Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 63 / VI / 2012

DEM IGNIS LANGUIDUS AUF DER SPUR
Kann man von einem römischen Dichter Heiztechnik lernen? [*]

„ …, ubi languidus ignis inerrat aedibus et tenuem volvunt hypocausta vaporem“ [1]
(„ …, wo ein schleichendes Feuer in das Gebäude hineinirrt und die Hypokausten sanften Rauch weiterwälzen“)

Diese Stelle, in der Statius die prächtige Ausstattung eines Privatbads preist und nur nebenbei Hinweise auf die Betriebsweise der Hypokaustheizung liefert, nahm ich zum Anlass, gemeinsam mit DI. Peter Herzog von den Versuchsanstalten des TGM`s in Wien mittels einer (sehr aufwändigen) Computersimulation zu überprüfen, ob eine derartige Betriebsweise möglich ist. Ich wollte damit gleichzeitig die bis dahin erarbeiteten Ergebnisse meiner Forschungsarbeit über römische Hypokaustheizungen überprüfen.
Ziel war offenbar eine langsame Durchströmung der Anlage. Hauptvoraussetzungen:
1. Der Querschnitt des Praefurniums muss groß genug sein, damit die zur Verbrennung notwendige, große Luftmenge langsam einströmt.
2. Die Strömungsgeschwindigkeit im Hypokaust muss fast 0 sein.
3. In den Abzügen muss sie wieder ansteigen (aber nicht zuviel).

„tenuem volvunt hypocausta vaporem“

Auffallend ist, dass die warmen Heizgase nicht, wie bei höheren Strömungsgeschwindigkeiten geradlinig auf dem kürzesten Weg zu den Abzügen strömen, sondern sich ausbreiten. Warum? Auf dem direkten Weg zu den Abzügen gibt es Stau, er ist zwar immer noch der kürzeste Weg, aber nicht mehr der mit dem geringsten Widerstand, die Rauchgase weichen in den Bereich aus, wo sie einen geringeren Widerstand finden. Vorteil für die Heizung: die Wärmeverteilung im Bodenbereich wird besser.
Die Simulation ergibt folgende Ergebnisse [2]:
1. Der Querschnitt der Praefurnien ist groß genug, die zur Verbrennung notwendige, große Luftmenge strömt langsam ein: ca.0,2m/sec.
2. Die Strömungsgeschwindigkeit im Hypokaust ist fast 0.
3. In den Abzügen steigt sie auf ca.1,5m/sec. an.
Dieser Optimalbetrieb wurde sicher nur in den wenigsten Hypokaustheizungen vollständig erreicht, aber man kann davon ausgehen, dass er – wenn sogar ein Dichter ihn kennt – angestrebt wurde.

Konsequenzen für Bau und Betrieb von Hypokaustheizungen:
1. Der Zug muss stark genug sein, dass genügend Verbrennungsluft ins Praefurnium einströmt, aber andererseits schwach genug, dass die Verteilung im Hypokaust optimal wird und schließlich wieder stark genug, dass die Abzüge ziehen.
2. Die optimale Höhe der Rauchabzüge liegt daher bei 2m.
3. Der Zug muss gleichmäßig sein. Das bedeutet:
4. Das Feuer im Praefurnium sollte laufend mit kleinen Portionen des Heizmaterials beschickt werden: „ubi languidus ignis inerrat aedibus“.
5. Wegen der langsamen Strömung durch das Hypokaust wird die Temperatur zu den Abzügen hin stärker als sonst sinken.
6. daher Holzkohlenfeuerung, um den wegen der niederen Abgastemperaturen notwendigen geringen CO2– Gehalt erreichen zu können.
7. Einfache Praefurnien werden wegen am Feuer ungenützt vorbeiziehender Falschluft (damit schlechterer Wirkungsgrad) ungünstig sein.
8. Die Rauchgasverteilung – damit die Wärmeverteilung – im Hypokaust wird verbessert, es wären, wenn dieser Zustand stabil erhalten werden kann, weniger Abgasstränge zur optimalen Wärmeverteilung im Hypokaust nötig.

[*] Diese Darstellung des Themas ist extrem komprimiert. Ausführlichere Informationen enthält mein Buch „Die römische Hypokaustheizung“, ISBN 978 3 8440 0796 1.
[1] Statius, silvae, I 5,58f.
[2] Persönliche Angaben P. Herzog, 2011.

© Hannes Lehar
e-mail: hannes.lehar@aon.at

This article should be cited like this: H. Lehar, Dem ignis languidus auf der Spur. Kann man von einem römischen Dichter Heiztechnik lernen?, Forum Archaeologiae 63/VI/2012 (http://farch.net).



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