Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 63 / VI / 2012

ÜBERLEGUNGEN ZU DEN KRÄFTIG PROFILIERTEN FIBELN

Kräftig profilierte Fibeln stellen in den Donauprovinzen, vor allem in Noricum und Pannonien, und dem östlichen Teil des freien Germaniens über einen langen Zeitraum eine wichtige Form innerhalb eines vielfältigen Fibelspektrums dar. Neben der bewussten Bewahrung der ursprünglichen Form, lässt sich in der steten Weiterentwicklung eine allmähliche Anlehnung an jüngere Fibelmoden beobachten.
Fibelmodelle, -halbfabrikate und -fehlgüsse, die regelmäßig bei Grabungen in römischen Siedlungsarealen zutage kommen, deuten dabei auf deren Herstellung in kleineren Werkstätten für einen regionalen Absatzmarkt. Hinweise auf deren Produktion sind bisher aus Noricum, Oberitalien, Pannonien und Dakien bekannt.
Die dezentrale Produktion wie auch das lange Bestehen der kräftig profilierten Fibeln haben eine Vielzahl von Formen und Varianten hervorgebracht.
Die grundlegende Typologie zu den kräftig profilierten Fibeln geht auf den Schweden Oskar Almgren zurück. In seinem Werk „Studien über nordeuropäische Fibelformen der ersten nachchristlichen Jahrhunderte mit Berücksichtigung der provinzialrömischen und südrussischen Formen“ (Stockholm 1897) definierte Almgren 248 Fibeltypen, die er in sieben Gruppen (I–VII) einteilte. Die kräftig profilierten Fibeln, deren gemeinsames Charakteristikum eine halbrunde bis runde Bügelprofilierung ist, bilden die Gruppe IV und umfassen die Typen 67 bis 93. Diese gliedert Almgren in zwei Hauptserien, nämlich jene mit Stützplatte (Typen 67–73) und jene ohne Stützplatte (Typen 74–93). Weitere Unterscheidungskriterien für die Typen 67 bis 93 sind die Verschlusskonstruktion, die Ausbildung der Sehnenhalterung und die Gestalt des Nadelhalters.
Seit Almgren wurden und werden regelmäßig neue Fibelpublikationen vorgelegt, in denen auch neue Formen und Varianten von kräftig profilierten Fibeln vorgestellt werden. Dabei wird versucht diese einerseits in die bestehende Typologie von Almgren einzubinden oder auf dieser basierend durch nachgestellte Kleinbuchstaben feiner zu differenzieren; andererseits werden gänzlich neue Klassifikationssysteme geschaffen. Dies hat zur Folge, dass die konkrete Formansprache ohne eingehendem Studium der kräftig profilierten Fibeln mit jeder neuen Fibelpublikation zunehmend schwieriger wird, zumal die bestehenden Typologien oft nicht aufeinander abgestimmt und die Kriterien für eine Formansprache nicht immer klar nachvollziehbar sind. (Die am 14. Österreichischen Archäologentag in Graz präsentierte tabellarische Zusammenstellung sämtlicher Typologien zu den kräftig profilierten Fibeln wird in den Akten des 14. Österreichischen Archäologentag in Graz von 19.-21.4.2012 vorgelegt werden.)
Doch welche Kriterien sind nun für die Formansprache einer Fibel entscheidend?
Eine Untersuchung der kräftig profilierten Fibeln auf Modell idente Stücke hat gezeigt, dass der Bügel in seiner Form während des gesamten Herstellungsprocederes vom Modell bis zum Fertigprodukt im Wesentlichen unverändert bleibt. Dem entgegen stellen all jene Nachbearbeitungen, die für die Fertigstellung einer Fibel notwendig sind, etwa das Ausschmieden der Sehnenhalterung und des Nadelhalters oder die Einbringung von Dekor, einen sekundären Eingriff in die Gestalt einer Fibel dar. Die unterschiedlichen Ausbildungen können als regional- bzw. werkstattspezifisch verstanden werden; ebenso die Art der Verschlusskonstruktion. Für eine sinnvolle Klassifizierung sollte demnach vor allem die Form des Bügels ein entscheidendes Kriterium sein.
Um in Zukunft effizienter mit der Gruppe der kräftig profilierten Fibeln arbeiten zu können, verlangt es eine grundlegend neue und differenziertere Typologie. Nur so wird es möglich sein konkrete Rückschlüsse auf regionale Formen schließen und damit auch die Migrationsbewegungen in der römischen Kaiserzeit besser verstehen zu können.

© Doris Knauseder
e-mail: doris.knauseder@sbg.ac.at

This article should be cited like this: D. Knauseder, Überlegungen zu den kräftig profilierten Fibeln, Forum Archaeologiae 63/VI/2012 (http://farch.net).



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