Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 67 / VI / 2013

AD 313 – VON CARNUNTUM ZUM CHRISTENTUM

Im ausgehenden 3. Jahrhundert n.Chr. beginnt für das römische Imperium eine Epoche der tiefgreifenden politischen Veränderungen. Sie leitet die Umwälzungen ein, die schrittweise das Ende des Römischen Reiches und den Aufschwung des Christentums zur Weltreligion herbeiführten.
Der Wandel macht sich in den verschiedenen Teilen des Reiches in unterschiedlicher Intensität und auf verschiedene Art und Weise bemerkbar. Er betrifft sowohl die übergeordneten politischen und religiösen Strukturen als auch das Alltagsleben und die Umwelt des Einzelnen und kann anhand der materiellen Hinterlassenschaft aus dieser Epoche in vielfältiger Weise nachgezeichnet werden.
In der Ausstellung „AD 313 – Von Carnuntum zum Christentum“ im Archäologischen Museum Carnuntinum in Bad Deutsch-Altenburg wird die Zeitspanne von der Neuordnung des Reiches unter Diokletian (284–305) bis zur Alleinherrschaft des Konstantin (324) im Carnuntiner Umfeld thematisiert. Eine Auswahl von Zeugnissen des frühen Christentums führt ein in die neue Bilderwelt und in die Wertvorstellungen, die den Übergang von der Antike zur christlich bestimmten Kultur des europäischen Mittelalters prägten.

Der Rundgang beginnt im Erdgeschoss (Abb. 1) mit den antiken Zeugnissen der ursprünglich aus dem Osten stammenden Mysterienkulte, die am Militärstandort Carnuntum besonders stark vertreten waren. In der sogenannten Mithrashöhle wird die Skulpturenausstattung aus dem Mithräum III von Carnuntum präsentiert. Dieses Heiligtum gehörte zu den größten heute bekannten Anlagen seiner Art und dürfte eine herausragende Rolle während der Kaiserkonferenz von Carnuntum im Jahr 308 n.Chr. gespielt haben. Zwischen dem Mithraskult und dem frühen Christentum gibt es zahlreiche Berührungspunkte, doch bleibt der Verlauf möglicher wechselseitiger Beeinflussung großteils ungeklärt. So fiel der Geburtstag beider Götter beispielsweise auf den Tag der Wintersonnenwende (nach iulianischem Kalender der 25. Dezember), an dem die lateinische Kirche seit dem 4. Jahrhundert die Geburt Christi feiert. Auch andere Mysterienkulte zeigen in ihrer symbolhaften Bildersprache und in ihren rituellen Abläufen auffallende Parallelen zum frühen Christentum.


Die erste Erwähnung von Christen im Carnuntiner Raum verdanken wir der schriftlichen Überlieferung des sogenannten Regenwunders während der Markomannenkriege um 172 n.Chr. Auch für den Tempelbezirk des römischen Staatskultes auf dem Pfaffenberg waren die kriegerischen Ereignisse an der Donaugrenze wohl von großer Bedeutung. Hier wurden in erster Linie Denkmäler für Iuppiter zu Ehren des oder der Kaiser(s) gestiftet. In der Zeit der Tetrarchie erlebte dieses Heiligtum einen bedeutenden Aufschwung, der sich in einer Reihe von offiziellen Weihedenkmälern äußert. Den alten Göttern opferte man auf dem Pfaffenberg noch bis 313 n.Chr., das Jahr der Mailänder Vereinbarung. Danach dürfte die offizielle Opfertätigkeit für die paganen Götter endgültig zum Erliegen gekommen sein.
Eine Filmsequenz vor dem großen Wandmodell im zentralen Teil des Obergeschosses führt den Besucher ein in die dynamische Veränderung des Carnuntiner Siedlungsgebietes während der Spätantike. Ausgewählte Befunde aus der Zivilstadt und aus den Canabae geben Aufschluss über die Bau- und Siedlungstätigkeit in dieser Epoche. Im Nordflügel des Museums werden dem Besucher zunächst drei Beispiele neuerer Ausgrabungen – im Amphitheater I, in der sog. Palastruine (Große Thermen) und in der Zivilstadt – vorgestellt, deren Funde und Befunde Zeugnis ablegen von prächtiger Ausgestaltung bzw. Niedergang und spätantiker Nachnutzung innerhalb des städtischen Zentrums. Reichhaltige militärische Funde belegen die anhaltende Bedeutung des Militärstandortes Carnuntum. Schmuck, Gebrauchsgegenstände und Münzen geben eine Vorstellung von den Lebensumständen der Bevölkerung.


Der zentrale Teil des Nordflügels (Abb. 2) ist den turbulenten historischen Ereignissen der Jahre 284–324 gewidmet. Über die staatliche Neuordnung des Diokletian (ab 284), die Kaiserkonferenz in Carnuntum und die Machtaufteilung der Vierten Tetrarchie (308), das Toleranzedikt von Nicomedia (311), die Schlacht an der Mulvischen Brücke (312), die Mailänder Vereinbarung (313) und den Sieg des Konstantin über Licinius (324) wird eine Entwicklung nachgezeichnet, die von der Verfolgung über die schrittweise Tolerierung, die Gleichstellung und die Förderung bis zum Triumph der christlichen Religion führte. Gezeigt werden sowohl originale Fundstücke (Abb. 3) aus Carnuntum und Umgebung als auch Leihgaben, unter anderem aus der Residenzstadt Trier. Projektionen, Rekonstruktionen, Installationen und akustische Untermalung sollen dem Besucher ein lebendiges Bild dieser kurzen Zeitspanne vermitteln, in der unter ständig wechselnden Machtverhältnissen das politische Fundament gelegt wurde für den Aufstieg Konstantins des Großen, der schließlich als Alleinherrscher aus den Wirren hervorgehen sollte.


Der thematische Schwerpunkt im Südflügel des Museums (Abb. 4) liegt auf der Geistes- und Glaubenswelt des frühen Christentums. Eine wesentliche Weichenstellung für seine sukzessive Ausbreitung stellte zweifellos die Mailänder Vereinbarung des Jahres 313 dar, durch die das Christentum wie alle anderen Religionen des Imperiums zu einer religio licita geworden ist. Man musste seinen Glauben von diesem Zeitpunkt an nicht mehr geheim halten, sondern konnte seine christliche Gesinnung öffentlich zur Schau stellen.


Zwar fehlen gerade in Carnuntum eindeutige Belege monumentaler Art, die auf eine christliche Gemeinde in der Provinzhauptstadt schließen ließen, doch bezeugen zumindest einige Gegenstände des Alltags mit eindeutig christlichen Symbolen auch hier eine schrittweise Durchdringung der antiken Kultur mit christlichen Inhalten.
Daher wird das frühe Christentum vornehmlich anhand zahlreicher Leihgaben und Funde aus den römischen Donauprovinzen nach ausgewählten Inhalten geordnet in der Ausstellung nachgezeichnet. Hervorgehoben sei etwa die Präsentation der gängigsten frühchristlichen Symbole, wobei vor allem der Fisch, die Taube, der Hirte oder der Anker als Beispiele für die vielfache Weiterverwendung und Übernahme heidnischer Elemente und ihre christliche Umdeutung erwähnt seien. Sie schmückten wie die beiden Kreuzformen, das Christogramm und das Staurogramm, ab dem 3. Jahrhundert besonders Gegenstände des täglichen Lebens und zeugen vom christlichen Glauben ihrer Besitzer bzw. Auftraggeber. Ähnliches gilt auch für die alt- und neutestamentlichen Motive, die auf Ringen, Lampen, Kästchenbeschlägen etc. abgebildet wurden und vornehmlich der Hoffnung auf Errettung Ausdruck verleihen sollten (Isaakopfer, Wasserwunder des Mose, Blinden- und Lahmenheilungen, Auferweckung des Lazarus usw.).
Auch das kirchliche Leben und der Ort der liturgischen Feiern werden in der Ausstellung thematisiert. So wird ein maßstabsgetreues Modell (1:20) eines frühchristlichen Kirchenbaus (Abb. 5) präsentiert, an dem die wichtigsten Charakteristika der Gotteshäuser im norisch-pannonischen Raum vom 4. bis zum 6. Jahrhundert ersichtlich werden.


Ausgewählte Exponate mit sepulkraler Konnotation (Grabinschriften, Grabmalerei) sowie ein Kurzfilm über die bemalte Grabkammer mit der Darstellung der Apostel Petrus und Paulus in Sopianae (Pécs) aus dem ausgehenden 4. Jahrhundert gewähren einen Einblick in den christlichen Totenkult der ersten Jahrhunderte und in die Jenseitsvorstellungen, die von der Hoffnung auf Errettung und Auferstehung geprägt waren. Zudem werden der sowohl bei den Heiden als auch bei den Christen und Juden weit verbreitete Aberglaube (Zauber und Magie) angesprochen und unterschiedliche Fluch- und Zaubertäfelchen sowie magische Gemmen präsentiert.
Ein eigener Themenblock ist dem frühen Judentum gewidmet, das – wie einige Neufunde der letzten Jahre belegen – bereits im 1. und 2. Jahrhundert n.Chr. am Donaulimes und auch in Carnuntum vertreten gewesen ist.
Im Südflügel wird die besonders im 4. Jahrhundert verstärkt auftretende Spolienverwendung thematisiert, die sich in Carnuntum etwa am Heidentor oder im zivilen Amphitheater nachweisen lässt. In seinem Südeingang fanden sich etwa drei kleine, zu einem Podest zusammengestellte Weihealtäre in sekundärer Verwendung sowie ein Rundbecken (Taufbecken?), das zur Gänze aus wiederverwendeten Steinblöcken zusammengesetzt war.
Besondere Erwähnung verdienen schließlich zwei interaktive Stationen (ein Memory- sowie ein Fragespiel mit Wendekarten), die helfen sollen, die Inhalte der Ausstellung im Südflügel besonders den zahlreichen jüngeren Besuchern im Schulalter in lebhafter Weise zu vermitteln.

Katalog
F. Humer – G. Kremer – E. Pollhammer – A. Pülz (Hrsg.), AD 313 – Von Carnuntum zum Christentum. Katalog der Ausstellung im Archäologischen Museum Carnuntinum (Wien, in Druckvorbereitung).


© Gabrielle Kremer, Andreas Pülz
e-mail: gabrielle.kremer@oeaw.ac.at, andreas.puelz@oeaw.ac.at

This article should be cited like this: G. Kremer – A. Pülz, AD 313 – Von Carnuntum zum Christentum, Forum Archaeologiae 67/VI/2013 (http://farch.net).



HOME