Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 83 / VI / 2017

‚SCHWARZGEFIRNISSTES‘ AUS BABUNJË (ALBANIEN)

Für die kulturhistorische und chronologische Einordnung der Kleinsiedlung Babunjë, die küstennah am Unterlauf des Apsos zwischen Apollonia und Dyrrhachion lag [1] und bislang in der Forschung kaum Beachtung gefunden hat, kommt der Keramik eine sehr herkömmliche Bedeutung zu: Da Schriftquellen über die Siedlung fehlen, kann allein das Fundmaterial – und speziell die relativ gut datierbare und in großen Mengen überlieferte, mit schwarzem Überzug versehene Keramik – herangezogen werden, um den Beginn, den Siedlungsverlauf und das Ende des Ortes festzustellen. Babunjë innerhalb des vielschichtigen und noch unzulänglich bekannten Siedlungsgeflechtes an den Ostküsten des Ionischen und des südlichen Adriatischen Meeres einzuordnen, um zu einem besseren Verständnis der Siedlungsstrukturen beizutragen, steht im Mittelpunkt eines seit 2013 durchgeführten Projektes [2]. Es kombiniert die erstmalige Vermessung des Platzes mit einer geophysikalischen und einer archäologischen Prospektion.
Babunjë nahm einen Hügel von ca. 5 ha Umfang am Nordrand der kleinen Myzeqe-Ebene ein. Die Siedlung war von einer Verteidigungsmauer umgeben [3] und innerhalb des Mauerrings, wie die geophysikalischen Messungen zeigen konnten, planmäßig mit einem Raster rechtwinkliger Straßenzüge und Insulae gegliedert (Abb. 1). Babunjë lässt sich in die Gruppe der sog. archaischen Streifenstädte einordnen.


Schon die topographische Lage und die innerstädtische Gliederung sprechen dafür, dass es sich nicht um einen indigenen Ort illyrischer Stämme handeln kann, und die Keramik bestätigt die enge Verbundenheit der Bewohner mit der Mittelmeerwelt: Bei Fehlen handgemachter und anderer illyrischer Keramik zeigt das ausschließliche griechische Formenrepertoire, dass Babunjë von griechischen Kolonisten besiedelt gewesen sein muss. Die Nähe zu Apollonia lässt die Abhängigkeit des kleinen Ortes von der korinthisch-korkyräischen Kolonie Apollonia vermuten.
Den Siedlungsbeginn markiert Keramik der zweiten Hälfte des 6.Jh. v.Chr., die bei verzierten Stücken den korinthischen Einfluss bezeugt. Seinen Siedlungshöhepunkt erlebte Babunjë, wie sich aus den Quantitäten der aufgelesenen Scherben ergibt, ab dem frühen 5.Jh. bis in das 4.Jh. v.Chr hinein. Bereits im 3.Jh. v.Chr. war der Platz wieder verlassen. Späteres Material, in geringer Menge überliefert, deutet auf eine gewisse römerzeitliche Siedlungsaktivität hin, die mit dem städtischen Leben aber nicht mehr in Verbindung gestanden haben kann.
Innerhalb der Gesamtmenge aller dokumentierter Scherbenfunde nimmt die mit schwarzem Überzug versehene Keramik etwa ein Drittel ein – sie steht neben geringen Mengen verzierten Materials (korinthisch bzw. korinthisierend, rotfigurig und floral dekorierter Scherben) sowie zahlreicher tongrundiger Keramik, dem Kochgeschirr sowie Schwer- und Baukeramik [4]. Dass in Babunjë Keramik hergestellt wurde, bezeugen Brennhilfen und Model von Antefixen sowie Fehlbrände tongrundiger Schüsseln, eines tongrundigen Kruges, eines Louterions, eines Webgewichts und zahlreicher Dachziegel lakonischen und korinthischen Typs. Pithos-Öfen sollen in der Ebene westlich vor der Stadt bestanden haben. Über die Provenienz der schwarzgefirnißten Keramik lässt sich beim derzeitigen Forschungsstand nichts Genaues feststellen. Es fehlt in der gesamten Region an grundlegenden Untersuchungen zur Keramikproduktion und zu Importverhältnissen, und dies betrifft insbesondere auch die großen Zentren wie Apollonia und Dyrrhachion [5].
Auffällig ist allerdings, dass während der Geländeprospektion überfeuerte Scherben eines Skyphos zutage traten, bei dem es sich aufgrund seines klingend-harten, zu dünnen und etwas verzogenen Scherbens sowie dem unregelmäßigen, grau-schwarzen Überzugs um einen Fehlbrand handelt (Abb. 2a). Dass man ihn über lange Distanz nach Babunjë transportiert hätte, erscheint wenig plausibel. Folglich stellt sich die Frage, ob in dem kleinen Ort Werkstätten angesiedelt waren, die neben tongrundiger Keramik und Baumaterial auch mit schwarzem Überzug versehene Keramik produzierten.


Insgesamt sind innerhalb dieser Gattung drei „Qualitäten“ hinsichtlich des Überzugs festzustellen. Sehr wenige Exemplare weisen einen dichten, glänzenden Überzug auf, wie er für attische Keramik charakteristisch ist. Üblich ist ein dichter, matter Überzug, der meist schwarz ist und auch ins Braune und Rotbraune changieren kann (Abb. 2b-e). Die dritte Gruppe umfasst Stücke, dessen oft sichtlich nachlässig aufgetragener Überzug schlecht an der Gefäßoberfläche anhaftete; wiederum können die Farben von Schwarz zu Braun und Rotbraun wechseln (Abb. 2f-i). Ob sich hierbei unterschiedliche Provenienzen abzeichnen und ggf. Importe von lokalen oder regionalen Produkten unterscheiden, bleibt zu untersuchen.
In typologischer Hinsicht lässt sich die schwarzgefirnißte Siedlungskeramik von Babunjë gut mit dem z.B. aus Attika und Korinth bekannten Formengut in Übereinstimmung bringen, wobei das zahlreiche Trink-, Ess- und Serviergeschirr gegenüber Toilettegefäßen, die nur als Einzelstücke überliefert sind, dominiert:
Unter dem Trinkgeschirr sind die älteren, bis in das 4.Jh. v.Chr. hineinreichenden Kylikes sowie die Becher-Kylikes weitaus seltener vertreten als die viel häufigeren Skyphoi. Beide Hauptformen, die sog. attischen (Abb. 2a-b. f) und die sog. korinthischen Skyphoi (Abb. 2c. g), sind mit den älteren Varianten mit gestreckten Wandung und breitem Fuß sowie den jüngeren Ausprägungen mit geschwungener Wandung bzw. ei-förmigem Körper und engem Fuß, überliefert.
Neben einigen Einhenklern lassen sich verschiedene kleinere Becher und Näpfe unterscheiden. Unter den Näpfen dominieren die häufigen sog. Salznäpfchen, von denen die älteren mit unterschnittenen bzw. flachen Böden (Abb. 2d. h) von den jüngeren Exemplaren des 4.Jh. v.Chr. mit Standring (Abb. 2e. i) zu trennen sind.
Bei den zahlreich überlieferten Tellern handelt es sich neben einfach profilierten, flacheren und tieferen Exemplaren (Abb. 3a-b), die auch als Schalen gedient haben können, um Teller mit Rollrand („rolled rim“) (Abb. 3c-d). Ein Fragment trägt Bitumenspuren an den Bruchflächen (Abb. 3c), womit die Nutzung des in der Region zutagetretenden Bitumen als Klebstoff bezeugt wird [6]. Die Teller tragen im Gefäßzentrum meist einen Dekor mit Palmettenstempeln und Ratterblechdekor (Abb. 3a. e-g). Dass nur ein Exemplar eines Tellers mit überhängendem Rand und vertieftem Boden, eines sog. Fischtellers, zu identifizieren ist, kann als chronologisches Indiz für die Besiedlung Babunjës gewertet werden, handelt es sich doch um die übliche, in hellenistischer Zeit – z.B. auch in Apollonia und Dyrrhachion – verbreitete Tellerform.


Alle übrigen Formen sind nur als Einzelstücke überliefert, die also als seltene Stücke in den Haushalten geführt worden sein müssen. Einerseits betrifft dies weiteres Serviergeschirr: Zwei Kannen und eine Oinochoe mit Kleeblattrand lassen sich anhand von Randscherben identifizieren, und hinzukommen Fragmente dreier riefenverzierter Kannen (vgl. Abb. 4a). Von Krateren sind ca. 10 Fragmente überliefert; darunter befindet sich ein Fuß mit Bleiverklammerung (Abb. 4b), der vor Augen führt, dass es sich um ein für die Besitzer wertvolles Gefäß gehandelt haben muss, das man nach dem Zu-Bruch-Gehen für eine Weiterverwendung repariert hatte.
Schließlich runden je zwei Exemplare von Lekythen und Gutti das Bild der mit schwarzem Überzug versehenen Haushaltskeramik ab – aus den fast noch unerforschten Gräbern von Babunjë sind weitaus mehr Exemplare dieser Gattungen bekannt.
Chronologisch lässt sich die Keramik vornehmlich in das 5. und 4.Jh. v.Chr. einordnen. Im Laufe des 3. Jhs. wurde der Ort verlassen, wie sich auch durch die Absenz der üblichen hellenistischen Haushaltsgefäße (z.B. Reliefbecher, ‚Fischteller‘, frühe Terra Sigillata) zeigt. Aufgrund der fehlenden Untersuchungen zur Provenienz der Keramik können derzeit noch keine fundierten Aussagen zu den Produktionsorten des Haushaltsgeschirrs getroffen werden.

[1] Siehe M. Fiedler – G. Döhner – Sz.-P. Pánczél, Babunjë – eine spätarchaisch-klassische Kleinsiedlung zwischen Apollonia und Dyrrhachion (Albanien), in: J.-L. Lamboley (Hrsg.), L'Illyrie méridionale et l'Epire dans l'Antiquité. Actes du VIe colloque international en Musée National de Tirana 2015 (im Druck); M. Fiedler – H. von Hesberg, Apollonia (Albanien) in der Zeit des Hellenismus: Eine Stadt zwischen italischem Westen und griechischem Osten, AM 127/128, 2012/2013, 215–216 Abb. 3.
[2] Das Projekt ist eingegliedert in das deutsch-albanische Apollonia-Projekt und wird durch Bashkim Lahi (Archäologisches Institut Tirana) und Manuel Fiedler (Winckelmann-Institut der Humboldt-Universität zu Berlin) geleitet. Die monographische Vorlage ist in Arbeit. Der Fritz Thyssen Stiftung danken wir für die finanzielle Unterstützung.
[3] Dies ergaben Sondagen in den 1980er/1990er Jahren: P. Çuko, Babunjë (Lushnjë), Iliria 18, 2, 1988, 254–255; P. Çuko, Babunjë (Lushnjë), Iliria 19, 2, 1989, 274.
[4] Ungefähr 5000 Scherben stehen für eine Auswertung zur Verfügung, die während der Feldbegehungen aufgelesen sowie in verschiedenen Sammlungen (Archäologisches Institut Tirana, Historisches Museum Lushnjë, Privatsammlungen) dokumentiert wurden. Von ca. 1000 Stücken kann die Gefäßform identifiziert werden.
[5] Zur Forschungssituation siehe auch den Beitrag von E. Shehi während des Wiener Workshops „Identifying black-glazed pottery productions in the central Mediterranean: an interdisciplinary approach“.
[6] Vgl. dazu Keramik aus Apollonia mit Bitumenresten: M. Fiedler – G. Döhner, Bitumenrückstände an Keramik aus der griechisch-illyrischen Stadt Apollonia, in: N. Fenn – Chr. Römer-Strehl (Hrsg.), Networks in the Hellenistic world: according to the pottery in the Eastern Mediterranean and beyond. BAR Internat. Ser. 2539 (Oxford 2013) 131–140.

© Manuel Fiedler
e-mail: mfiedler1999@yahoo.com

This article should be cited like this: M. Fiedler, ‚Schwarzgefirnißtes‘ aus Babunjë (Albanien), Forum Archaeologiae 83/VI/2017 (http://farch.net).



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