Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 87 / VI / 2018

MEHR ALS NUR BEN HUR – EINE 3D-ABROLLUNG DES RÖMISCHEN SILBERBECHERS VON GRÜNAU, STEIERMARK

Der Becher
Der römische Skyphos wurde 1990 bei Grabungen in der römischen Villa von Grünau in der Steiermark entdeckt. Er fand sich im Bereich des Peristylhofes, wo er in einer Grube, wahrscheinlich in einem Beutel, versteckt worden war. Publiziert wurde der Becher von E. Pochmarski und B. Porod, er befindet sich heute im Landesmuseum Joanneum [1].


Das Relief am Gefäßmantel zeigt, begrenzt durch die beiden angesetzten Henkel, beidseitig Szenen aus dem römischen Circus: die Vorbereitungen für ein Wagenrennen (Seite A) sowie den Sturz eines Lenkers bei der Wendesäule (Seite B). Der Becher wurde in einer italischen Werkstätte gefertigt und datiert in claudische Zeit. Die Höhe des Bechers beträgt 7,5-7,65 cm, der Durchmesser inkl. Henkel 13,7 cm, der Mündungsdurchmesser 9,6 cm. Der reliefierte Mantel besteht aus Silber, im Inneren ist ein Goldbecher eingesetzt; weitere Vergoldungen befinden sich in der oberen Becherzone.
Fotografische Abbildungen geben nur Teile des Reliefs wieder, da jede Seite beinahe 180° des Umfangs einnimmt. Für eine vollständige Abbildung der Reliefs in einem Bild ist demnach eine Abrollung nötig, die bislang nie angefertigt worden war. Die hier verwendete 3D-Technik ist präziser und materialschonender als ein Abrieb. Das Resultat kann bei Bedarf als Grundlage für eine interpretierte Zeichnung verwendet werden.

Der Scan
Mit dem Streifenlichtscanner DAVID SLS-2 wurde ein texturloses 3D-Modell der ausgezeichneten Replik aus dem Feuerwehrmuseum Groß Sankt Florian [2] angefertigt. Da die Henkel einen Teil des Frieses verdecken, wurden sie bei der Abrollung bis auf den unteren Ansatz virtuell entfernt.


Die Abrollung des Frieses wurde mit dem GigaMesh Software Framework [3] auf der Oberfläche eines Kegelstumpfes durchgeführt [4]. Der Schnitt wurde durch einen der Henkel gelegt, sodass die inhaltlich aufeinander folgenden Szenen von links nach rechts zu lesen sind.


Mit Hilfe des Multi-Scale-Integral-Invariant-Filters wurden die Krümmungen der Oberfläche in einem Schwarz-Weiß-Verlauf dargestellt, wobei stark konvexe Stellen weiß und stark konkave Stellen schwarz sind [5]. Damit werden auch feine Details hervorgehoben. Zusätzlich erfolgt eine virtuelle Beleuchtung von links oben, wodurch die räumliche Dimension des Frieses betont wird.


Die so entstandene Abrollung zeigt alle wesentlichen Teile des Frieses in einer maßstabgetreuen und orthogonalen Ansicht. Der gut erhaltene Becher weist kaum Beschädigungen auf, die auf dem maschinell erzeugten Bild gleichberechtigt mit Bearbeitungsspuren und damit störend dargestellt werden würden. In solchen Fällen wäre eine interpretierende Umzeichnung auf Grundlage der Messdaten sinnvoll.

Fazit
Bereits hingewiesen wurde auf die Präzision dieser Methode sowie auf die für archäologische Funde kontaktlose und dadurch materialschonende Vorgehensweise. Ein ebenfalls nicht zu vernachlässigender Punkt ist die Zeitersparnis gegenüber herkömmlichen Abrollungen (Arbeitszeit inkl. Scannen: etwa 60 Minuten).

Literaturliste
H. Mara – S. Krömker, Visual Computing for Archaeological Artifacts with Integral Invariant Filters in 3D, in: T. Schreck – T. Weyrich (Hrsg.), Eurographics Workshop on Graphics and Cultural Heritage. Graz, Austria September 27–29, 2017 (Goslar 2017) 37–48
E. Pochmarski, Silberbecher (Skyphos) aus der Villa Grünau, in: B. Porod (Hrsg.), Römermuseum Villa Grünau (Groß St. Florian o. J.) 20–23
E. Pochmarski, Ein Silberskyphos aus der römischen Villa von Grünau (Stmk., Österreich). Ein Meisterwerk der römischen Toreutik, in: A. Giumlia-Mair (Hrsg.), I Bronzi Antichi: Produzione e Tecnologia. Atti del XV Congresso Internazionale sui Bronzi Antichi, Grado-Aquileia 22–26. Mai 2001 (Montagnac 2002) 435–437
E. Pochmarski – B. Porod, The silver skyphus of the Roman villa of Gruenau (Gross St. Florian, Styria, Austria) - expression of the otium of the owner of a villa, Histria Antiqua 16, 2008, 23–33
B. Rieck – H. Mara – S. Krömker, Unwrapping highly-detailed 3D meshes of rotationally symmetric man-made Objects, ISPRS Annals of the Photogrammetry, Remote Sensing and Spatial Information Sciences 2/5/W1, 2013, 259–264
http://gigamesh.eu/ (Zugriff 15.05.2018)
https://de.wikipedia.org/wiki/Silberbecher_von_Grünau (Zugriff 15.05.2018)

[1] Pochmarski o. J., 20–23; Pochmarski 2002, 435–437; Pochmarski – Porod 2008, 23–33; https://de.wikipedia.org/wiki/Silberbecher_von_Grünau (Zugriff 15.05.2018).
[2] Herzlichen Dank an A. Weisi-Michelitsch und das Team vom Feuerwehrmuseum Groß Sankt Florian für das unbürokratische Zurverfügungstellen der Becherkopie. Die Kopie wurde 1992 von Karl Herold (damals Österreichisches Archäologisches Institut, Abteilung für Konservierung und Technologie) hergestellt.
[3] http://gigamesh.eu/ (Zugriff 15.05.2018).
[4] Rieck – Mara – Krömker 2013, 259–264.
[5] Mara – Krömker 2017, 37–48.

© Paul Bayer, Susanne Lamm
e-mail: paulbayer@gmx.net, susanne.lamm@uni-graz.at

This article should be cited like this: P. Bayer – S. Lamm, Mehr als nur Ben Hur – Eine 3D-Abrollung des römischen Silberbechers von Grünau, Steiermark, Forum Archaeologiae 87/VI/2018 (http://farch.net).



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