Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 67 / VI / 2013

ZEITENANFANG – DIE ALTSTEINZEITLICHEN FUNDE AUS DER REPOLUSTHÖHLE

Einleitung
Im Jahr 2011 feierte das Universalmuseum Joanneum sein 200-Jahr-Jubiläum und eröffnete mit „Zeitenanfang - Die altsteinzeitlichen Funde aus der Repolusthöhle“ seine erste Sonderaustellung im Archäologiemuseum in Schloss Eggenberg. Im Zentrum der noch bis Ende dieses Jahres gezeigten Sonderschau stehen 930 mittelpaläolithische Quarz- und Hornsteinartefakte sowie ein singulärer, durchbohrter Wolfszahn aus der Repolusthöhle bei Peggau (VB Graz-Umgebung, MG Frohnleiten, KG Mauritzen, Parz. 452/1, Höhlenkataster-Nr. 2837/1). Diese Originale sind in der Ausstellung einer Medieninstallation der amerikanischen Filmemacherin Sharon Lockhart (*1964) gegenüberstellt. In einem parallel zu den Artefakten projizierten Video gibt sie Einblick in die Arbeitsweise der Archäologinnen und Archäologen beim Aufbau der Ausstellung, indem sie zeigt, wie die Artefakte nach archäologischen und technologischen Kriterien - Material, Fundschichten und Produktionsstufen - in der Vitrine angeordnet wurden (Abb. 1). Damit möchte die Künstlerin eine Brücke zwischen Herkunft und Funktion der altsteinzeitlichen Artefakte und ihrer Auswertung und Präsentation in der Gegenwart schlagen.


Im Zuge der Ausstellungsvorbereitung wurde auch mit dem Kunsthaus Graz kooperiert, das in der Ausstellung „Vermessung der Welt – Heterotopien und Wissensräume in der Kunst“ ebenfalls die Videoarbeit von Sharon Lockhart präsentierte. Anstatt der Originale wurden hier jedoch Porzellanrepliken der Stein- und Knochenartefakte gezeigt, die in der Werkstatt des chinesischen Konzeptkünstlers Ai Weiwei (*1957) im chinesischen Jingdezhen hergestellt wurden (Abb. 2). Im Sog des Ausstellungsprojekts wurde auch das gesamte archäologische und paläontologische Material einer interdisziplinären Fundrevision unterzogen, deren Ergebnisse Ende 2013 im Band 26 der Zeitschrift Schild von Steier von einem Autorenteam ausführlich vorgestellt, hier aber nur überblicksartig angerissen werden sollen.

Der Neandertaler und seine Umwelt
Mit über 4100 registrierten Höhlen ist die Steiermark das höhlenreichste Bundesland Österreichs. Allein im Mittleren Murtal zwischen Graz und Bruck a.d. Mur wurden bislang über 500 Höhlen beiderseits des Murverlaufs entdeckt. Geologisch gesehen sind sie Teil des Mittelsteirischen Karsts des Grazer Berglandes und entstanden im Laufe von Jahrhunderttausenden durch die erosiven und korrosiven Kräfte von Sickerwässern im festen Kalkstein. Einige dieser Höhlen wurden nachweislich von altsteinzeitlichen Jägern als temporäre Rast- und Wohnstätten genutzt und enthielten auch die ältesten vom Menschen hergestellten Gegenstände, die bislang in der Steiermark gefunden wurden. Zu den bekanntesten Höhlenfundplätzen des Mittleren Murtals zählen die Drachenhöhle bei Mixnitz, die Repolusthöhle und die Große Badlhöhle im Badlgraben, die Tunnelhöhle am Kugelstein, sowie die Lurgrotte und die Höhlen in der imposanten, steil abfallenden Peggauer Wand unmittelbar bei der Ortschaft Peggau (Abb. 3). Ein Großteil der dort geborgenen altsteinzeitlichen Hinterlassenschaften werden mit dem Neandertaler assoziiert, der ein effizienter Jäger und geschickter Handwerker war und sich aufgrund seiner körperlichen Vorteile und geistigen Fähigkeiten den lebensfeindlichen Umweltbedingungen der letzten Eiszeit sehr gut anpassen konnte.


Vor 115.000 Jahren kam es zu einer Klimaverschlechterung, der sogenannten Würm-Eiszeit, bei der die Jahresdurchschnittstemperatur teilweise um 10°C niedriger lag als heute und jedes Jahr mehr Schnee fiel, als schmolz, weshalb sich geschlossene Eisschilde über die Alpen und über Skandinavien bildeten. In den gletscherfreien Gebieten war es nicht nur entsprechend kalt, sondern auch teilweise ausgesprochen trocken, und es dominierte eine Tundren- bzw. Steppenvegetation. In der Steiermark reichten die Gletschermassen bis ins Paltental und an den Westrand des Aichfelds bei Judenburg. Das Mittlere Murtal mit seinen kleinen Talkammern und Becken war vermutlich von einer Tundrenvegetation mit Gräsern und Zwergsträuchern bzw. größeren Schutt- und Geröllfluren geprägt.
Durch eine flexible und mobile Lebensweise in kleinen Gruppen lernte der Neandertaler als einzige Menschenart auch während der subarktischen Kaltphasen der Würm-Eiszeit dauerhaft in Europa zu überleben. Die Größe eines Gebietes, aus dem sich eine Gruppe versorgte, war natürlich immer von den geografischen Gegebenheiten und den zur Verfügung stehenden Ressourcen abhängig. Mit seinen zahlreichen Höhlen, seinen tierreichen Talkammern, Seitengräben und kleinen Becken, sowie einem nahegelegenen Hornsteinvorkommen, das zur Herstellung von Steinwerkzeugen genutzt werden konnte, bot das Mittlere Murtal dem Neandertaler die perfekten Siedlungsbedingungen. Ungewöhnlich viele Kulturreste des Neandertalers konnten dabei in der kleinen Repolusthöhle an der Nordseite des Badlgrabens zwischen Peggau und Frohnleiten im mittleren Murtal, etwa 19 km nördlich von Graz, entdeckt werden.


Die Erforschung der Repolusthöhle
Der Eingang der Repolusthöhle liegt heute ungefähr 120m über dem heutigen Niveau des Murtals (Abb. 4). An den Eingang mit zwei Tagöffnungen, die voneinander durch einen massiven Felspfeiler getrennt sind, schließt ein trockener, ca. 30m langer tunnelartiger Gang mit einer durchschnittlichen Breite und Höhe von 3-4m an (Abb. 5). An dessen Ende befinden sich ein 9,5m tiefer Schacht, der heute wieder mit Sedimenten aufgefüllt ist, sowie ein ca. 8m hoher Kamin mit intensiver Tropfwasseraktivität. Am Ende der Höhle zweigen noch einige tunnel- und nischenartige Fortsetzungen ab, die nach kurzer Strecke blind enden oder gänzlich unbefahrbar sind.

Die Repolusthöhle wurde im Jahr 1910 von einem Bergmann namens Anton Repolust (*1877) entdeckt und nach ihm benannt. Aufgrund der schwierigen Wirtschaftslage nach den beiden Weltkriegen wurde für die Steiermark überlegt, die teils mächtigen Phosphatablagerungen in den Höhlen als Dünger zu benutzen, woraufhin auch in der Repolusthöhle erstmals Probegrabungen unternommen wurden. Doch erst im Jahr 1947, als Maria Mottl (1906-1980) im Auftrag des Bundesdenkmalamtes eine Feststellungsgrabung in der Höhle durchführte und dabei auf altsteinzeitliche Steinartefakte stieß, entschloss sich das Joanneum die Repolusthöhle näher zu untersuchen. Zwischen September 1948 und Jänner 1949 und noch einmal im August 1950 führte Maria Mottl im Auftrag der damaligen Abteilung für Vor- und Frühgeschichte systematische Ausgrabungen in der Repolusthöhle durch. Dabei wurden die Sedimentablagerungen im Gang fast vollständig abgetragen, die ursprünglich knapp bis unter die Höhlendecke reichten. Es gelang Maria Mottl auch innerhalb zweier Sedimentschichten ehemalige Feuerstellen in Form von Holzkohleanhäufungen nachzuweisen und neben tausenden von Tierknochen auch fast 1700 Steingeräte und zwei durchbohrte Artefakte aus Knochen bzw. Zahn zu bergen. Damit schien die Erforschung der Repolusthöhle abgeschlossen und die Grabungsergebnisse wurden von Maria Mottl in Fachpublikationen veröffentlicht.
Eine zweitägige Nachgrabung des damaligen Museums für Bergbau, Geologie und Technik am Joanneum im hinteren Teil der Höhle ergab jedoch, dass der Felsboden in diesem Bereich durch die vorangegangene Grabung von Maria Mottl noch keineswegs erreicht worden war. Im Oktober 1954 wurden die Grabungen deshalb erneut durch den Höhlenforscher Hermann Bock (1882-1969) als örtlichen Grabungsleiter aufgenommen und sollten mit Unterbrechungen bis Juli 1955 andauern. Im Zuge dieser Untersuchungen wurde eine kleine Seitennische untersucht und der Schacht am Ende des tunnelartigen Gangs bis zum Felsenboden in 9,5m Tiefe über eine Seilwinde mittels Kübeln komplett ausgeräumt (Abb. 6). Dabei wurden in verschiedenen Schichten aus Lehm, Sand und Felsschutt zahlreiche vollständig erhaltene Tierknochen und wiederum Steinartefakte entdeckt. Während die Grabungstagebücher von Maria Mottl leider verschollen sind, haben sich die Aufzeichnungen von Hermann Bock im Archiv des Landesvereins für Höhlenkunde in der Steiermark erhalten (Abb. 7) und zeugen von den damaligen Grabungsmethoden, sowie den schwierigen Bedingungen und von den beschränkten Mitteln, unter denen die Grabungen während der Nachkriegszeit stattfanden (u.a. Zeitdruck, schlechte Lichtverhältnisse, kein Schlämmen der Sedimentreste).
Obwohl die Grabungsergebnisse von Maria Mottl und Hermann Bock in Österreich wie auch international für Aufsehen sorgten und den Ruf der Repolusthöhle als einen der wichtigsten altsteinzeitlichen Höhlenfundplätze des Ostalpenraumes begründeten, blieb es in den folgenden Jahrzehnten still um die Höhle. Dies änderte sich erst im Jahr 1980, als man die Repolusthöhle aufgrund von mehreren illegalen Raubgrabungen und der dadurch verbundenen Zuschüttung des Schachtes mit einem massiven Eisengitter verschließen musste. Zwischen 1981 und 1985 unternahm Harald Temmel weitere Grabungsarbeiten in der Repolusthöhle u.a. mit dem Ziel, Säugetierreste aus den umgelagerten Sedimenten des Schachtes zu bergen. Im Jahr 1998, führten Gerald Fuchs, Jörg Fürnholzer und Florian Fladerer eine erste kritische Revision der Ausgrabungsergebnisse und der Höhlenstratigrafie durch, bei der Sedimentproben aus den Höhlenwänden untersucht und das Alter einzelner fossiler Knochen mittels der Uran/Thorium-Methode ermittelt wurde.
Den aktuellen Schlusspunkt der archäologischen Untersuchung der Repolusthöhle bildete eine dreitägige Grabungskampagne der Abteilung Archäologie & Münzkabinett des Universalmuseums Joanneum im November 2010 im hinteren Schachtbereich der Höhle. Dabei wurden durch Michael Brandl und den Autor in einer Seitennische der Höhle ein von den bisherigen Grabungen verschont gebliebener Sedimentblock mit fossilführenden Schichten und ein originaler Erdrest auf einer kleinen Sinterplatte untersucht (Abb. 8). Obwohl diese Nachforschungen nur mit geringen Bodeneingriffen verbunden waren, gelang es vier Quarzartefakte und zahlreiche Tierknochen zu bergen, darunter auch das 45 cm lange Schienbein eines Paarhufers (Rind/Bison). Durch diese Nachuntersuchung konnte der Beweis erbracht werden, das noch unberührte, fundführende Schichten in der Repolusthöhle vorhanden sind, die auch weiterhin den Schutz der Höhle rechtfertigen.

Das paläontologische Material und seine Datierung
Ursprünglich war die Repolusthöhle fast vollständig von Sedimentablagerungen ausgefüllt, die Schicht für Schicht von Maria Mottl und Hermann Bock abgetragen wurden. Im Fall der Repolusthöhle sind zwei Schichten von speziellem Interesse, die den tunnelartigen Gang der Höhle auf seiner gesamten Länge ausfüllten und zusammen den Großteil des archäologischen und paläontologischen Fundmaterials aus der Höhle bargen (Abb. 9). Diese sind in stratigrafischer Reihenfolge von oben nach unten der „graue Sand“ und die bis zu zwei Meter mächtige „rostbraune Phosphaterde“. Diese beiden Schichten müssen getrennt von den Sedimentablagerungen im 9,5m tiefen Schacht gesehen werden, in denen neben zahlreichen vollständig erhaltenen Tierknochen auch einige wenige Steinartefakte gefunden wurden.


Ausschlaggebend für die zeitliche Einordnung der Höhlensedimente und damit auch der Steinartefakte war bislang die boreale-alpine Fauna der Höhle, die durch mehrere Tausend Tierknochen repräsentiert wird (Abb. 10). Die Zusammensetzung der Tierknochen aus den beiden Hauptfundschichten des Ganges unterscheidet sich dabei deutlich voneinander. Während im „grauen Sand“ die Reste von Steinböcken überwiegen, dominieren in der „rostbraunen Phosphaterde“ die Knochen von Höhlenbären, dicht gefolgt von jenen des Steinbocks und Murmeltiers. Des Weiteren sind in beiden Schichten Höhlenlöwe, Wolf, Fuchs, Marder, Dachs, Hamster, Hirsch, Gämse oder Rind/Bison nachgewiesen worden, wobei in der „rostbraunen Phosphaterde“ auch einige wenige Belege für den ausgestorbenen Riesenhirsch oder den heute noch in Asien beheimateten Rotwolf existieren.
Komplementiert wird das Faunenspektrum der Repolusthöhle durch die Tierreste aus dem Schacht, bei denen neben Höhlenlöwe, Wildschwein und Rothirsch vor allem eine altertümliche Höhlenbärenart, der so genannte Deningerbär (Ursus deningeroides), überwiegt. Für den Schacht sind weiters Rind/Bison, Steinbock, Panther, Wildkatze, Wolf, Fuchs, Marder, Biber, Hase, Murmeltier und sogar das Stachelschwein nachgewiesen. Letztere kommen heute noch in Südeuropa, Nordafrika und Asien vor und sprechen für die Einstufung von Teilen der Schachtfauna in eine ausgesprochene Warmphase. Anhand von Uran/Thorium­Datierungen an Höhlenbärenknochen dürften die Tierreste im Schacht ein Alter von ca. 230.000 bis 50.000 Jahren besitzen und umfassen damit zeitlich die letzten beiden Eiszeiten des Riss und Würm sowie die dazwischenliegende Warmzeit des Eem. Die Hauptfundschichten im Gang scheinen dagegen wesentlich jünger zu sein und datieren in die Würm­Kaltzeit. Paläontologische Untersuchungen sowie weitere Uran/Thorium­ und Radiokarbon­Datierungen stellen einen Großteil der Tierreste in der „rostbraunen Phosphaterde“ in das frühe Jungpleistozän, also in den Zeitraum zwischen etwa 85.000 bis 50.000 Jahren vor heute, während die Fauna des „grauen Sandes“ ein Alter von ca. 40.000 bis 25.000 Jahren aufweisen dürfte.

Der Wolfszahn
Lange Zeit galt die Annahme, dass aus der Repolusthöhle zahlreiche Knochenartefakte stammen. Diese stellten sich jedoch später als das Produkte von natürlichen Verwitterungsvorgängen oder von Tierfraß heraus, sodass heute nur noch zwei Knochenobjekte mit dem Menschen in Verbindung gebracht werden (Abb. 11). Zum einen der durchbohrte Eckzahn eines Wolfs und zum anderen ein Langknochenfragment, das an einer Kante ebenfalls ein konisches Loch aufweist. Während die Herstellung und Funktion des durchlochten Langknochenfragmentes aufgrund fehlender Herstellungsspuren unklar ist, lassen sich die Arbeits­ und Gebrauchsspuren am Wolfszahn klarer deuten. Dieser wurde an seiner Wurzel von beiden Seiten her durchbohrt und weist auf seiner gekrümmten Seite um das Bohrloch feine Kratzer auf, die zeigen, wie hier die Zahnwurzel zuvor abgeschabt wurde, um eine Ansatzfläche für die Spitze eines Steingeräts zu schaffen. Dass der Wolfszahn längere Zeit an einer Schnur getragen wurde, beweisen nicht nur einseitige Abnutzungsspuren im Bohrloch, sondern auch die Politur auf der gekrümmten Seite, die vom Scheuern auf der Haut oder der Fellbekleidung herrührt. Obwohl der Wolfszahn aus der rostbraunen Phosphaterde stammt, wird seine Datierung kontroversiell diskutiert, da so gut wie kaum neandertalerzeitliche Vergleichsstücke zu ihm existieren. Dennoch kann er als einer der frühesten Belege für den Gebrauch von „Schmuck” in Mitteleuropa gelten.

Steinartefakte und Steinrohstoffe
Die Steinartefakte der Repolusthöhle unterscheiden sich zwar in ihrer Herstellungstechnik nicht wesentlich von anderen mittelpaläolithischen Inventaren im Ostalpenraum, sie ragen aber durch ihre große Stückzahl von fast 1700 Quarz­ und Hornsteinobjekten aus der Masse der bekannten Fundstellen hervor (Abb. 12). Das Inventar ist auf die beiden Fundschichten im Gang, dem „grauen Sand“ und der „rostbraunen Phosphaterde“, ungleichmäßig verteilt und setzt sich im Wesentlichen aus Abschlägen und sogenannten „Manuporten“ zusammen. Dabei handelt es sich um Steine, die keine eindeutige menschliche Bearbeitung aufweisen, aber vor Ort nicht natürlich anzutreffen sind und daher vom Menschen eingebracht wurden. Kerne und kantenretuschierte Werkzeuge stellen nur einen untergeordneten Teil des Gesamtinventars dar. Zur Herstellung der Abschläge verwendeten die in der Repolusthöhle verweilenden Neandertaler-Gruppen verschiedene Abbautechniken (u.a. die diskoide Methode), wobei die Abschläge durch Anwendung des harten, direkten Schlages, dass heißt durch Schlagsteine, vom Kern gelöst wurden. Die bevorzugte Herstellung von Abschlägen, wie auch die hohe Anzahl bestimmter Werkzeugtypen (z.B. Schaber, gezähnte Stücke) spricht dafür, die Steingeräte in eine spätere Phase des Mittelpaläolithikums zu datieren, entsprechend den bekannten naturwissenschaftlichen Datierungen (85.000 bis 30.000 vor heute). Bei den Quarzen, die im Schacht gefunden wurden, dürfte es sich um Artefakte handeln, die zu einem späteren Zeitpunkt durch natürliche Sedimentbewegungen dorthin gelangten.


Als Rohstoff für die Herstellung der Steingeräte verwendeten die in der Repolusthöhle lagernden Neandertaler neben dem hochwertigen Hornstein auch gröbere Quarze und Quarzite. Letztere konnten auf Schotterbänken der nahegelegenen Mur in Form von rundlichen Flussgeschieben (Murnockerl) leicht aufgesammelt werden, wobei es hier galt, möglichst feinkristalline und kluftfreie Quarz- bzw. Quarzitknollen zu finden. Die Herkunft des hellgrauen bis dunkelbraunen Hornsteins blieb dagegen lange Zeit ein Rätsel. Durch jüngst durchgeführte mineralogische und geochemische Untersuchungen gelang es jedoch, das Vorkommen dieser Hornsteine im 11km Luftlinie entfernten Reiner Becken nahe dem heutigen Stift Rein zu lokalisieren. Im Fall des Reiner Hornsteins handelt es sich um verkieselten Süßwasserkalk, der dort in Form von mehreren Zentimeter starken Platten und unregelmäßig geformten Knollen vorkommt (Abb. 13). Für die Steinartefakte der Repolusthöhle wurde jedoch ausschließlich knollenförmiger Hornstein verwendet, der charakteristische fossile Einschlüsse in Form von Armleuchteralgen (Caraceae) enthält. Verbunden mit der Lokalisierung des Rohmaterials war auch eine punktuelle Feststellungsgrabung im Becken von Rein, durch die zwei lasinjazeitliche Abbaupingen (ca. 4400-3700 v.Chr.) angeschnitten werden konnten, die beweisen, das dieser Hornstein auch viele Jahrzehntausende nach der Repolusthöhle noch ein begehrtes Rohmaterial war.

Danksagung
Neben der Abteilung Geowissenschaften am Universalmuseum Joanneum und dem Landesverein für Höhlenkunde in der Steiermark möchte sich der Autor vor allem bei den Mitgliedern des Projektteams „Repolusthöhle“ bedanken: Dr. Hans-Peter Bojar, Dr. Michael Brandl, Dr. Monika Derndarsky, Dr. Ruth Drescher-Schneider, Dr. Christoph Hauzenberger, Dr. Polona Kralj, Mag. Johanna Kraschitzer, Dr. Philip Nigst, Dr. Martina Pacher, Mag. Karl Peitler, Dr. Walter Postl und Frau Viola Schmid.

Weiterführende Literatur
M. Brandl – Ch. Hauzenberger – W. Postl – D. Modl – Ch. Kurta – G. Trnka, Repolust Cave (Austria) revisited: Provenance studies of the chert finds / Fundrevision der Repolusthöhle (Österreich): Herkunftsbestimmungen der Hornsteinfunde. Quartär – Internationales Jahrbuch zur Eiszeitalter- und Steinzeitforschung 58, 2011, 51–65
G. Fuchs – J. Fürnholzer – F.A. Fladerer, Untersuchungen zur Fundschichtenbildung in der Repolusthöhle, Steiermark, Fundberichte aus Österreich 37, 1998, 143–172
M. Mottl, Die Repolust-Höhle bei Peggau (Steiermark) und ihre eiszeitlichen Bewohner, Archaeologia Austriaca 8, 1951, 1–78
M. Mottl – K. Murban, Neue Grabungen in der Repolusthöhle bei Peggau in der Steiermark, Mitteilungen des Museums für Bergbau, Geologie und Technik am Landesmuseum Joanneum Graz 15, 1955, 77–87
G. Rabeder – H. Temmel, 1997. Repolusthöhle, in: D. Döppes – G. Rabeder (Hrsg.), Pliozäne und pleistozäne Faunen Österreichs, Mitteilungen der Kommission für Quartärforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften 10, 1997, 328–334
H. Temmel, Die mittelpleistozänen Bären (Ursidae, Mammalia) aus der Schachtfüllung der Repolusthöhle bei Peggau in der Steiermark (Österreich) (Ungedruckte Dissertation an der Universität Wien 1996)

© Daniel Modl
e-mail: daniel.modl@museum-joanneum.at

This article should be cited like this: D. Modl, Zeitenanfang – Die altsteinzeitlichen Funde aus der Repolusthöhle, Forum Archaeologiae 67/VI/2013 (http://farch.net).



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