deux Crocodiles qui existent dans le Nil, comparés au Crocodile de Saint-Domingue, Ann. Mus. Hist. Nat. Paris 10, 1807, 67–86.
[10] E. Hekkala et al., An ancient icon reveals new mysteries: mummy DNA resurrects a cryptic species within the Nile crocodile, Molecular Ecology 20 (20), 2011, 4195–4198. Interessanterweise konnten sämtliche in dieser Studie untersuchten Krokodilmumien der Art Crocodylus suchus zugeordnet werden.
[11] Zeitschrift GfE Berlin, 1869(IV), Crocodile in Palästina, 267–269.
[12] S. Baha El Din, A Guide to the Reptiles and Amphibies of Egypt (Cairo 2006) 318f.
[13] P. Duell, The Mastaba of Mereruka, The University of Chicago Oriental Institute Publications 31 und 39 (Chicago 1938).
[14] S.K. Eltringham, The Hippos: Natural History and Conservation (London 1999) 117.
[15] Museum Carnuntinum 17.952. Material: Karneol, rostrot; Maße: 10,8x9,9mm. Datiert: 2./3.Jh. n.Chr.; G. Dembski, Die antiken Gemmen und Kameen aus Carnuntum (Wien 2005) 149 Kat. Nr. 976 und G. Dembski, Edle Steine – Schöne Bilder, Römische Gemmen und Kameen aus Carnuntum (St. Pölten 2010) 65 Nr. 52 mit anderslautender Interpretation.
[16] Indischer Lotus (Nelumbo nucifera). Die kolbenförmig aufragenden Gewächse können am ehesten als Blütenknospe, die schüsselförmigen Motive als Blätter bzw. Blüten und Samenkapseln dieser Pflanze angesehen werden. Siehe dazu St. Weidner, Lotos im alten Ägypten, Vorarbeiten zu einer Kulturgeschichte von Nymphaea lotus, Nymphaea coerulea und Nelumbo nucifera in der dynastischen Zeit (Pfaffenweiler 1985) 24–35; G. Jaksch, Ausgewählte Pflanzendarstellungen auf Textilien des spätantiken Ägypten (Dipl. Arb. Wien 2012) 35–40.
[17] F. Arnaud – H. Coquille, Description des principales pierres gravées du cabinet de S.A.S. Monseigneur le duc d'Orléans, premier prince du sang, II (Paris 1784) 167–169 Fig. 62. Die Gemmensammlung wurde 1787 von der russischen Kaiserin Katharina II erworben und befindet sich heute in der Eremitage in St. Petersburg; E. Zwierlein-Diehl, Antike Gemmen und ihr Nachleben (Berlin, New York 2007) 271.
[18] V. von Gonzenbach, ZSchwA 13, 1952, 72 Nr. 29 Taf. 28f. Material: Karneol, dunkelorange; Maße: 12x10mm.
[19] J.C. Robinson, Catalogue of the various works of art forming the collection of Matthew Uzielli (London 1860) 110 No. 388 Pl. 4; Verbleib dem Autor unbekannt. Zweischichtiger Onyx, untere Lage transparent, obere Lage dunkles Graubraun; Maße: ca. 12x6mm.
[20] Nationalmuseum Budapest, Inv. Nr. 10.1951.105. M.J. Versluys, Aegyptiaca Romana: Nilotic Scenes and the Roman Views of Egypt, Religions in the Graeco-Roman World 144 (Leiden 2002) 214f. Nr. 113 mit älterer Literatur.
[21] Versluys a.O. 214f. Nr. 015.
[22] Versluys a.O. 214f. Nr. 026.


© Paul Pingitzer
e-mail: p.pingitzer@gmx.at

This article should be cited like this: P. Pingitzer, Nilpferd attackiert Krokodil. Zur Darstellung einer Tierkampfszene auf einer Gemme aus Carnuntum, Forum Archaeologiae 87/VI/2018 (http://farch.net).



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