Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 63 / VI / 2012

TAVIUM - ARCHÄOLOGISCHE UND HETHITOLOGISCHE FORSCHUNGEN DER UNIVERSITÄT GRAZ

Das Tavium/Tawinija International Research Project, von 1997-2009 unter der Leitung von Karl Strobel, Universität Klagenfurt und Christoph Gerber, Universität Heidelberg [1], wurde im Herbst 2009 von der Universität Graz, Institut für Archäologie, Leitung Peter Scherrer, übernommen [2]. Im Jahr 2011 konnten im Museum von Yozgat unter der Leitung von Ute Lohner-Urban Keramik und Kleinfunde aus dem Survey aufgenommen werden.
Bei einem Besuch in Büyüknefes wurden zahlreiche durch Abbrucharbeiten entdeckte Architekturfragmente und Inschriften festgestellt. Im Sommer 2012 wird eine Kampagne in Büyüknefes und im Museum Yozgat durchgeführt werden, die diese neuen Fragmente sowie die in Yozgat neu gefundenen Steine erfassen soll. Die Inschriften werden von Karl Strobel und Christian Wallner aufgenommen [3]. Der Neufund eines Kalkstein-Sitzes (Abb. 1) ist der erste architektonische Nachweis eines Theaterbaus in Tavium. Die Cavea des Theaters wurde bereits von Strobel und Gerber am Südhang des Zeğreg Tepe identifiziert [4]. (G.K.)

Der antike Stadtame gr. Τάουιον bzw. lat. Tavium wird gerne [5] mit dem heth. Ortsnamen Tawiniya in Verbindung gebracht. Es stellt sich nun die Frage, ob es in den heth. Texten Beweise dafür gibt, daß Τάουιον/Tavium mit heth. Tawiniya gleichzusetzen ist. Dabei gilt es zu untersuchen, welchen zeitlichen Rahmen das Sprachmaterial umfasst und wie sich das Sprachmaterial präsentiert, welche Kult- und Ritualhandlungen in Tawiniya stattgefunden haben, welche Gottheiten erwähnt bzw. beopfert werden und schließlich welche Rückschlüsse zur Lokalisierung von Tawiniya aufgrund der Textbelege gezogen werden können.
Nach Sichtung des Materials kann festgehalten werden, dass die hethitische Stadt Tawiniya ein bedeutender Kultort war, und zwar eines der ältesten hattischen Kultzentren, worauf die Verehrung der hattischen Gottheiten Tetešḫapi und NIN.DINGIR weist. Als weitere wichtige Gottheit wird Telipinu genannt, der als Telipinu von Tawiniya in der Schwurgötterliste steht und der zusätzlich als “schrecklicher” Telipinu von Tawiniya bezeichnet wird. Eine bedeutende Rolle spielte Tawiniya im althethitischen KI.LAM-Fest und den dazugehörigen Festritualen; hier sind es v.a. die ḫapiya-Funktionäre von Tawiniya und die Göttin Tetešḫapi, die immer wieder genannt werden. Tawiniya war in der Nähe der Hauptstadt Ḫattusa gelegen, und es war für die Kultakteure innerhalb eines Tages von Ḫattusa aus erreichbar (vgl. dazu das AN.TAḪ.ŠUMSAR-Fest). Aufgrund der altassyrischen Texte ist eine Lokalisierung an einer der Handelsrouten wahrscheinlich, wobei eine genaue Lokalisierung von Tawiniya auf Basis der heth. Textstellen nicht möglich ist – dies entspricht aber den Tatsachen, die sich auch für andere wichtige hethitische Kultorte ergeben. Tawiniya ist seit althethitischer Zeit belegt bzw. schon seit der Zeit der altassyrischen Handelskolonien. Nicht außer Acht gelassen werden darf der Umstand, dass die vorgeschlagene Fortsetzung der heth. Namenform Tawiniya durch späteres Tavium (und ähnliche Formen) aus linguistischer Sicht nicht unproblematisch ist. (Ch.Z.)

[1] K. Strobel – C. Gerber, Tavium (Büyüknefes, Provinz Yozgat) und seine Region. Bericht über die Kampagnen 2006-2009, IstMitt 60, 2010, 291-338.
[2] G. Koiner - U. Lohner-Urban - P. Scherrer, Die Arbeiten des Teams der Grazer Universität in Tavium 2009, in: K. Strobel – C. Gerber a. O. (s. Anm. 1) 295-299.
[3] C. Wallner, Die Inschriften des Museums in Yozgat, Tyche Sonderband 6 (Wien 2011).
[4] K. Strobel – C. Gerber, TAVIUM (Büyüknefes, Provinz Yozgat) – Ein regionales Zentrum Anatoliens. Bericht über den Stand der Forschungen nach den ersten drei Kampagnen (1997-1999), IstMitt 50, 2000, 245.
[5] Vgl. K. Strobl, Tawinija/Tavium and the Regional Hittite Road Network, in: K. Strobl (Hrsg.), New perspectives on the historical geography and topography of Anatolia in the II and I millenium B.C. (Firenze 2008 = Eothen 16), 281-302.

© Gabriele Koiner, Christian Zinko
e-mail: gabriele.erath@uni-graz.at, christian.zinko@uni-graz.at

This article should be cited like this: G. Koiner - Ch. Zinko, Tavium - Archäologische und hethitologische Forschungen der Universität Graz, Forum Archaeologiae 63/VI/2012 (http://farch.net).



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