Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 63 / VI / 2012

EIN LATENEZEITLICHER SIEDLUNGSPLATZ IN FREIDORF AN DER LAßNITZ

Im Zuge des Koralmbahnbaus im Laßnitztal kamen erstmals im Dezember 2008 bei Baggerarbeiten im Bereich des zukünftigen Koralmtunnelportals in der KG Freidorf im Bezirk Deutschlandsberg latènezeitliche Funde zutage. Die von der Fa. ARGIS Archäologie Service GmbH von Jänner bis Mai 2009 durchgeführten Rettungsgrabungen konnten Funde und Befunde eines latènezeitlichen Siedlungsplatzes freilegen, der jedoch nicht zur Gänze erfasst werden konnte, da er sich außerhalb des Trassenbereiches fortsetzte.
Neben dieser Flachlandsiedlung, die sich bis dato, in diesem Ausmaß ergraben, für die Steiermark als einzigartig darstellt, konnten in dem ca. 13000m² großen Grabungsareal auch kupferzeitliche sowie neuzeitliche Funde und Befunde dokumentiert werden.

Der Siedlungsplatz liegt in flacher Hanglage, ca. zwei Kilometer südlich der Laßnitz. Durch den Wasserreichtum und gleichzeitig die Hochwasser geschützte Lage sind gute Voraussetzungen für einen Siedlungsplatz gegeben, auch was Vieh- und Landwirtschaft betrifft. Weiters waren die verkehrsgeographisch günstige Lage sowie die in unmittelbarer Umgebung vorhandenen Rohstoffe ausschlaggebend für die Platzwahl.
Bei den Siedlungsobjekten handelt es sich zum einen um Hausgrundrisse – Ständerbauten und Grubenhäuser – weiters um Brandgrubengräber, einen Töpferofen, eine Zisterne, sowie einzelne Gruben und Pfostengruben.
Bei den Grubenhäusern sind drei verschiedene Typen zu unterscheiden, deren Grundfläche von 3 bis 31m² reicht. Ihre unterschiedliche Größe und Orientierung könnte Hinweise auf Zusammengehörigkeiten mit einzelnen Siedlungsbefunden sowie auf ihre Nutzung geben. Eine Klärung der Funktion ist problematisch, da sich weder eine wirtschaftliche Nutzung noch eine Wohnfunktion aus der Form eines Grubenhauses ableiten lässt.
Bei den durchwegs einschiffigen Hausgrundrissen können Speicherbauten von Wohnbauten unterschieden werden. Den größten Bau stellt ein sechspfostiger Ständerbau dar mit einer Gesamtfläche von 78m².
Beim Töpferofen mit einer Brennkammer von 1x1m handelt es sich vom Typ her um einen vertikalen Zweikammerofen. Ein geschlossener Ofen mit zwei Kammern ist Voraussetzung für ein erfolgreiches Brennen von Graphittonkeramik. Da für die Herstellung von Töpferwaren ein hohes Maß an Erfahrung und Übung benötigt wurde, kann der Frage nach einem in der Siedlung ansässigen Töpfer oder einem Wandertöpfer nachgegangen werden.
Was die Siedlungsstruktur betrifft, kann ein Bereich mit Vorratsgruben und Speicherbauten von einem Wohnbereich und einem Wirtschaftsbereich unterschieden werden.
Bei einem der als Brandgrubengräber interpretierten Befunde konnte eine große Menge an Leichenbrand eines Kindes geborgen werden. Kinderbestattungen stellen innerhalb eines Siedlungsareals einen durchaus üblichen Befund dar.
Was den Umfang des Fundmaterials betrifft, entfällt der Großteil auf Gefäßkeramikfragmente. Zu den Kleinfunden zählen Scherben- und Spinnwirtel, Webstuhlgewichte, eine Gussform, Steinartefakte, sowie ein Glasarmringfragment. Das Fundmaterial wird durch zahlreiche Hüttenlehmfragmente und Schlackenreste ergänzt. Das Material lässt sich zum Großteil in die Mittellatènezeit einordnen, da Vertreter der typischen mittellatènezeitlichen Kammstrichware sowie feintoniger Ware vorhanden sind. Auch das Glasarmringfragment lässt sich in LT C2 datieren.
Die Grabungsergebnisse stellen eine bis jetzt einzigartige Möglichkeit zum Vergleich der Siedlungshierarchie in der Mikroregion und Region des Laßnitztales und seiner Nachbartäler dar.

© Gudrun Praher
e-mail: gudrun.praher@gmx.at

This article should be cited like this: G. Praher, Ein latènezeitlicher Siedlungsplatz in Freidorf an der Laßnitz, Forum Archaeologiae 63/VI/2012 (http://farch.net).



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