Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 63 / VI / 2012

URBANISTISCHE FORSCHUNGEN IN LIMYRA/LYKIEN

Seit dem Jahr 2011 liegt ein neuer Schwerpunkt der österreichischen Ausgrabung in der ostlykischen Stadt Limyra im südwestlichen Kleinasien auf der Urbanistik der Siedlung vor allem in römischer und byzantinischer Zeit. Im Rahmen dieser Untersuchungen sollen durch gezielte Grabungen innerhalb der beiden Mauerringe der byzantinischen Ost- und der Weststadt sowie flankierende Forschungen Informationen über die Entwicklung des Stadtbildes gewonnen werden.
Dieses Projekt verspricht essentielle Erkenntnisse, da aus den genannten Perioden zwar zahlreiche punktuelle Befunde aus bisherigen Grabungen vorliegen, das Wissen über den eigentlichen Siedlungsbereich vor allem in der römischen Kaiserzeit und der Spätantike wie auch die städtebauliche Entwicklung Limyras nach wie vor sehr lückenhaft ist. Die Fragestellungen sind dabei weit gestreut und betreffen die Grenzen der Siedlung von der hellenistischen Epoche bis zur Errichtung der beiden Stadtmauerringe in spätantik-frühbyzantinischer Zeit genauso wie die Struktur des Stadtplans, das Straßensystem oder auch mögliche Bedeutungsunterschiede zwischen den beiden Bereichen der Ost- und der Weststadt, deren Trennung aus dem Grund erfolgte, dass der westliche Arm des Flusses Limyros nicht in den Stadtbereich integriert werden sollte. Auch die verschiedenartige Entwicklung der beiden Stadtteile ab dem 7.Jh. n.Chr., als die Weststadt zu einer massiven Befestigung ausgebaut wurde, die Mauern der Oststadt hingegen sogar teilweise abgerissen wurden, ist Gegenstand der Untersuchung. Durch ein geologisches Projekt soll die diffizile Situation der Quellverschiebungen in Limyra untersucht werden, die zumindest seit der Spätantike wesentliche Auswirkungen auf die Stadt und ihre Befestigungsmauern hatten und durch das mit ihnen verbundene Ansteigen des Grundwasserspiegels einen der Gründe für den Niedergang im 10.Jh. bildeten.

Dazu wurde in der Kampagne 2011 an zwei brisanten Stellen der Stadt – am Osttor der byzantinischen Oststadt und an seinem westlichen Pendant in der Weststadt – mit einer Grabung begonnen. Am Osttor sollten in erster Linie der Verlauf und die unmittelbare Umbauung der erwarteten Einfallsstraße geklärt und Kriterien für eine relative Chronologie von Straße und Tor bzw. Stadtmauer, möglicherweise auch Hinweise auf eine Ausdehnung der Stadt in römischer Zeit gewonnen werden. Mit einer vorläufigen Datierung der Straße nach einer ersten Sichtung der Fundkeramik ins 6.Jh. n.Chr. und dem Erhalt eines terminus post quem in Gestalt einer Trinkwasserleitung an ihrem nördlichen Rand, die von der Stadtmauer sorgfältig überbaut wurde, konnte die Frage nach der relativen Chronologie eindeutig geklärt werden. Der Verlauf der Straße in diesem Bereich erbrachte wertvolle Aufschlüsse über ihre Trassenführung in der gesamten Oststadt. Weitere Befunde der Grabung am Osttor beleuchten mit Wasserversorgung und Verteidigungsorganisation zentrale Aspekte Limyras in byzantinischer Zeit.
Der Befund am äußeren Tor der Weststadt gestaltete sich um vieles differenzierter, da neben den erwarteten Strukturen auch ältere Komplexe angetroffen wurden, die belegen, dass diesem Areal eine maßgebliche Rolle in der Befestigung und der urbanistischen Entwicklung der Stadt von hellenistischer Zeit bis ins 7.Jh. n.Chr. zukam. Eine in Ost-West Richtung verlaufende Mauer, die wohl in hellenistische Zeit datiert, ist mit einiger Wahrscheinlichkeit als Abschnitt der südlichen Stadtmauer zu interpretieren, die als Erweiterung der klassischen Siedlung unter ptolemäischer Herrschaft wohl bereits zu Beginn des 3.Jhs. v.Chr. entstand. Dadurch ist mit ihr allem Anschein nach ein wesentlicher Punkt in der Siedlungsgeschichte Limyras zu fassen. Auch zu Fragen nach dem System des Stadtplans, der Ausdehnung der römischen Stadt nach Westen, zu den verschiedenen Phasen der byzantinischen Befestigungsmauer in diesem Bereich sowie zur Bebauung des Areals von der römischen Kaiserzeit bis in die byzantinische Epoche gelangen wertvolle Erkenntnisse, die das Bild der urbanistischen Entwicklung Limyras in diesen Perioden bereits nach der ersten Kampagne bereichern.

© Martin Seyer
e-mail: martin.seyer@oeai.at

This article should be cited like this: M. Seyer, Urbanistische Forschungen in Limyra/Lykien, Forum Archaeologiae 63/VI/2012 (http://farch.net).



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