Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 67 / VI / 2013

ABENTEUER ARCHÄOLOGIE
Das Freigelände des Urgeschichtemuseums Asparn an der Zaya als Träger moderner Wissensvermittlung

Das Museum
Das Urgeschichtemuseum in Asparn an der Zaya blickt auf eine lange Tradition zurück, die sich in den späten Sechzigerjahren gründet, als die urgeschichtliche Sammlung des Landes Niederösterreich einen neuen Aufstellungsort im frisch renovierten Schloss von Asparn/Zaya fand. Im Zuge der Einrichtung des Schlosses als Präsentationsfläche für die Sammlungsbestände mit integrierten Restaurierungswerkstätten, wurde auch die nördlich an das Schloss anschließende Grünfläche – der ehemalige Schlosspark – zu musealem Zweck genutzt. Den Verantwortlichen des in den Sechzigerjahren des vorigen Jahrhunderts eingerichteten Urgeschichtemuseums war es von Beginn an ein Anliegen, nicht nur durch Ausstellen von Objektsammlungen die Fachwelt und wissenschaftsaffine Betrachter für den neu initiierten Ausstellungsort zu interessieren, sondern auch urgeschichtliche Siedlungsgewohnheiten in Form von Rekonstruktionen aufzuzeigen. Als geeignetes Experimentiergelände diente seit den frühen Sechzigerjahren der Schlosspark, welcher teilweise durch Rodungsarbeiten als begehbares Freigelände erst in Stand gesetzt werden musste.
Dieses Konzept, welches in leicht adaptierter Form bis heute sozusagen einen Besuch in der Urgeschichte bei Jung und Alt zur willkommenen Abwechslung macht, gewinnt in den letzten Jahren durch gezielt aufbereitete Museumsdidaktik immer mehr in der Öffentlichkeit an Bedeutung. Man ist sich bewusst: Die Kombination „klassischer“ Ausstellungsräumlichkeiten (Schloss) mit einem Freilichtmuseum übt bei adäquater Aufbereitung für kulturaffine Besucher nahezu aller Altersgruppen enorme Anziehungskraft aus (Abb. 1).


Museumsdidaktisches Angebot
Zusätzlich zur Dauerausstellung und den Rekonstruktionen im archäologischen Freigelände bilden große Publikumsveranstaltungen mit weitgehend authentischen Reenactment-Darstellungen eine wichtige Basis des Urgeschichtemuseums (Abb. 2). Groß angelegte Eigenveranstaltungen wie Kelten- oder Hunnenfest sind ebenso wie kleinere Events (Nacht der keltischen Feuer, Barbarenessen) Höhepunkte im Veranstaltungskalender der Region Weinviertel und durch ihre Einzigartigkeit von überregionaler Bedeutung. Die historischen Feste helfen dabei, Asparn zu einer erlebnisorientierten Attraktion für historisch interessiertes Publikum zu machen. Und dieses Publikum ist breit gefächert: neben Familien, Kulturinteressierten 40+ und Gruppenreisenden sind es die Schulklassen, die dem Museum im Rahmen von Exkursionen einen Besuch abstatten. Dabei ist es die Intention des Museums, das Wissen zur Ur- und Frühgeschichte möglichst anschaulich zu vermitteln. Das aktive Einbeziehen der Besucher nicht nur bei historischen Festen, sondern bei Führungen und Workshops schafft einen emotionalen Bezug zur Geschichte und dem Leben unserer Vorfahren. Für Schulklassen aller Altersstufen werden spezielle Kulturvermittlungsprogramme durch das Museumsgelände konzipiert, wobei die LehrerInnen zwischen Führungen zu bestimmten Themenschwerpunkten sowie Abenteuer- und Aktivprogrammen wählen können (Abb. 3).


Experimentelle Archäologie in Asparn
Seit dem Jahre 1982 ist das archäologische Freigelände im Museum für Urgeschichte auch Zentrum und Ausbildungsstätte experimenteller Archäologie für die Universität Wien, Institut für Ur- und Frühgeschichte. Die europaweite Vorreiterrolle des Museums im Bereich der experimentellen Forschung macht es bis heute möglich, dass jährlich Lehrveranstaltungen für Fachstudenten im Rahmen von drei- bis viertägigen Seminaren vor Ort angeboten werden. Die Lehrveranstaltung beinhaltet eine Vorlesung zur Experimentellen Archäologie und zur Technikgeschichte, deren Ziel zum einen die Vermittlung der theoretischen Grundlagen ist, etwa die methodische Herangehensweise und die Definition von Fragestellungen. Zum anderen sollen ebenso die praktischen Aspekte dieser Forschungsmethode einsichtig gemacht werden, indem Handwerkspraktiken, technische Einrichtungen, Arbeitsvorgänge und die Kenntnisse der Eigenschaften verschiedener Materialien vermittelt werden (Abb. 4).


Die Rekonstruktionen im archäologischen Freigelände
Die unter experimental-archäologischen Aspekten errichteten Gebäude im Maßstab 1:1 sollen streng genommen als Denkmodelle und nicht als Rekonstruktionen angesehen werden. Von Denkmodellen spricht man, weil die Nachbauten von Siedlungsobjekten aus Stein-. Bronze- und Eisenzeit im Urgeschichtemuseum zwar weitestgehend auf archäologischen Befunden beruhen, doch müssen aufgrund der oftmaligen spärlichen archäologischen Evidenz (Balkengräben, Pfostenlöcher, Feuerstellen, Steinlegungen) die aufgehende Architektur sowie die Innenausstattung der Gebäude eine Idealrekonstruktion bleiben. Jedenfalls ist das Freigelände des Urgeschichtemuseums Asparn an der Zaya das einzige in Österreich, in dem die Besucher die komplette Zeit der Urgeschichte von der Altsteinzeit vor rund 30.000 Jahren bis herauf zu den Kelten auf anschauliche und plastische Weise erleben können.

Die Neugestaltung im Zuge der Niederösterreichischen Landesausstellung
Das Urgeschichtemuseum Niederösterreich in Asparn an der Zaya ist ein Standort der Niederösterreichischen Landesausstellung, die im Jahr 2013 unter dem Titel „Brot & Wein“ im Weinviertel gastiert. Das Urgeschichtemuseum Niederösterreich Asparn an der Zaya und die Weinstadt Poysdorf machen im Zuge der Landesschau unter dem Titel „Brot & Wein“ Jahrtausende von Kulturgeschichte lebendig. Das Urgeschichtemuseum beleuchtet die Geschichte des Brotes von der Urzeit bis in die Gegenwart und zeigt dabei auf, dass selbst bei der heutigen Inszenierung von Lebensmitteln Instinkte der einstigen Jäger und Sammler angesprochen werden. Der zweite Standort der Landesschau – die österreichische Weinstadt Poysdorf – präsentiert die jahrtausendealte Geschichte des Rebensaftes in all ihren Facetten.
Dies wurde zum Anlass genommen, das Renaissanceschloss Asparn zu revitalisieren. Es wurde nicht nur um eine Ausstellungsebene (Dachgeschoß) erweitert sowie durch moderne, infrastrukturelle Elemente wie Glasliftanlage und Einrichtung einer gastronomischen Stätte innerhalb der Schlossanlage attraktiviert, es wurde auch das archäologische Freigelände des Museums in wesentlichen Bereichen neu gestaltet (Abb. 5).


In den vergangenen vier Jahren wurde durch die Errichtung des keltischen Heiligtums sowie des keltischen Versammlungshauses in Ergänzung zu den bestehenden eisenzeitlichen Objekten erstmals ein dörfliches Ensemble geschaffen, das die Darstellung von sozialen Beziehungen ermöglicht und so besser zum Verstehen der Kulturgeschichte beiträgt. Ausgehend von diesem Ensemble wurde in weiterer Folge entschieden, auch für die anderen Zeitepochen idealtypische Dorfensembles zu schaffen, um den Museumsbesuchern eine bessere Einbindung in die frühgeschichtlichen Lebenswelten und somit ein weit umfassenderes Erlebnis zu bieten. Das archäologische Freigelände sollte dahingehend umgestaltet werden, dass der Schwerpunkt nicht auf Einzelobjekten der jeweiligen Abschnitte der Menschheitsgeschichte beruht, sondern auf kleinen dörflichen Gemeinschaften, die das Leben besser widerspiegeln.
Neben den neu errichteten Denkmodellen archäologischer Vorbilder wurde daher ein zentrales Augenmerk auf landschaftsplanerische und landschaftspflegerische Leistungen gelegt. Die funktionale und gestalterische Landschaftsarchitektur stellt ein zentrales Element bei der Attraktivierung des archäologischen Freigeländes im Urgeschichtemuseum dar. Die Gestaltung sollte nicht als „Park“ konzipiert werden, sondern als für die Besucher aktiv erlebbare „gepflegte Wildnis“, unter der primären Verwendung frühgeschichtlicher Kulturpflanzen.
Die zur Verfügung stehende, museale Freifläche beträgt 18.832m2 (inklusive 2.053m2 Wege und Plätze), wobei die archäologischen Nachbauten rund 1.500m2 an Fläche einnehmen. Die bereits bestehenden drei Zeitabschnitte Neolithikum, Bronzezeit und Eisenzeit - mit (baulichem) Schwerpunkt auf die Latènezeit - wurden im Zuge der Neugestaltung visuell voneinander getrennt und sind somit künftig unabhängig voneinander erlebbar. Realisiert wurde dies sowohl durch eine geänderte Wegeführung, als auch durch natürlich wirkende Strauchbepflanzungen zwischen den Häusergruppen. Die Wege wurden so angelegt, dass die Besucher nicht mehr wie bisher peripher an den einzelnen „Siedlungsstationen“ vorbei, sondern langsam zu den Ensembles hin- und wieder weggeführt werden. So kann die jeweilige Epoche ihre Wirkung auf den interessierten Gast beim Durchqueren voll entfalten. Ein durch das Gelände führender Hauptweg führt direkt in die einzelnen Siedlungsbereiche und verbindet die unterschiedlichen, bestehenden und neu geschaffenen Gebäude-Ensembles miteinander. Mehrere Nebenwege setzen thematische Schwerpunkte (zum Beispiel in Hinblick auf die Archäobotanik) und führen an besondere Gebäude bzw. Inszenierungen heran. Beim Verlassen des neolithischen Ensembles etwa wird man entlang des Getreidefeldes geführt und erspäht erst hinter der nächsten Wegekehre die archäobotanischen Ackerflächen der Bronzezeit. Anders als bei den vergangenen Schotterwegen lässt der neue Wegebau einen Grünbewuchs von der Seite her zu, sodass nur ein „Trampelpfad“, also der von den meisten Besuchern eingeschlagene Weg durch das Freigelände, frei von Bewuchs bleibt. Der Rundweg ist nun mit gesamt 360 Metern um etwa 110 Meter länger als bisher. Bei den Strauchbepflanzungen (Echter Eibisch, Engelswurz, Gewöhnlicher Wasserdost, Gewöhnlicher Blutweiderich), die die historischen Bereiche voneinander trennen, wurde bewusst auf Pflanzen der natürlich vorhandenen Vegetation an der Zaya zurückgegriffen, um ein möglichst gleichmäßiges und optisch stimmiges Bild zwischen Museum und umgebender Landschaft zu erhalten. Am Beginn des Weges wurde eine Plattform aus Holzbohlen errichtet, die einen Überblick über den gesamten Freibereich des Museums verschafft und zugleich als Sammelplatz für Führungen agiert. Das Holzdeck ist einfach gehalten, um sich möglichst stimmig in die Landschaftsoptik der historischen Parkanlage einzufügen.

Zusammenfassung und Ausblick
Das Urgeschichtemuseum in Asparn an der Zaya nimmt eine bedeutende Rolle im touristischen Umfeld und in der wissenschaftlichen Fachwelt ein und erweist sich als wichtige Säule im Rahmen der niederösterreichischen Landeskunde. Umso wichtiger sind eine nachhaltige Standortsicherung und der Ausbau zu einem Zentrum der Ur- und Frühgeschichte und der experimentellen Archäologie. Nach Abschluss der Ausbaumaßnahmen im Renaissanceschloss wird das Urgeschichtemuseum Asparn an der Zaya den Impuls, der von der Niederösterreichischen Landesausstellung 2013 ausgegangen ist, für eine nachhaltige Positionierung als Ausstellungsstandort nützen.
In Verbindung mit der Dauerausstellung und den Sonderausstellungen zu Schwerpunktthemen der niederösterreichischen Landesarchäologie ist das Freigelände im Schlosspark mit Rekonstruktionen von urgeschichtlichen Gebäuden aus allen Epochen eine wesentlichste Attraktion für die Besucher. Ab dem Jahr 2014 wird durch die Erweiterung der derzeitigen Ausstellungsfläche die Integration der Frühgeschichte im Rahmen einer Neugestaltung der Dauerausstellung ermöglicht. Durch diese Maßnahme wird endlich eine Vervollständigung der ur- und frühgeschichtlichen Landeskunde erzielt. In den kommenden Jahren soll auch im archäologischen Freibereich die Frühgeschichte durch den Nachbau einzelner experimentalarchäologischer Denkmodelle - als weiterer Siedlungsbereich - Einzug halten.
Beim Ausbau dieser urgeschichtlichen Dorflandschaften setzt das Urgeschichtemuseum ganz bewusst auch weiterhin stark auf eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit: unter Verwendung von urgeschichtlichen Werkzeugen, Techniken und Materialen wird erforscht, unter welchen Bedingungen es den Bewohnern des heutigen Niederösterreich vor rund 5.000 Jahren möglich war, Siedlungen zu errichten. Dieser Prozess wird nicht nur laufend wissenschaftlich dokumentiert. Da die experimentalarchäologischen Arbeiten während der Öffnungszeiten des Museums stattfinden, können die Besucher beinahe täglich „living history“ erleben. So kann sich jeder interessierte Besucher genau über historische Bautechniken, die in der modernen Architektur teilweise wieder aktueller sind denn je, beim Forscherteam vor Ort erkundigen.
Ab dem Jahr 2014 wird das Museum mit einer neuen, den modernen Anforderungen an die museumsdidaktische Präsentation entsprechender Ausstellung wieder eröffnet werden. Begleitend dazu wird auch das archäologische Freigelände laufend weiter entwickelt, um den Besuchern einen möglichst umfassenden und attraktiven Einblick in die frühen Jahrtausende der Kulturwerdung des Menschen zu bieten.

Literatur
A. Krenn-Leeb – W.F.A. Lobisser – M. Mehofer, Experimentelle Archäologie an der Universität Wien. Theorie – Praxis – Vermittlung – Wissenschaft, in: Experimentelle Archäologie in Europa – Bilanz 2011, Heft 10 (Oldenburg 2011) 17–33
E. Lauermann, Jahrtausenden auf der Spur. Ein Begleitbuch zur Landessammlung im Niederösterreichischen Museum für Urgeschichte in Asparn an der Zaya. Katalog des Niderösterreichischen Landesmuseums, Neue Folge 480 (Asparn 2009)
M.W. Pacher, Entwicklung von Attraktionspunkten und Angeboten. Die Entstehung des Archäologischen Parks Carnuntum, in: H. Pechlaner – E. Fischer (Hrsg.), Strategische Produktentwicklung im Standortmanagement. Wettbewerbsvorteile für den Tourismus (Berlin 2009) 143–152
M.W. Pacher, Die Vermittlung archäologisch-historischer Inhalte an ein breites Publikum, in: Carnuntum und Limes. Denkmalpflege in Niederösterreich 45 (St. Pölten 2011) 46–48

© Matthias W. Pacher
e-mail: matthias.pacher@urgeschichte.at

This article should be cited like this: M.W. Pacher, Abenteuer Archäologie. Das Freigelände des Urgeschichtemuseums Asparn an der Zaya als Träger moderner Wissensvermittlung, Forum Archaeologiae 67/VI/2013 (http://farch.net).



HOME