Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 63 / VI / 2012

IM WESTEN VIEL NEUES - AKTUELLE GRABUNGSERGEBNISSE ZUM RÖMERZEITLICHEN BRIGANTIUM

Ausgrabungen der Jahre 2009/2010 auf dem insgesamt 5821 m² großen sog. Böckleareal im Westen der römerzeitlichen Siedlung Brigantium brachten sowohl südlich als auch nördlich der römerzeitlichen Hauptstraße mehrere stratigraphisch aufeinander folgende Besiedlungsphasen ans Tageslicht. Die archäologischen Arbeiten – finanziert vom Bauträger (VOGEWOSI), den Grundeigentümern (Land Vorarlberg und Stadt Bregenz) sowie dem Bundesdenkmalamt – wurden von der Tiroler Grabungsfirma Talpa GnbR unter der Leitung von Mag. Maria Bader in enger Kooperation mit dem Bundesdenkmalamt durchgeführt [1].
Zwei Spitzgräben stellen einen wissenschaftlich besonders wichtigen Befund dar. In Verbindung mit einem von A. Hild in der 1. Hälfte des 20.Jhs. entdeckten Spitzgrabenrest im südlichen Siedlungsgebiet ist es nun möglich, das frühkaiserzeitliche Militärlager von Brigantium zu lokalisieren. Zahlreiche Militaria wie nielloverzierte Gürtelbleche, Dolchscheiden- und Waffenfragmente sind weitere Zeugnisse für die Präsenz römischer Soldaten im Grabungsgebiet [2].
Nach der Auflassung des Militärlagers (um die Mitte des 1.Jhs. n.Chr.) kam es zum Abriss der militärischen Bauten und zur Verfüllung der Spitzgräben. Auf dem Gelände des vormaligen Militärlagers und westlich davon wurden anschließend zivile Wohngebäude in Holz- bzw. Fachwerkbauweise errichtet. Nördlich der römerzeitlichen Hauptstraße wurden wohl gegen Ende des 1.Jhs. n.Chr. drei Steingebäude (A-C) mit straßenseitiger Portikus gebaut, welche bereits Ende des 19.Jhs. von S. Jenny entdeckt und dokumentiert wurden [3]. Bei den neuen Ausgrabungen konnten in zahlreichen Räumen dieser Gebäude A-C die Siedlungsschichten sowohl der Steinbauphase als auch stellenweise der darunterliegenden Holz- bzw. Fachwerkbauphasen untersucht werden. Nördlich der Steingebäude A und B konnte unter einer stellenweise mehrere Meter dicken mittelalterlichen und neuzeitlichen Geländeauffüllung ein „Garten- bzw. Hofbereich“ der römischen Zeit mit fundreichen Kulturschichten und Einbauten festgestellt werden. Zu letzteren gehört ein gemauertes und mit Ziegelsplittmörtel verputztes Wasserbecken.
Ein als außergewöhnlich zu bezeichnender Befund der Grabungen Böckleareal ist ein gut erhaltener Holzbretterboden im Bereich der Straße. Die Holzkonstruktion, welche wohl als Teil des römischen Straßenkörpers anzusprechen ist, setzt sich aus einem Rost aus vierkantigen Holzbalken und einer darauf mittels Holzdübeln und Eisennägeln fixierten Bretterlage zusammen. Ein Abschnitt dieses Holzbretterbodens konnte bereits 1912 auf dem östlich angrenzenden Grundstück dokumentiert werden [4]. Die geborgenen Hölzer werden an der Universität Innsbruck (Institut für Geographie) naturwissenschaftlich analysiert.

Bei den Grabungskampagnen 2009/2010 auf dem Böckleareal handelt es sich um die ersten stratigraphisch orientierten Ausgrabungen in Bregenz, wodurch für Fragen der Siedlungsentwicklung optimale Voraussetzungen vorliegen. Die Grabungsbefunde und das zugehörige Fundmaterial werden im Rahmen des seit Dezember 2011 laufenden FWF-Projekts „Vom Militärlager zur Zivilsiedlung − Die Genese der westlichen Peripherie von Brigantium“ (P 23777-G19, Projektleiter: Assoz.-Prof. Mag. Dr. Gerald Grabherr) an der Universität Innsbruck aufgearbeitet.

[1] M. Bader, Militärische und zivile Siedlungsreste aus der Römerzeit am Böckleareal in Bregenz. Ein Vorbericht. Jahrb. Vorarlberger Landesmusver. 2011, 8−67.
[2] J. Kopf, Rückblick und Ausblick: Spuren frührömischen Militärs in Brigantium. Jahrbuch des Vorarlberger Landesmuseumsvereins 2011, 68−75.
[3] S. Jenny, Bauliche Überreste von Brigantium. Jahrb. Vorarlberger Landesmusver. 1896, 16–25.
[4] A. Hild, Archäologische Forschungen in Bregenz. Jahresh. Österr. Arch. Inst. 26, 1930, Beiblatt, 137–140 Abb. 60–62.

© Julia Kopf
e-mail: Julia.Kopf@uibk.ac.at

This article should be cited like this: J. Kopf, Im Westen viel Neues − Aktuelle Grabungsergebnisse zum römerzeitlichen Bregenz, Forum Archaeologiae 63/VI/2012 (http://farch.net).



HOME