Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 63 / VI / 2012

UMWELT- UND LANDWIRTSCHAFTESGESCHICHTE IM LASSNITZTAL: ERSTE ERGEBNISSE VON POLLEN- UND GROSSRESTANALYSEN AUS BRUNNEN- UND MOORABLAGERUNGEN

Zur allgemeinen Vegetationsgeschichte im Laßnitztal gibt es derzeit noch keine detaillierten pollenkundlichen Daten. Untersuchungen in der weiteren Umgebung zeigen aber, dass die Täler entlang der Flüsse ab ca. 3000 v.Chr. von Erlen-Eichen-Eschen-Wäldern bedeckt waren. Eichen-Linden-Ulmen-Wälder mit Buche und Tanne wuchsen an den vom Grundwasser unbeeinflussten Talhängen (Seibersdorf, Bez. Leibnitz, 250m ü.M.). In mittlerer Höhenlage dominierten Buchen-Tannen-Fichten-Wälder (Garanas ob Schwanberg, 1300m ü.M.), die oberhalb ca. 1400m ü.M. durch Fichten-Wälder mit Tanne und Buche abgelöst wurden (z.B. See-Eben 1440m ü.M., Freiländer Filzmoos 1460m ü.M).
Abgesehen von nur schwachen Siedlungshinweisen während des Neolithikums zeichnen sich bei Seibersdorf sowohl die Bronzezeit als auch die Urnenfelder- und die Latènezeit durch Rodungen und deutliche Zunahmen von Kultur- und Siedlungszeigern ab. In der Römerzeit waren die Tallagen und die nach Süden und Westen gerichteten Hänge waldfrei. Neben den bekannten Getreidearten wird nun auch gelegentlich Roggen angebaut. Durch die Klimaverschlechterung während der Völkerwanderungszeit musste sich die Bevölkerung vor den zunehmenden Überschwemmungen der Flüsse und Bäche auf die Hügel zurückziehen. Die Felder in der Ebene verbuschten.
Pflanzliche Großreste aus zwei mittel- bis spätbronzezeitlichen Brunnen bei Wettmannstätten (KG Wohlsdorf) sowie zwei römerzeitlichen Brunnen (Objekt 388 ebenfalls bei Wohlsdorf, Objekt 75 nahe Hengsberg, KG Schönberg) ergänzen nun den Wissensstand zur Vegetations- und Siedlungsentwicklung an der Laßnitz durch kurze Momentaufnahmen: während ihrer Verfüllungsphase haben die Brunnenschächte als Sedimentfallen Pflanzenteile der natürlichen Ökosysteme ebenso wie aus den angrenzenden Siedlungen aufgefangen.
Beide bronzezeitlichen Brunnen (Objekt 764 und 961) dokumentieren durch Belege von Kulturpflanzen, vor allem in Gestalt von Hirsespelzen, sowie durch zahlreiche Sämereien von Kulturfolgern die Nähe zur angrenzenden Siedlung. Emmer, Dinkel und Schlaf-Mohn sind ebenfalls nachgewiesen und lassen deren lokalen Anbau zumindest plausibel erscheinen. Das Wildpflanzenspektrum zeigt eine starke Präsenz krautiger Pflanzen aus Feuchtgebieten, die wohl unmittelbar aus der vernässten Senke rund um die Brunnen stammen. Ebenso wurden Pflanzen aus Laubwäldern und Waldsaumgesellschaften nachgewiesen und weisen damit auf Reste von Waldvegetation im Umfeld der Brunnen hin. Die bisher bearbeiteten Fundensembles der beiden Brunnenverfüllungen spiegeln auch den unterschiedlichen Abstand zur Siedlung wider: Reste von Kulturpflanzen (die wohl aus Siedlungsabfällen herrühren) treten im näher an der Siedlung gelegenen Brunnen deutlich häufiger auf.
Die beiden römerzeitlichen Brunnen (Objekte 75 und 388) zeigen gemeinsam ein ähnlich buntes Spektrum an Kultur- und Wildpflanzen: Rispenhirse, Kolbenhirse und Gerste sind belegt, nebst typischen „Unkräutern“ aus dem unmittelbaren Siedlungsumfeld. Wald- und Waldsaumgesellschaften sind ebenso vertreten wie Grünland, die deutliche Dominanz von Sumpfpflanzen wie bei den beiden bronzezeitlichen Grabungsobjekten fehlt jedoch. Dies mag auf eine geringere Vernässung der Flächen rund um den Brunnen zurückzuführen sein.

Derzeit ist ein Forschungsprojekt an der Universität für Bodenkultur Wien in Vorbereitung, in dem der spätbronzezeitliche Brunnen 764 entsprechend seiner Stratigraphie archäobiologisch untersucht werden soll: pflanzliche Großreste und Pollen werden ebenso Gegenstand der Untersuchung sein wie tierische Reste. Die Informationsdichte zur Siedlungsaktivität in der Region während der Brunnenverfüllungsphase soll damit deutlich verdichtet werden.

© Andreas G. Heiss, Ruth Drescher-Schneider
e-mail: andreas.heiss@holzanatomie.at

This article should be cited like this: A.G. Heiss - R. Drescher-Schneider, Umwelt- und Landwirtschaftsgeschichte im Laßnitztal: Erste Ergebnisse von Pollen- und Großrestanalysen aus Brunnen- und Moorablagerungen, Forum Archaeologiae 63/VI/2012 (http://farch.net).



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