Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 63 / VI / 2012

IM SCHATTEN DER COLONIA EMERITA AUGUSTA: NEUENTDECKTE WOHNGEBÄUDE DES MUTMASSLICHEN MUNIZIPIUMS VON MIROBRIGA, LUSITANIEN

Die Ruinen von Miróbriga (Santiago do Cacém) im heutigen Alentejo/Portugal wurden ab dem 19. Jh. teilweise systematisch untersucht. Die Freilegungen konzentrierten sich auf eine exponierte, markant ins Landesinnere ausgerichtete Hügelkuppe, wo in römischer Zeit ein urbanes Zentrum angelegt worden war, welches ein keltiberisches oppidum ablöste [1].
Der Ort wurde bereits von Plinius (nat. hist. IV 116) neben Salacia (Alcácer do Sal) als oppidum zwischen Olisipo (Lissabon) und dem promunturium sacrum (Kap des Hl. Vinzenz) erwähnt. Die Bezeichnung Miro könnte auf den aus der Serra do Caldeirão kommenden Rio Mira hindeuten. Die Endung -briga belegt den keltiberischen Ursprung des Ortsnamens, der ebenfalls bei Plinius (nat. hist. IV 118) Erwähnung findet [2].
Neben öffentlichen Einrichtungen wie Forum und Thermen, deren Bau bereits im 1.Jh. n.Chr. in Angriff genommen wurde, finden sich im Siedlungskern hauptsächlich kleinere Gewerbestrukturen [3]. Repräsentative Wohngebäude, welche in Anbetracht der Größe der öffentlichen Einrichtungen in einer gewissen Anzahl zu erwarten wären, ließen sich bis dato selten und vergleichsweise schlecht erhalten nachweisen.
Unter der Leitung von PD Dr. Félix Teichner wurden potenzielle Siedlungsareale der römischen Stadt mittels Geomagnetik prospektiert. Es zeigte sich, dass das Stadtgebiet größer als die zuletzt vermuteten 2,7ha war, was zunächst mit gezielten Grabungsschnitten überprüft wurde. Die neuentdeckten Quartiere erstrecken sich somit auch auf umliegende Hügel im Süden und Westen und zeugen von einem kaum entwickelten städtebaulichen System, was auch auf die lokale Topografie zurückzuführen sein mag.
Die geringe Überdeckung der prospektierten Flächen eröffnete die Möglichkeit, Fragestellungen zur Urbanistik dieser überschaubaren städtischen Siedlung gezielt zu verifizieren, indem Gebäude konventionell untersucht und signifikante, erstmals stratifizierte Funde gewonnen werden konnten. Zwischen 2006 und 2010 wurden auf diese Weise größere Wohngebäude von teilweise über 30m Länge nachgewiesen.

Auf der iberischen Halbinsel wurden römerzeitliche Peristylhäuser bereits häufig nachgewiesen und werfen zusammen mit selten dokumentierten bautechnischen Charakteristika ein neues Licht auf ein Wohnhauskonzept, welches im Laufe der Jahrhunderte unterschiedlichsten Anforderungen gerecht wurde. Mehrere Bauphasen, die zwischen der Mitte des 1.Jhs. und dem beginnenden 4.Jh. anzusetzen sind, bezeugen auch funktionale Adaptierungen einzelner Gebäudetrakte. In der zur Zeit laufenden Auswertung gilt es zu klären, ob die Prosperierungs- und Zäsur-Phasen der Wohnquartiere mit den ansatzweise bekannten aus der Kernzone der Stadt zusammenfallen.
Zudem konnte eine nachrömische Nutzung des Stadtgebiets festgestellt werden: in der Spätantike war der Niedergang derart fortgeschritten, dass einzelne Gebäude vermutlich nur mehr für eine landwirtschaftliche Nutzung in Stand gehalten wurden, ehe eine islamische Frequentierung des Gebietes eine Siedlungsverlagerung abschloss, bei der das zum Ruinengelände verkommene Miróbriga auch als Steinbruch genutzt wurde.

[1] Th. Schattner, Archäologischer Wegweiser durch Portugal (Mainz 1998) 185-188.
[2] F. Teichner, Romanisierung und keltische Resistenz? Die «kleinen» Städte im Nordwesten Hispaniens, in: E. Walde - B. Kainrath (Hrsg.), Die Selbstdarstellung der römischen Gesellschaft in den Provinzen im Spiegel der Steindenkmäler. Akten des IX. Internationalen Kolloquiums über provinzialrömisches Kunstschaffen – Innsbruck 2005. IKARUS 2 (Innsbruck 2006) 202-216.
[3] Ma. F. Barata, Miróbriga – Ruinas Romanas. Roteiros da Arquelogia Portuguesa 7 (Lisboa 2001).

© Karl Oberhofer
e-mail: Karl.Oberhofer@uibk.ac.at

This article should be cited like this: K. Oberhofer, Im Schatten der Colonia Emerita Augusta: neuentdeckte Wohngebäude des mutmaßlichen Munizipiums von Miróbriga, Lusitanien, Forum Archaeologiae 63/VI/2012 (http://farch.net).



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